Die Kieswirtschaft am Oberrhein bleibt ein wichtiger Wirtschafts- und Baumotor für die Region. Ihren Kritikern will die Branche mit Aufklärung und Gespräch begegnen. Die Knobel Bau-Gruppe in Hartheim eröffnet demnächst einen Umweltlehrpfad durch Biotop, Kieswerk und Recyclinganlage.
VON CHRISTINE WEIS
Das Nest ist gebaut, sie können anfliegen: Uferschwalben sind gerade auf dem Weg aus ihrem afrikanischen Winterquartier in die Hartheimer Sommerresidenz. Knobel-Mitarbeiter präparierten rechtzeitig zur Ankunft einen Sandberg nach den Anleitungen von Biologen. Den Landeplatz können die Schwalben nicht verfehlen, denn in der Steilwand ist bereits ein Nistplatz bereitet. Für den Eisvogel legten sie ebenfalls artgerechte Nisthöhlen direkt am Gewässer an. Die Wildbienen haben ein großzügiges Hotel mit Blühblumen vor der Haustür und die Flussschwalben ein eigenes Brut-Floß. Das sind nur einige Spezies der rund 60 Vogelarten, die in den Rekultivierungsflächen beim Kieswerk Knobel vorkommen. Frisch angelegt ist zudem ein 2000 Quadratmeter großes Mauereidechsen-Habitat. Die streng geschützten Kriechtiere siedeln sich demnächst hier an, weil sie einem Straßenbauprojekt in der Nachbarschaft weichen müssen.
All diese Maßnahmen sind nicht Teil der ohnehin umfangreichen Umwelt-Auflagen der Kieswirtschaft. „Wir machen mehr, als wir müssen“, sagt Michael Knobel, Geschäftsführer der Hartheimer Knobel Bau-Gruppe, bei dem Rundgang durchs Firmengelände. Das 50.000 Quadratmeter große Biotop direkt neben dem Baggersee sei zugleich Kür und sinnvolle Öffentlichkeitsarbeit. Knobel will damit zeigen, dass Kies und Natur sich nicht ausschließen und er hat dafür auch ein Wort: Kieskultur.
Ein Experten-Team mit Umweltpädagogen und Biologen erarbeitet das Konzept für den Lehrpfad durch Biotop und Kieswerk. Corona-bedingt kann Knobel noch nicht sagen, wann die offizielle Eröffnung sein wird. Die „Kür“ kostete allein für Voruntersuchungen 25.000 Euro. Federführend bei dem Projekt ist das Freiraum- und Landschaftsarchitekturbüro Wermuth aus Eschbach.
Vorgesehen ist, dass die geführten Besuchergruppen Vegetation, Vögel oder Eidechsen beobachten können – und direkt nebenan sehen, wie und wo Kies und Sand abgebaut und recycelt wird. „Wir entnehmen der Natur Rohstoffe, aber wir geben auch viel zurück. Es entstehen auf den stillgelegten Abbauflächen neue Lebensräume für Pflanzen und Tiere“, sagt Knobel.
Der Unternehmer weiß um die Dringlichkeit guter Kommunikation und rät seinen Marktbegleitern, frühzeitig über Abbauvorhaben zu informieren. „Mit den Kritikern muss man sprechen. Transparenz und Offenheit schafft Vertrauen.“ Deshalb hat er zusammen mit einigen Branchenkollegen 2017 auch die Initiative „kiwi – Kieswirtschaft im Dialog“ gegründet. Knobel ist stellvertretender Vorsitzender der mittlerweile mehr als 20 Mitglieder umfassenden Gruppe. Es finden regelmäßig Veranstaltungen und Diskussionen mit interessierten Bürgern und Vertretern aus der Politik statt. Die Branche sei konservativ und lege wenig Wert auf gute Kommunikation, das will kiwi ändern. Genehmigungsverfahren für Erweiterungsflächen dauerten Jahre und die Liste an Genehmigungsanträgen und Untersuchungen sei lange. Erfahren die Bürger aber erst dann von neuen Abbauflächen, wenn Bäume fallen und Bagger graben, ist es in seinen Augen zu spät. Mögliche Konflikte müssen weit im Vorfeld geklärt werden. Seinen Umweltlehrpad sieht er daher auch als Blaupause für die Kollegen.
Gegenwind schlägt den Kiesunternehmern von Bürgerinitiativen, Anwohnern oder Umweltschützern entgegen: In Oberschwaben besetzen aktuell Aktivisten den Altdorfer Wald. Mit der medienwirksamen Kampagne wollen sie Teile des Waldes vor Kiesabbau bewahren. Der Regionalplan sieht die Fläche von elf Hektar zur Förderung von Kies jedoch längst vor. Auch in Breisach-Niederrimsingen gibt es Proteste. Die Herrmann Peter KG plant ihren Baggersee zum angrenzenden Naturschutzgebiet hin auszuweiten.
