Insektensterben, Klimawandel, nitratverseuchtes Grundwasser: Oft werden die Landwirte dafür verantwortlich gemacht. Viele Bauern sehen sich zu Unrecht pauschal kritisiert. Es fehlt an Information und Vermittlung. Die zwei regionalen Initiativen Marktplatz LandKultur und Wirlandwirten bieten genau das.
VON CHRISTINE WEIS
Landwirte werden von Fahrradfahrern, Spaziergängern oder Wanderern verbal angegriffen und als Umweltverschmutzer verunglimpft, wenn sie Gülle auf die Felder bringen, Spritzmittel im Weinberg ausfahren oder Waldwege für Holzarbeiten sperren. „Die Beschimpfungen sind keine Seltenheit, sondern Alltag“, sagt Padraig Elsner, Pressesprecher des Badischen Landwirtschaftlichen Hauptverbands (BLHV). Umgekehrt platzt den Bauern der Kragen, wenn die Wiese als Hundeklo oder das Weizenfeld als Picknickplatz benutzt wird. Die gegenseitigen Vorwürfe machen ein Problem offenkundig: Es fehlt an Verständnis – und zwar auf beiden Seiten, bekundet Elsner.
Die unterschiedlichen Lebenswelten seien weit voneinander entfernt. Für die einen ist Natur ein Erholungsraum, für die anderen der Arbeitsplatz. Die Landwirte verstehen sich als systemrelevante Ernährer, die Versorgungsicherheit bieten und fühlen sich in dieser Funktion von der Bevölkerung nicht anerkannt. Teile der Gesellschaft wiederum machen die Bauern für Klimakrise und Artensterben verantwortlich. Einen Schuldigen auszumachen, sei allemal einfacher als das eigene Konsumverhalten infrage zu stellen. Der Ökolandbau ist von dem Vorwurf meist ausgenommen, dieser werde laut Elsner jedoch als Sehnsuchtsort verklärt.
“Die Landwirte müssen raus aus der Opferrolle und aktiv werden.”
Padraig Elsner, Pressesprecher DES BLHV
Innovation statt Jammern
Keine Frage, die Situation ist festgefahren, das Image der Bauern angekratzt. „Die Landwirte müssen raus aus der Opferrolle und aktiv werden“, sagt Elsner. Ein neues Selbstbild – weg vom Ernährer hin zum innovativen Gestalter mit dem Namen Zukunftsbauer – sei ein Lösungsansatz. Zukunftsbauer nennt sich die bundesweite Kampagne des nationalen Bauernverbands.
Beim BLHV in Freiburg hat man parallel dazu mit Wirlandwirten ein eigenes Forum mit Podcast, Videos und Beiträgen ins Leben gerufen. „Nicht jammern, machen!“ ist das Motto. Anhand von Geschichten werden aktuelle Themen und innovative Betriebe vorgestellt. Coworking auf dem Bauernhof, Maisstängel als Substrat für den Champignonanbau, Chicorée als Alternative zu fossilen Brennstoffen sind einige Beispiele.
“Ich bin immer wieder erstaunt, wie wenig die Menschen über Landwirtschaft wissen, dabei sind das unsere Wurzeln.”
Christoph Wasser, Landwirtschaftsmeister
Wissen schafft Verständnis
„Ich bin immer wieder erstaunt, wie wenig die Menschen über Landwirtschaft wissen“, sagt Christoph Wasser, „dabei sind das unsere Wurzeln“. Lebensmittel gibt’s im Supermarkt, doch wie, wo und von wem sie produziert werden, interessiere oft nicht. Erst wenn die Dinge aus dem Ruder liefen, etwa beim Thema Wolfpopulation oder Schweinepest, wird die Gesellschaft wach. Christoph Wasser will das ändern. Mit der Initiative Marktplatz LandKultur knüpft der 56-jährige Landwirtschaftsmeister dafür seit kurzem ein Netzwerk zwischen Erzeuger und Verbrauchern.
Wasser stammt aus dem Ruhrgebiet und hatte auch als „Städter“ schon immer ein Faible für die Landwirtschaft. Ende der 70er galt er als jüngster Imker in Gelsenkirchen. Heute schwärmen seine Bienen in Buchenbach. Fast 30 Jahre war Wasser beim Maschinenring Breisgau tätig, zunächst als Betriebshelfer, später in der Verwaltung, wo er einen Mietpark für Agrargeräte vom Ladewagen bis zum Forstschlepper aufbaute. Der Maschinenring ist ein Zusammenschluss von Landwirten, die sich gegenseitig unterstützen.
Um Unterstützung geht es ihm auch bei seinem neuen Projekt. Marktplatz LandKultur ist eine Onlineplattform (Start war im Mai), auf dem sich Bauern, Gärtner, Schäfer oder Winzer mit ihren Betrieben und Produkten präsentieren können. Ein Team aus Redakteuren, PR-, Event- und Projektmanagern und dem Fotografen Christoph Düpper bringt die Betriebe gekonnt in Wort, Bild und in die Öffentlichkeit. „Wir erzählen Geschichten, die informieren und berühren sollen und vermitteln auf diese Weise, wie wertvoll die Arbeit der Landwirte für uns alle ist“, sagt Wasser.
Schöne Geschichten von Land
Die Einzelportraits werden durch Reportagen und Berichte rund um den Themenbereich regionale Erzeugung und Ernährung ergänzt. Wasser ist es wichtig zu betonen, dass das Konzept Veranstaltungen wie Bauernmärkte, Hofführungen, Kurse und Kulturevents vorsieht. So gastierte vor kurzem das Berliner Zirkus-Theater Scenic Circus in Kirchzarten (Thaddäushof), Efringen-Kirchen (Seebodenhof) und in Bräunlingen (Breghof). Diese persönlichen Begegnungen und Gespräche seien die Voraussetzung für die Annäherung von Verbraucher und Produzenten.
Das Geschäftsmodell finanziert sich durch Beiträge der Mitglieder, aktuell sind das 24. Dazu gehört beispielsweise der Pilzhof Rein in Breisach-Gündlingen, der Betrieb hat vor zwei Jahren von Schweinzucht auf Bio-Edelpilze umgesattelt. Oder Viktor Lang: Er wollte nicht nur Wein kultivieren, sondern erntet auf den Feldern seiner VikiFarm am Tuniberg bei Freiburg-Munzingen Feuerbohnen und Ölkürbisse. Familie Schwär von Hannissenhof in St. Märgen verarbeitet alles, was der Kräutergarten, die Streuobstwiesen und die Bienenstöcke hergeben – von Apfelessig bis Räucherkugeln. Wozu also noch in den Supermarkt, der Marktplatz LandKultur bietet ein Panoptikum vom Feinsten.