Die romantisierte Vorstellung vom bienenrettenden Imkerdasein ist in der Realität harte Arbeit und nur etwas für echte Bienenfans. Imker müssen in diesen Tagen ihre Bienenvölker wöchentlich kontrollieren, sie rechtzeitig vor dem Ausschwärmen hindern, Ableger für neue Völker machen, mit den Bienenstöcken „wandern“, den Honig ernten, schleudern und abfüllen. Aktuell herrscht Hochsaison.
VON ANNA-LENA GRÖNER
In der warmen Morgensonne fliegen geschäftig kleine Insekten hin und her. „Am besten du stellst dich dorthin, da bist du nicht in der Flugbahn“, sagt Stewart Baker und zeigt hinter seine „Bienen-Beuten“ (Bienenkästen, in denen jeweils ein Volk lebt), die im Garten seiner Schwiegereltern in Vörstetten stehen. Der gelernte Industriemechaniker ist Imker im Nebenerwerb, doch Baker möchte den Sprung zum Vollerwerbsimker schaffen.
Der 38-Jährige verkauft unter der Marke „Baker’s Bees“ fünf verschiedene Sorten, vor allem auf regionalen Märkten in den Wintermonaten. Bevor der Honig aber aufs Brot gestrichen oder in den Tee gelöffelt werden kann, ist es ein langer, arbeitsintensiver Weg. „Ich will irgendwann 130 bis 150 Völker haben“, sagt Baker in amerikanisch-badischem Akzent. Vor 16 Jahren brachte ihn die Liebe nach Deutschland, vor zehn Jahren entdeckte er seine Liebe zu den Bienen.
Angefangen hatte Baker mit drei Völkern, heute sind es etwa 60. Um weiter zu wachsen, züchtet er neue Königinnen, teilt bestehende Völker auf, bevor sie schwärmen, also den Trieb verspüren, den Stock mit der Königin zu verlassen, um dadurch mehr Völker zu bekommen, statt Verluste zu machen. Baker holt sein Imkerwerkzeug aus dem Schuppen, zeigt seine Begattungskästen für die Königinnenzucht, einen Kescher, mit dem er ausgebüchste Völker wieder einfangen kann und seinen Imkerhut, den er an diesem Tag nicht aufsetzt, denn seine Bienen seien „sehr sanftmütig“.
Fluchtinstinkt der Bienen
Der Garten in Vörstetten ist ein blühendes Paradies. Seine restlichen Völker hat Baker verteilt: in Heuweiler, St. Peter, im Glottertal und aktuell in Donaueschingen zur Rapsblüte. Stewart Baker hat beim Imkerverein Freiburg seine Ausbildung gemacht, inzwischen gibt er selbst Anfängerkurse und ist als Bienensachverständiger im Einsatz. Dabei unterstützt er andere Imker bei all ihren Fragen und untersucht ihre Bienenvölker auf Krankheiten. Denn wer mit seinen Bienen „wandern“ will, wie das Umziehen der Beute genannt wird, der braucht vorher ein Gesundheitszeugnis.
Die Haltung von Bienen ist registerpflichtig, zuständig sind die Veterinärbehörden. Wie gut es Bakers Bienen geht, wird an diesem Montagmorgen kontrolliert, doch zuerst bereitet der Imker seinen Smoker vor. Den schwarz-rußigen und von Bienenharz verklebten Handapparat füllt er mit zerkleinerten Eierschachteln und Holzpellets, zündet alles an, drückt den kleinen Blasebalg und schon strömt Rauch aus der Tülle. Dieser löst nicht etwa Entzücken bei den Bienen aus, das Gegenteil ist der Fall, erklärt Baker: „Sie riechen Feuer und bereiten sich auf eine Flucht vor. Dazu saugen sie sich mit Honig voll und sind für einen Moment abgelenkt.“
Zudem übertünche der Rauchgeruch die eigenen Pheromone, die die Bienen nicht gerne riechen. Baker öffnet die erste Beute und zieht eine Klarsichtfolie vom oberen Holzrahmen ab, die dazu dient, dass der Deckel nicht an der klebrigen Propolis, dem Bienenharz, kleben bleibt. Sofort strömt ein Geruch von Bienenwachs durch die Luft. Der Imker pumpt mit dem Smoker nur eine winzige Nebelwolke hinein. In dem Kasten herrscht reges Treiben.
Ein fettes Honigjahr
Was für den Laien aussieht, wie tausende Bienen, die planlos über Waben krabbeln (in einem Volk leben im Frühjahr/ Sommer bis zu 60.000, nach dem Winter sind es noch etwa 10.000 Bienen), wird vom Experten schnell analysiert: die einen versorgen die Brut, die anderen kümmern sich um die Waben und den Honig im Stock, der Rest schwärmt aus, um Pollen und Nektar zu sammeln.
In diesem Jahr gibt es für sie viel zu tun. Ausreichend Regen im Februar und März sowie die warmen Tage im April haben für die Insekten Idealbedingungen geschaffen. „Letztes Jahr musste ich zu dieser Zeit Bienen füttern, statt Honig zu ernten. Dieses Jahr ernte ich schon zum dritten Mal“, sagt Baker und präsentiert eine neue volle Honigwabe. Aktuell sammeln die Arbeiterinnen Blütenhonig, bald zieht der Imker mit einigen Völkern in den Wald, um dort den kostbaren Wald- und Tannenhonig zu bekommen.
