In Südbaden gibt es eine breit aufgestellte Ablehnung gegen das marode AKW – auch Wirtschaftsverbände erhoffen sich die Schließung.
Von Uli Homann
In Freiburg, der größten Stadt im Einzugsbereich des KAKW Fessenheim, ist der Beschluss des EDF-Verwaltungsrats in Sachen Stilllegung des Atommeilers zurückhaltend aufgenommen worden. Der Verwaltungsrat hatte am 24. Januar einem Angebot der französischen Regierung zugestimmt, für die Schließung eine Entschädigungsleistung von 450 Millionen Euro zu akzeptieren. Einen Antrag auf Entzug der Betriebserlaubnis hat die EDF aber noch nicht an die Regierung gerichtet. Die Stadtverwaltung Freiburg begrüßt die Entscheidung. Bedenklich stimme aber, dass es trotz erheblicher Sicherheitsmängel nicht zu einer sofortigen Abschaltung der beiden 40 Jahre alten Reaktoren in Fessenheim komme. Die Entscheidung sei sicher ein „bedeutsamer Meilenstein“ für die Sicherheit der Bevölkerung beiderseits des Rheins, aber noch nicht das erhoffte energiepolitische Signal einer Zuwendung zu erneuerbaren Energien. Wichtig für Freiburg und die Region sei es nun, die weiteren Schritte auf dem Weg zur Schließung von Fessenheim zügig abzuarbeiten und die Reaktoren schnellstmöglich stillzulegen.
Axel Mayer, Regionalgeschäftsführer des Bundes für Umwelt und Naturschutz (BUND), drückte die Sorge aus, die EDF spiele auf Zeit. Es bleibe die Frage, ob der „kleine Schritt“ in Richtung Schließung „von einer rechtskonservativen Pro-Atom-Nachfolgeregierung nicht wieder gekippt werden könnte“. Dem BUND und der Umweltbewegung am Oberrhein gehe es wie Goethes Faust: „Die Botschaft hör’ ich wohl, allein mir fehlt der Glaube“. Beim AKW Fessenheim handele es sich um einen „gefährlichen und wartungsintensiven Oldtimer“. Alle französischen Reaktoren hätten ein „massives Überalterungsproblem“. Axel Mayer schaut skeptisch in die Zukunft: „Irgendwann müssen Erfahrungen mit dem teuren und schwierigen Abbruch von stark verstrahlten Reaktoren gemacht werden. Leider hat die EDF aber viel zu wenig Geld für den Abbruch der alten Kernkraftwerke zurückgelegt.“ Nach Ansicht des BUND darf der trinationale Abschaltdruck bis zur endgültigen Stilllegung nicht nachlassen.
Andreas Kempff, Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer Südlicher Oberrhein (IHK) spricht von einem „wichtigen Schritt“ zur Schließung des Kraftwerks, die sich die IHK wegen des Gefahrenpotentials wünsche. Ob sich eine Nachfolgeregierung in Frankreich an diese Entscheidung gebunden fühle, müsse jedoch abgewartet werden. Kempff warnt: „Ein Störfall hätte weitreichende Auswirkungen, auf die Bevölkerung, auf die Wirtschaft, auf den Tourismus. Insofern wären wir froh, wenn dieses Risiko durch eine Abschaltung beseitigt wird“.
Atomkraftkritisch zeigt sich auch der Wirtschaftsverband Industrieller Unternehmen in Baden wvib. Hauptgeschäftsführer Christoph Münzer sagte, wegen der Gefahren der alten Fessenheim-Reaktoren sei er für die Abschaltung. Er nennt Unternehmen im Raum Müllheim, die die Nähe des Atommeilers als Belastung empfinden, weil sie ihnen bei Audits und Zertifizierungen, die Kunden verlangen, Schwierigkeiten bereitet.Wvib-Präsident Klaus Endress sagte jüngst vor Journalisten: „Ich bin nicht für Kernkraftwerke, die Kernkraft ist emotional tot“. Gleichwohl werde in seinen Augen nicht genügend für eine erfolgreiche Energiewende getan. „Da ist nicht viel passiert“, und das bereite ihm sowohl im Blick auf die Schweiz als auch auf Deutschland Sorgen: „Nach der Luft ist der elektrische Strom für die Menschen das Zweitwichtigste.“ Ob es in Zukunft immer ausreichend elektrische Energie gebe, stehe für ihn in Frage, er sehe „zu wenig nachhaltige Politik“. Endress warnt: „Unser Wachstum ist im Eimer, wenn wir Energiecuts haben“.
Auch der Freiburger CDU-Bundestagsabgeordnete Matern von Marschall zeigte sich erleichtert. Die Marschrichtung stehe jetzt fest. Eine Festsetzung der Hängepartie wäre „für uns alle in Südbaden schädlich gewesen“. Matern von Marschall lobte ausdrücklich das Engagement der Anti-KKW-Bürgerinitiativen.
Die grüne Bundestagsabgeordnete Kerstin Andreae erklärte, die Entscheidung sei viel zu spät gekommen. Aber „lieber ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende“. Fessenheim sei ein großes Sicherheitsrisiko für die gesamte Region.
Es sei unverantwortlich, das „marode Kernkraftwerk“ so lange am Netz zu lassen. Die Zukunft gehöre nicht der Kernkraft, sondern den Erneuerbaren Energien. Hier liege auch das Potential für zukünftige Arbeitsplätze in der Region.
In einer Stellungnahme der Freiburger SPD-Spitzen heißt es, man sei dem Ziel der Abschaltung einen „großen Schritt“ nähergekommen, aber noch sei das älteste Atomkraftwerk Frankreichs nicht abgeschaltet. Nach wie vor brauche es Druck seitens der Bevölkerung und der Politik.
In Fessenheim hatte es am Tag vor der Entscheidung einen Fackelzug gegeben. Um den Protzest von etwa 400 Menschen unter dem Motto “Blackout” gegen die mögliche Schließung des AKWs zu unterstützen, wurde während des Fackelzugs die Straßenbeleuchtung in dem Dorf abgestellt. Örtliche Politiker und Gewerkschafter hatten den Verwaltungsrat der EDF dagegen in einem offenen Brief aufgefordert, gegen die Entschädigungsregelung und für den Weiterbetrieb des Kernkraftwerks zu votieren. Die Beschäftigten des Kraftwerks streikten zwei Tage aus Protest gegen die Schließung.
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