Warum gemeinsam Kochen leichter fällt als Sprechen.
VON UDO MÖBES
Als Coach ist es immer wieder interessant zu beobachten, wie schnell es kompliziert wird, wenn sich Teams an Aufgaben heranmachen – besonders wenn die Aufgaben unklar sind. Zum Beispiel beim Bereichsleiter-Meeting, zu dem man sich einmal im Monat trifft. Die Bandbreite reicht hier von minutiösen Agenden, bei denen lebendige Diskussionen aber konsequent nach fünf Minuten abgeklemmt werden.
Bis hin zu Meetings, bei denen sich der Chef über eine Stunde lang bei Nummer zwei verfranzt hat. Die Atmosphäre ist manchmal konfus, hektisch, dann wieder zäh und beklemmend. Und in den Gesichtern sieht man, dass es Kraft kostet. Oft entsteht gerade in der Routine ein unterschiedliches Verständnis über das Ziel des Meetings. Wer hat schon den Mut, sich nach drei Jahren zu outen und ein Vorgehen zu hinterfragen, an dem er selbst schon x-mal teilgenommen hat?
Aber genau das wäre der richtige Impuls! Die Teilnehmer wären dafür dankbar. Weit wahrscheinlicher ist es, dass das nicht passiert, da ja „eh alle wissen, um was es geht“. So geht das Schauspiel Monat für Monat weiter.
Kontextwechsel: Gemeinsam Kochen im Team
Zum Jahresende steht bei den gleichen Bereichsleitern nun ein gemeinsamer Koch-Event auf dem Programm. Wie soll das in diesem Team überhaupt funktionieren? Wenn es schon schwer fällt, eine gemeinsame Besprechung abzuhalten? Es gibt einen Plan: Damit die Zutaten besorgt werden können, wird ein Menü festgelegt.
Es ist klar, was es als Vorspeise, Hauptgang und als Dessert geben wird. Das Zeitfenster ist ebenfalls klar. Schließlich soll alles an diesem Abend gegessen werden – aufschieben und vertagen kommt nicht in Frage! Die Motivation ist spätestens dann da, wenn der erste Magen knurrt. Jetzt gilt es nur noch zu organisieren, wer mit wem was macht?
Erfahrungsgemäß wird dies zehnmal so schnell entschieden wie die Suche nach dem Freiwilligen, der das Protokoll vom Meeting schreiben möchte. Im Anschluss wird es in der Küche lebendig. Neu geschaffene Kleingruppen machen sich ans Werk.„Weiß jemand, wo die Käsereibe ist?“ und „Hat jemand das Salz gesehen?“.
Es ist schön zu beobachten, wie man sich gegenseitig hilft und unterstützt.
Aufbrechen alter Hierarchien
Denn am Herd spielt es keine Rolle, wer länger im Betrieb ist, wer promoviert worden ist oder wer die meisten Mitarbeiter zu verantworten hat. Die Aufgaben sind einfach Neuland. Man kann sich auch mal doof anstellen und Fragen stellen, ohne dass man sich blamiert. Auf der anderen Seite werden auch neue Stars sichtbar, die entsprechende Kompetenzen und Erfahrungen mit einbringen – sei es aus Studenten-Job-Zeiten.
In kürzester Zeit entsteht in der Küche eine neue Hierarchie. Wer am meistens Erfahrung an der Pfanne hat, genießt in diesem Moment den höchsten Status im Team. Man entdeckt so beim Kollegen aus dem Controlling noch eine andere Seite, die einem bisher bei der ganzen Excelei verborgen blieb.
Und es gibt beim Schnippeln allerlei Gesprächsthemen. Das Wissen voneinander wird erweitert. Das gegenseitige Verständnis entwickelt sich weiter. Dann am Ende am feierlich gedeckten Tisch zu sitzen und zu essen, was man gemeinsam gekocht hat, ist ein Fest! Zitat einer Teilnehmerin bei einem Koch-Event: „Es ist interessant, es fällt uns scheinbar leichter gemeinsam zu kochen als miteinander zu sprechen!“
Unbedingt noch einmal Aufwärmen!
Als Coach – aber genauso auch als Führungskraft – sollte man die Möglichkeit nutzen, so ein Erlebnis mit den Kollegen mit etwas Abstand zu reflektieren. Das Team erlebt in der Küche, dass es Hand in Hand arbeiten kann und am Ende etwas Tolles auf dem Tisch stand. Interessante Fragen: Was kann das Team daraus für die Zusammenarbeit zum Beispiel im Meeting lernen?
Worauf muss man in Zukunft achten? Gibt es ein gemeinsames Verständnis davon, was gekocht werden soll? Wer kann welche Kompetenzen an welcher Stelle einbringen?
Blick hinter die Kulissen
Mit den frischen Eindrücken aus dem Koch-Event wird beim anschließenden Glas Wein auch gerne über das Berufsbild Koch philosophiert.
Wer hätte Lust, das berufsmäßig zu machen? Der Tenor ist dann meistens: Dass nach dem Event der Respekt vor diesem Beruf gewachsen ist.
Udo Möbes ist selbstständiger Berater, Trainer und Business- Coach und betreibt seit 2015 mit seiner Frau Ulrike Peter das Seminarhaus „Saiger Lounge“ im Schwarzwald. Er begleitet Change-Prozesse in Unternehmen und coacht Geschäftsführer-Teams oder einzelne Führungskräfte.
Für das Digital-Unternehmen Virtual Identity mit 180 Mitarbeitern in Freiburg, München und Wien war er zuvor 16 Jahre lang an der Spitze tätig, davor arbeitete er 11 Jahre für die Haufe Mediengruppe. Udo Möbes wird an dieser Stelle regelmäßig seine Erfahrungen mit Coaching- Themen an unsere Leser weitergeben.
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