Die Räder von Roc-Ket sind auf schwere Lasten ausgelegt. Damit transportieren nicht Latte-Macchiato-Mamas und Hipster-Papas den Nachwuchs, sondern Logistikunternehmen ihre Fracht auf der letzten Meile.
Text: Kathrin Ermert
Es gibt kaum ein Geschäft in der Freiburger Innenstadt, das sie noch nicht beliefert haben. Jeden Werktag steuern die Lastenräder von Roc-Ket Cargo Bikes mehr als 150 Abladestellen an und befördern rund 3,5 Tonnen Waren. Kleine Produkte wie Schrauben oder Briefumschläge, Medikamente und SC-Fanartikel ebenso wie Computer, teure Laborgeräte, Möbel, Solarpaneele oder Wärmepumpen. Auch Radgeschäfte lassen sich imagekonform gern mit dem Lastenrad beliefern. Bis zu zwölf Zweiräder passen auf ein Roc-Ket. Das ist meist ein Dreirad mit einer großen Ladefläche hinten, teilweise noch einer kleinen vorn und einem Anhänger zusätzlich. Roc-Kets sind wesentlich stabiler als normale Fahr- und Lastenräder. Sie verwenden Motorradkomponenten und sehen mit ihren großen Scheinwerfen, Rückspiegeln und Blinkern auch fast so aus. Die Räder haben keine Speichen, dicke Reifen und wesentlich stärkere Bremsen als normale Fahrräder. Die Ladefläche hat das Ausmaß einer Europalette, dennoch lässt sich das Gefährt mit seiner flexiblen Front wendig lenken und kann bis zu 300 Kilo transportieren. Rekord waren sogar kürzlich 475 Kilo, berichtet Thomas Ketterer.
Der Diplom-Betriebswirt mit einer Passion fürs Fahrrad und einem Hang zur Technik hat Roc-Ket 2015 gegründet. Parallel zu seiner Arbeit im Vertrieb und Marketing bei verschiedenen Lebensmittel- und Pharmaunternehmen hatte Ketterer die Idee eines professionellen Lastenrads entwickelt, das in Großstädten und Ballungsräumen Kleintransporter mit Verbrennungsmotor ersetzen kann. Aus seinem ersten Konzept auf Papier entstand ein Prototyp, den der 56-Jährige vor zehn Jahren auf der Messe Eurobike in Friedrichshafen vorstellte. Mit den Kontakten, die er dort knüpfte, entschloss er sich zum Schritt in die Selbstständigkeit.
Roc-Ket Cargo Bikes ist zugleich Hersteller und Nutzer der Lastenräder. Als Kurierdienst bedient das Unternehmen die letzte Meile für große Logistiker. Roc-Ket betreibt Cityhubs für Dachser sowie UPS und transportiert auch Waren für viele regionale Auftraggeber wie die Uniklinik oder die Stadt. Thomas Ketterer nennt diese Kombination ein schlaues System, weil er so die Erkenntnisse aus der Praxis in die technische Weiterentwicklung der Räder einfließen lassen kann. So hat er beispielsweise das Be- und Entladen der Waren stetig verbessert. In die neuesten Räder ist jetzt eine sogenannte Ameise integriert, also ein Hubwagen für Paletten, der sich mittlerweile hydraulisch heben und senken lässt. Beim Vorgängermodell muss man kurbeln.
Ketterer hat viele weitere Ideen. Zum Beispiel eine Haube für den vorderen Teil des Rads. Bislang ist nur die Ware vorm Wetter geschützt, zumal sich die Planen oder Container wunderbar für Werbung eignen – ein kleiner Zusatzverdienst. Dass auch die Menschen nicht mehr ohne Dach im Regen radeln, ist ein Herzensthema des Firmenchefs, der selbst täglich 15 bis 20 Kilometer fährt. Das Gegenstück, um eine Haube montieren zu können, ist bereits in alle Rahmen integriert. Doch Innovationen kosten Geld. Deshalb sucht der Unternehmer nach neuen Partnern, seit er sich vor einigen Monaten von Velocarrier getrennt hat. Der Tübinger Transportdienstleister, der auch auf die letzte Meile in der Logistik spezialisiert ist, hatte sich in der Gründungsphase an Roc-Ket beteiligt. Über Velocarrier kam die Partnerschaft zu Dachser zustande. Mittlerweile hat Roc-Ket direkt mit der Freiburger Niederlassung des großen Logistikunternehmens aus Kempten Verträge geschlossen. Dachser unterstützt seinen Juniorpartner zwar mit Investitions- und Werbekostenzuschüsse, aber der Bedarf ist noch größer. Ketterer wünscht sich einen Lead-Investor.