Abbau und Artenvielfalt – Lebensraum Kiesgrube
„Ich bin kein Botaniker“, bekennt Michael Knobel offen, „aber ich habe Verantwortung für die Natur“. Manchmal sei er verblüfft, was Biologen alles auf seinem Gelände entdecken. Im letzten Sommer waren einige der Teiche ausgetrocknet, dabei kamen handtellergroße Muscheln zum Vorschein.
Knobels Welt sind die Steine. Er erzählt beinahe gerührt, dass sich vor einigen Jahren eine Erzieherin meldete und um eine Besichtigung bat, denn die Kinder wollten sehen, wo die Steine wachsen. Genau das ist sein Terrain und die Fakten kennt er in- und auswendig: „Ein Mensch verbraucht pro Stunde umgerechnet ein Kilo Steine, sie stecken in Häusern, Straßen, Bahngleisen, Gläsern, Putzmitteln oder in der Zahnpasta. Dessen sind sich leider nur wenige bewusst. Dagegen ist der deutschlandweite Flächenverbrauch für den Abbau von mineralischen Rohstoffen mit 0,004 Prozent gering.“
Geologisch ist der Oberrhein reich an Kies, lediglich ein Teil ist für den Abbau vorgesehen. 42 Kiesgruben mit einer jährlichen Fördermenge von 9,4 Millionen Tonnen sandigem Kies (aktuelle Angabe, von 2017) gibt es hier. In ganz Baden-Württemberg sind es knapp 500 Gewinnungsstätten, an denen jährlich rund 100 Millionen Tonnen Rohstoffe wie Kalkstein, Kies und Sand, Gipsstein oder Steinsalz abgebaut werden: Das beziffert der Rohstoffbericht des Landes von 2019. Bei dessen Präsentation im letzten Herbst betonte der grüne Umweltminister Franz Untersteller: „Wir müssen für uns und die kommenden Generationen darauf achten, die Rohstoffgewinnung möglichst nachhaltig und ressourcenschonend sowie sozialverträglich im Land zu gestalten.“ Die in der Koalitionsvereinbarung festgelegte Rohstoffstrategie wurde in der letzten Legislaturperiode allerdings nicht vorgelegt.
Rohstoffe verantwortungsvoll nutzen
„Die Vorkommen seien noch lange nicht erschöpft“, sagt Knobel und auch er will schonend mit ihnen umgehen, schließlich sollen auch seine Nachfolger noch gut davon leben können. Der Kies befindet sich schon knapp einen Meter unterhalb der Bodenschicht und reicht bis in Tiefen von über 100 Meter. Bis maximal 30 Meter wird er in Hartheim abgetragen. Jährlich holen die Bagger rund 150.000 Tonnen Kies an die Oberfläche.
Zusammen mit seinem Bruder Andreas führt Michael Knobel das Unternehmen mit 130 Mitarbeitern und einem Jahresumsatz von rund 30 Millionen Euro in der dritten Generation. „Kein Stein habe je diesen Planeten verlassen“, betont Knobel. Die eigene Recyclinganlage filtert aus Asphalt und Schutt wiederverwendbare Baustoffe. Insgesamt liege die Verwertungsquote mineralischer Bauabfälle bei etwa 90 Prozent. Das decke den Bedarf allerdings nur zu 10 Prozent. Neue, große Stadtteile wie etwa Dietenbach in Freiburg können nicht allein aus Holz, Lehm oder Stroh gebaut werden. Fahrstuhlschächte, Kellerfundamente, Straßen – dafür brauche es Beton, der aus Kies besteht. Knobel ist für einen Mix aus alternativen Baustoffen und Beton. Es müssten auch keine neuen Straßen gebaut werden, allein der Sanierungsstau fülle seine Auftragsbücher. Der Energiemix ist sein Credo auf mehreren Ebenen: Er fährt ein Hybridauto. Ein Drittel des gesamten Stromverbrauchs der Knobel-Gruppe speist sich aus der eigenen Solaranalage. E-LKWs seien technisch noch nicht gut genug ausgestattet, sonst wäre auch das eine Option. Und während Knobel das neue Solardach zeigt, huscht eine Eidechse durch die Steinrabatte am Verwaltungsgebäude. An der Böschung gegenüber ist eine perfekte Eidechsenwohnung für sie frei.