Dabei sind die Bienen auf ein anderes Insekt angewiesen, ohne das der begehrte Horst-Honig gar nicht zustande käme: eine Blattlaus. Sie saugt den Pflanzensaft der Tannen ein und scheidet den überflüssigen Zucker, auch Honigtau genannt, aus. Diese klebrigen Tautropfen werden von den Bienen eingesammelt und daraus entsteht der König unter den Honigen. Ein 500 Gramm Glas kostet zwischen acht und elf Euro – günstig, gemessen am Aufwand, der darin steckt. In Amerika seien Imker reiche Leute, erzählt Stewart Baker.
Nicht der Honig bringt dort das Geld, sondern die Bestäubungsprämien. „Sie fahren mit ihren Bienenvölkern auf Lastwagen zu den großen Mandel- und Obstanlagen und kriegen dafür richtig Cash.“ In Deutschland gibt es solche Prämien nur selten, beispielsweise bei größeren Obstplantagen im „Alten Land“ bei Hamburg oder am Bodensee. Reich wird ein Imker davon nicht. Dabei profitieren die Landwirte von den aufgestellten Bienenstöcken. Wenn Baker seine Beuten in Donaueschingen auf das Rapsfeld stellt, „gibt es einen Mehrertrag von sicherlich zehn bis 30 Prozent.“
Imker aus Leidenschaft
Er selbst hält nicht viel vom amerikanischen Bestäubungs-Imkerdasein, das sei „absolut nicht bienenfreundlich“. Statt satter Prämien einigt er sich gerne mit den Landwirten auf einen anderen Deal: Honigpräsente gegen den Bezug von Nektar. Wer in Deutschland Imker wird, der macht es aus Leidenschaft. Selbst wer sich als Hobby-Imker nur zwei oder drei Völker anschafft (Kosten pro Volk zwischen 100 bis 300 Euro, bei einem Anfängerkurs kann man erste Völker erwerben), hat sowohl hohe Kosten für weitere Anschaffungen (Schutzkleidung, Smoker, Beuten, eventuell eine eigene Honigschleuder etc.) als auch zwischen April und Juli viel zu tun.
Die Imker-Arbeit wird unterschätzt und viele Neu-Bienenliebhaber und Honigschlotzer geben schnell wieder auf. „Wer Bienen hält, hat eine Tierwirtschaft, fliegende Kühe gewissermaßen, alle Verantwortung und Arbeit inklusive“, beschrieb es einmal die „taz“ treffend. Trotzdem liegt Imkerei im Trend. Die Mitgliederzahl in den 132 Vereinen in Baden ist seit März 2015 von 7042 auf 10.600 Imker mit etwa 76.400 Bienenvölkern gestiegen. Der Freiburger Imkerverein zählt rund 400 Mitglieder, darunter nur vier Vollerwerbsimker. Eine der 60 Vereins-Imkerinnen ist Petra Miersch.
Bienen-Wandern
In ihrem verwilderten Garten am Rand von Müllheim bereitet sie alles für das Wandern von sechs ihrer insgesamt 25 Völker vor. „Heute Abend kommen sie in den Wald“, sagt die Ökotrophologin. Das Bienen-Wandern ist nur abends möglich, wenn alle zuhause sind und schlafen. „Sie stecken dazu ihren Kopf in die Waben.“ Auch sie hat großes Vertrauen in ihre Völker. In kurzer Hose und mit luftigem Trägershirt öffnet sie geschickt eine Beute nach der anderen, um zu schauen, wie es den Völkern darin geht, ob sie Schwärmen wollen, die Königin fleißig Eier legt und die Arbeiterinnen ausreichend Honig produzieren.
Auf die Frage, ob sie schon oft gestochen wurde, ein knappes „Ja“, dann greift sie beherzt, aber vorsichtig in das Bienengewusel und pickt gezielt eine Drohne, eine männliche Biene, heraus. Drohnen haben keinen Stachel und sind „super faul“, sagt Miersch. Die Bienen-Männlein beteiligen sich weder an der Arbeit im Bienenstock noch sammeln sie Nektar; ein Grund, warum sie spätestens nach dem geschäftigen Sommer aus dem Stock geworfen werden.
Drohnen sind nur für eine Sache da: die Königin begatten. Wenn sie Glück haben, kommt es dazu (Arbeiterbienen und Drohnen leben nur etwa vier bis sechs Wochen), wenn sie Pech haben auch: nach dem Akt sterben sie sofort. „Imkerei ist einfach nett. Ich mag es, dass man ruhig arbeiten muss. Stress spüren die Bienen sofort“, sagt sie und vergurtet anschließend die Beuten, mit denen es später in den Wald gehen soll. Bis zu 60 Kilo kann so ein voller Holzkasten wiegen, davon sollten am Ende 40 Kilo auf die Honigrechnung gehen, „das wäre super“, sagt die Imkerin. Die Voraussetzungen für volle Tannenhonigtöpfe sind in diesem Jahr perfekt.