„Aktuell liegt die Losgröße bei drei Rädern. Wir würden gern auf zehn bis zwanzig kommen.“
Thomas Ketterer
Damit ließe sich auch die Produktion skalieren. Die ist bislang eine Manufaktur für kleine Serien. Gemeinsam mit Ingenieuren, die ihm zuarbeiten, lässt Ketterer die Rahmen schweißen und die Komponenten montieren. Die Losgröße liegt bei drei Rädern. „Wir würden gern auf zehn bis zwanzig kommen“, sagt Ketterer. Etwa 30 Räder hat Roc-Ket Cargo Bikes bislang gebaut. Die Hälfte nutzt es selbst als Kurier, die andere Hälfte ist bei Kunden im Einsatz, beispielsweise bei den Freiburger Unternehmen Historia und Spindiag, eines sogar bei einem alten Geschäftspartner von Ketterer in Rumänien. Besonders stolz ist er über den ersten kommunalen Auftrag: Die Gemeinde Lauchringen hat kürzlich die neueste Roc-Ket-Version mit integrierter Hydraulik für ihren Bauhof bestellt. Ähnliche Aufträge stehen laut Ketterer auch von anderen Gemeinden am Hochrhein im Fokus.
Das passt, denn das Unternehmen soll in der Produktion wachsen. „Darauf liegt ganz klar der Fokus“, sagt der Firmenchef. Es gebe in Deutschland kaum andere Hersteller von vergleichbaren Lastenrädern, die Europaletten transportieren und solche Gewichte laden können wie Roc-Ket. Die Elektromotoren stammen von Heinzmann aus Schönau. Sie können nicht nur vorwärts-, sondern zum Rangieren auch rückwärtsfahren, das ist bei diesen Gewichten wichtig. Und sie nutzen Rekuperation, gewinnen also beim Bremsen Energie zurück. So hält der Akku locker eine Achtstundenschicht.
Ketterer ist ein Überzeugungstäter, der die Mobilitätswende aktiv mitgestalten will. Er hatte gehofft, dass sie schneller vorankommt, und wünscht sich mehr Mut seitens der Auftraggeber, auch bei einem kleinen Unternehmen wie seinem zu bestellen. „Wir können im Gegensatz zu den meisten Konkurrenten auch den Service bieten“, sagt er selbstbewusst. Bis sich das ändert, bleibt Roc-Ket wohl klein. Derzeit beschäftigt das Unternehmen genauso viele Minijobber, wie es Lastenräder im Einsatz hat, also rund zehn. Die Fahrer – es sind aktuell ausschließlich Männer – werden technisch geschult und angewiesen, sich defensiv, umsichtig und professionell zu verhalten. „Wir haben noch nie eine Beschwerde bekommen“, betont Ketterer, der großen Wert auf Qualität und Sicherheit legt.
Er plant keine weiteren Cityhubs, kann sich aber vorstellen, anderen die Dienstleistung dafür anzubieten. Doch in Freiburg sollen die Roc-Kets auch weiterhin die letzte Meile versorgen – „das ist ein stabiles, unerlässliches Basisgeschäft“. Die pedalbetriebenen Kleintransporter bleiben also Teil des Stadtbilds und beliefern die Läden in der Innenstadt abgasfrei mit Sandalen, Kosmetika und anderen Waren. Birkenstock steuert Roc-Ket Cargo Bikes täglich an, und darf als zertifizierter Gefahrguttransporteur auch Parfum beispielsweise zur Rituals-Filiale am Martinstor bringen. Nur Lebensmittel transportieren die Lastenräder so gut wie nie, denn die Hänger sind bislang nicht gekühlt. „Alles geht nicht mit dem Fahrrad. Wir müssen bei unseren Leisten bleiben“, sagt Thomas Ketterer. Aber sein Ziel bleibt die Verkehrswende.