Wie entwickelt sich der Markt bei den Einzelhandelsimmobilien in der Stadtmitte? Sehr unterschiedlich, sagen Experten voraus.
VON RUDI RASCHKE
Die Situation im Handel stellt auch für die Immobilienbranche der Region eine beachtliche Umwälzung dar: Wo früher Knappheit herrschte, werden jetzt große Flächen auch in 1A-Lagen frei oder stehen bereits leer. Wie die Politik sehen inzwischen auch Immobilienvermarkter eine neue Zusammensetzung der Innenstadt aufziehen.
Der Nachfragetrend unterstreiche dies, sagt Raoul Röder vom Büro Sprenker & Röder Immobilien: „Man muss bei dem Thema Innenstädte und Einzelhandelsfläche sagen, dass wir hier eine Rückkehr zu mehr Symbiose zwischen Leben, Einkaufen und Genießen sehen werden“. Hinzu käme angesichts des demografischen Wandels auch ein neuer „Wohnbedarf in strukturell sehr guten Lagen“, was betreutes Wohnen oder Service-Wohnen angehe.
Auch neue Hotels könnten in die Mitte der Innenstädte zurück finden. Was aber geschieht, wenn Einzelhandel in der Größe der Kaiser Modehäuser auf zusammen 7000 Quadratmetern in drei Häusern frei wird? Wie lassen sich große Leerstände in vierstelliger Quadratmeter- Größe qualitätsbringend vermarkten, ohne vielleicht zuallererst an Zara oder Primark mit ihrer wenig nachhaltigen „fast fashion“ zu denken?
„Es ist wirklich spannend, was für ‚neue‘ Konzepte nun ihren Platz in der Innenstadt suchen.“
Matthias Sasse, MSI Gewerbeimmobilien
Matthias Sasse von MSI Gewerbeimmobilien sagt, dass er diese Firmen nicht schlechtreden wolle, da sie „durchaus gut für Innenstädte sein können.“ Aber auch für deutsche Textilien könne es Bedarf an innerstädtischen Flächen geben. Vor allem aber müssten sie nicht automatisch an den Mode-Einzelhandel gehen, sagt Sasse, der „von Interesse an Lebensmitteleinzelhandelsflächen oder anderen Gütern des täglichen Bedarfs“ spricht.
„Es ist wirklich spannend, was für ‚neue‘ Konzepte nun ihren Platz in der Innenstadt suchen.“ Im Fall der Kaiser-Vermarktung, in der er engagiert ist, seien sowohl der Eigentümer Franz Motz als auch sein Unternehmen bestrebt, einen Nutzer zu finden, der Mehrwert biete für die Stadt. Die Zukunft der Innenstadt-Immobilien liege in der Renaissance des Einkaufserlebnisses, das den Unterschied zum Onlinekauf herstelle.
Es gelte auf die Zukunft zu setzen und die Lust am haptischen Einkauf. Die weiteren Aussichten? „Shop-in-Shop mit Textilien, Lebensmitteleinzelhandel, Drogerien und Foodhalls haben den Vorteil, dass sie sich gegenseitig die Kunden ins Haus holen“, sagt Matthias Sasse über künf- tige Modelle. Gastronomie und Erlebnisshopping, Genuss und Begegnung seien weiterhin vor allem in Innenstädten zu bekommen.
„Und Freiburg hat den großen Vorteil, dass es wenig Anstrengung bedarf, um es den Leuten schön zu machen. Die Basis dafür ist nämlich über Jahrhunderte gewachsen.“ Im Markt sei in Freiburg die Situation grundsätzlich so, dass das Immobilieneigentum „wert- und preisstabil“ bleibe. Neuansiedlungen bräuchten möglicherweise etwas mehr Entgegenkommen zu Beginn, aber mit „langfristiger Anmietung eines bonitätsstarken Nutzers bleiben auch Mieten auf Vor-Corona- Niveau“.
Ladenlokale sind die Hauptopfer
Faktisch gestoppt ist eine steile Aufwärtsbewegung: Für Freiburg ermittelte der Immobilienverband Deutschland (IVD) von 2010 bis 2020 eine Steigerung von etwa einem Drittel, in Offenburg sogar von rund 50 Prozent bei den Ladenmieten. Jetzt konstatiert der IVD insgesamt eine „deutliche Preiskorrektur“. Besonders große Städte wie München oder Stuttgart sind davon betroffen und hier wiederum vor allem kleine Läden.
„Je höher die Mietpreise zuvor waren, desto stärker sind sie zurückgegangen“, sagt Stephan Kippes. Der Geschäftsführer des für Baden-Württemberg und Bayern zuständigen IDV Süd beobachtet in diesem Jahr einen Preisverfall bis zu 30 Prozent. Einzelhandelsmieten in kleineren und mittelgroßen Städten seien stabiler.
„Je höher die Mietpreise zuvor waren, desto stärker sind sie zurückgegangen“
Stephan Kippes, IDV süd
Die Zahlen, die der IVD Süd der Redaktion zur Verfügung gestellt hat, bestätigen diesen Trend allerdings nur teilweise: Während die Ladenmieten im Oberzentrum Freiburg – je nach Größe und Lage – von Herbst 2020 bis Herbst 2021 zwischen 2,3 und 6,7 Prozent zurückgingen, sanken sie im kleineren Villingen-Schwenningen im gleichen Zeitraum um 9,4 bis 16,7 Prozent und in Lahr sogar um bis zu 20 Prozent.
In Offenburg, Singen und Donaueschingen waren die Einzelhandelsmieten den IVD-Zahlen zufolge dagegen stabil. Laut Kippes sind Ladenlokale auf dem Immobilienmarkt die „Hauptleidtragenden der Pandemie“. Denn Büromieten seien konstant und Wohnmieten stiegen weiter.
Als Folge sinkender Ladenmieten beobachtet Kippes Umnutzungen: Dienstleister wie Friseure ersetzten den Einzelhandel, teilweise auch Kitas oder Gewerbe, das eigentlich kein Ladenlokal braucht wie Makler, Immobilienverwalter oder Werbeagenturen. Die Kaufpreise der Innenstadtimmobilien seien gegenüber den Mieten stabiler – vor allem jene mit einer Mischnutzung, zum Beispiel mit Wohnungen.
Raoul Röder ist Geschäftsführender Gesellschafter und Partner bei Sprenker & Röder Immobilien in Freiburg.
Matthias Sasse ist Geschäftsführer des Freiburger Unternehmens MSI Gewerbeimmobilien.