Traditionelles Holzhandwerk in modernem Design lautet seit bald 30 Jahren das Konzept von Designimdorf. Damit hat das Bernauer Unternehmen Erfolg – und Nachahmer gefunden.
VON KATHRIN ERMERT
Bei Designimdorf ist das ganze Jahr Weihnachten. In dem alten Schwarzwaldhaus mitten in Bernau planen Geschäftsführer Benjamin Wolffs und sein Produktionsleiter Stefan Fehrenbach schon die Produkte für 2023, während sie gleichzeitig mit ihren rund ein Dutzend Mitarbeitenden eifrig montieren und verpacken. Wie die Weihnachtswichtel. Bis zu 300 Pakete verlassen gerade täglich den Betrieb. Jetzt, in den letzten Wochen vor Weihnachten, ist Hochsaison bei dem Schwarzwälder Familienunternehmen. Kurz vor dem Fest häufen sich die privaten Bestellungen. Vor allem, wenn der verlagseigene Shop der Wochenzeitung „Die Zeit“ Rauchhaus, Krippe, Kaminanzünder oder andere Produkte von Designimdorf bewirbt.
„Ohne Weihnachten würde die Welt anders bei uns aussehen“, sagt Wolffs im Gespräch, für das es nicht leicht war, einen Termin zu finden. Weil ein Teil des Teams krank war, musste der Chef in der vorherigen Woche in der Konfektionierung aushelfen. Seit August gehen Weihnachtsbestellungen für den Handel ein. Im Herbst folgten die Order von Firmen- und ab November die von Endkunden. Letztere sorgen zwar nur für etwa 30 Prozent des Umsatzes. Doch es gibt deutlich mehr Päckle zu verschicken.
Ansteckender Erfolg
Ein bisschen müde sieht Wolffs deshalb aus, aber sehr zufrieden. Der 33-Jährige hat Journalistik studiert und wollte Radio- oder TV-Moderator werden. Als er einmal in den Semesterferien seinen Heimatort Bernau im Sonnenuntergang sah, war ihm allerdings klar: Er will zurück in den Hochschwarzwald. 2015 stieg er in das Familienunternehmen ein, das sein Stiefvater Stefan Spitz 1993 gegründet hatte. 2018 übernahm er die Leitung, und der Senior kümmert sich seither wieder um seine Drechslerei.
“Wir haben die Formensprache verändert.”
Benjamin Wolffs, Geschäftsführer Designimdorf
Die ist der Ursprung von Designimdorf. Hier entstanden 1993 die ersten Produkte. Untypisch für den Schwarzwald sahen die Dekorationsartikel, Haushaltshelfer und Kleinmöbel aus, ganz schlicht. Das moderne Design in Kombination mit traditioneller Handwerkskunst ist zum Markenzeichen des Unternehmens geworden. „Wir haben die Formensprache verändert“, sagt Wolffs. Es sei anfangs nicht immer leicht gewesen, aber schließlich erfolgreich.
Und ansteckend: Gleich nebenan in der Bernauer Dorfstraße produziert seit etwas mehr als zwanzig Jahren die Firma Raumgestalt auch Schwarzwälder Wohnaccessoires und Möbel in modernem Design. Stefan Spitz hat die Konkurrenz sehr geschmerzt, Juniorchef Benjamin Wolffs sieht das entspannter. Zumal der Markt groß genug für beide Bernauer Betriebe zu sein scheint. Die Vertriebskanäle unterscheiden sich zunehmend. Raumgestalt setzt vorwiegend auf den klassischen Einzelhandel, während für Designimdorf Versandhändler und der eigene Onlineshop immer wichtiger werden.
Nachhaltige Geschenke
Fast 500 Produkte hat Designimdorf mittlerweile im Sortiment. Es sind vor allem schöne Dinge, die man nicht wirklich braucht und die man Menschen schenkt, die schon alles haben. „Nachhaltig schenken“ nennt Wolffs das. Er unterscheidet interne und externe Geschenke: solche bis etwa 50 Euro an Freunde und Bekannte sowie welche bis zu 300 Euro an enge Familienmitglieder. Die Nachhaltigkeit ziehe sich wie ein roter Faden durchs Unternehmen, von der Auswahl der Rohstoffe, über die heimische Produktion bis zur Verpackung. Die schwarzen Schachteln, in denen die Artikel beim Kunden ankommen, sind nicht bedruckt, nur mit einer Banderole versehen, sodass sie für andere Zwecke weiterverwendet werden können.
Holz ist der gemeinsamen Nenner des Sortiments, alle Produkte haben irgendwie damit zu tun. Sei es eine geschmiedete Feuerschale oder ein Flaschenöffner in Tannenform. Ein Klassiker und Bestseller ist jenes Rauchhaus, das im Zeit-Shop zu finden ist. Auch der abstrakte Weihnachtsbaum verkauft sich gut. Sogar nach Kanada haben die Schwarzwälder schon einen geschickt. Und der schlichte Räucherzwerg, der mit seinen Vorbildern aus dem Erzgebirge nur wenig gemeinsam hat, ist trotz seiner Kosten von fast 80 Euro gerade vergriffen.
Die typischen Kunden sind etwas älter, etwas gebildeter und etwas wohlhabender als der Durchschnittsdeutsche. Zeit-Leser eben. Deshalb spürt man in Bernau einen „wahnsinnigen Impact“, seit viele Artikel im Zeit-Shop zu finden sind, der regelmäßig in der Wochenzeitung mit einer Auflage von mehr als 600.000 inseriert. Der Kontakt zwischen dem kleinen Schwarzwälder Hersteller und dem großen Hamburger Medienhaus kam auf der Messe „Ambiente“ in Frankfurt zustande. In Zahlen sei der Zuwachs aufgrund der Bestellungen von Zeit-Lesern gar nicht so einfach zu bemessen, sagt Wolffs. Vielleicht gut zehn Prozent mehr. Zugleich sei die Aufmerksamkeit enorm gestiegen. Es kämen seither viel mehr Menschen in den Showroom in Bernau.
Richtige Investitionen
Corona zum Trotz sind auch die zurückliegenden zwei Jahre „überraschend gut“ gelaufen, berichtet der Firmenchef. Die gewachsene Bekanntheit und Nachfrage stoßen jetzt allerdings auf verknappte Rohstoffe und schwierige Beschaffung. Sehr herausfordernd sei das, sagt Wolffs. Doch man habe viel Glück gehabt und zur richtigen Zeit richtig investiert: in die komplette Digitalisierung kurz vor der Pandemie und in eine PV-Anlage, ehe die Strompreise explodierten.
Im Unternehmen findet heute nicht mehr die eigentliche Produktion statt, nur noch die Montage der anderswo gefertigten Einzelteile und vor allem der Vertrieb. Etwa ein halbes Dutzend Drechsler, Schreiner und Metallverarbeiter, meist kleine Betriebe aus der unmittelbaren Umgebung, fertigen im Auftrag für Designimdorf. Auch ein älterer Herr sägt in seiner Hobbywerkstatt. Zudem arbeitet das Unternehmen mit einem Pool von freien Gestaltern zusammen, aus dem Nachbarort genauso wie aus Frankfurt, Berlin oder den Niederlanden. Fest angestellt ist nur ein Produktentwickler Deshalb ist die Zahl der Beschäftigten überschaubar geblieben. Die meisten kommen aus der Nachbarschaft und können zu Fuß in das 350 Jahre alte Haus laufen, in dessen vorderem Teil Werkstatt, Lager und Büros untergebracht sind. Hinten wohnt die Familie.
Nach den Feiertagen werden sie hier erstmal durchatmen. Weihnachten ist umsatzmäßig bislang das absolute Kerngeschäft. Der Juniorchef würde das gern ändern. Er arbeitet an anderen Saisonthemen. Seit zwei Jahren gibt es beispielsweise ein Frühlingssortiment mit Produkten für Garten und Balkon.