Wer einen Ausflug im Schwarzwald gemacht hat, der schwärmt von den alten Bauernhöfen und den lieben Kühen auf den grünen Wiesen. Ein schönes Idyll?
Was für viele nach Heidi ausschaut, hat sich in den zurückliegenden Jahrzehnten stark verändert. Landwirte haben mit vielen neuen Vorgaben von EU und Bundesregierung zu tun. Es gibt gerade in der Milchwirtschaft viele Neuerungen. Hauseigene Daten werden inzwischen gescreent, man verfolgt und analysiert auf dem Bildschirm Mengen, Fett- oder Eiweißgehalt und vergleicht sie beim Benchmarking mit den Werten von ähnlichen Höfen. Über den Chip der Kuh kann man das noch auswerten. Die Anlage misst, welche Kühe reinkommen, welche Kühe versuchen, Futter zu bekommen und welche beim zweiten Anlauf nur noch gebürstet werden. Ein Gespräch mit einem Landwirt zeigt schnell, dass es hier inzwischen um Hightech geht. Kurz: sehr viel Veränderung im Heidi-Land.
Family-Business erwünscht
Landwirtschaft ist historisch ein Familienbetrieb. Es ist auch heute noch normal, dass die Großeltern mitarbeiten. Wer so aufgewachsen ist, der kennt es nicht anders. Und es ist eine große Hilfe, dass diese alten Menschen noch lange so rüstig sind. Denn die große und akute Problemzone sind der Nachwuchs und die Nachfolge.
Ähnlich wie in der Gastronomie heißt es häufig: Wer das als Kind erlebt hat, möchte so nicht leben und sucht sich lieber einen anderen Job. Es gelingt aber zum Glück immer wieder, trotzdem junge Nachfolger zu gewinnen, teilweise mit entsprechender Ausbildung bis hin zum Studium. Für manchen Landwirt ist das noch ein Luxusproblem, denn sein wirkliches Dilemma beginnt schon viel früher: Wie finde ich einen Partner, mit dem ich eine Familie und potenzielle Nachfolge aufbauen kann?
Bauer sucht Frau?
Das bekannten TV-Format scheint keine schlechte Reichweite zu haben. Woher kommt das große Interesse? Ist das ein Traumberuf für uns? Bin ich wirklich auf der Suche nach dem jungen Hühnerfreund aus dem Kaiserstuhl? Habe ich Hoffnung auf ein Happy End? Oder tröstet es, wenn es anderen noch schlechter geht als mir selbst?
Es ist und bleibt ein Phänomen, an welchen Formaten und TV-Formaten das Publikum interessiert ist. Aber man sollte wirklich skeptisch sein, ob das populäre „Bauer sucht Frau“ dem Problem der Landwirte wirklich hilft, oder eher einen Bärendienst leistet.
Es bleibt ein steiniges Geschäft
Mancher neue Traktor oder auch ein verkaufter Bauplatz ruft Neider auf den Platz. Aber: Wer in der Landwirtschaft in Wald-, Wiesen-, Getreide- oder Viehwirtschaft unterwegs ist, hat keinen Nine-to-five-Job, sondern ein Arbeitspensum, das sich die meisten nicht vorstellen können und auch nicht wollen. Wer dann noch Vieh hat, kennt auch kein Wochenende. Da könnte man einfach sagen: Augen auf bei der Berufswahl.
Allerdings übernehmen Landwirte wichtige Aufgaben für die gesamte Gesellschaft: die Ernährung oder auch die Pflege von Waldflächen. Wer sich längere Zeit nicht um seinen eigenen Wald kümmert, bekommt früher oder später Ärger.
Was könnte man tun?
Wenn uns die Natur und die Landschaft so wichtig sind, sollten wir im Supermarkt über den Schwarzwaldausflug nachdenken und uns fragen: Welche Milch kaufe ich? Wer es sich leisten kann und regionale Milch, Butter, Sahne, Joghurt und Käse kauft, zahlt in das ganze System ein. Wenn auch nicht alles beim Bauer landet.
Eine Alternative kann sein, den bäuerlichen Direktvertrieb zu unterstützen und dort zusätzlich Eier, vielleicht auch Gemüse und Brot zu kaufen. Inzwischen gibt es auch bei vielen Landwirten, die Möglichkeit regionales Fleisch zu bestellen.
Vielleicht können wir auch noch etwas für die Wertschätzung der Landwirtschaft tun? Erfahrungsgemäß braucht es dafür großen Leidensdruck. Pflegeberufe lernten wir erst in der Coronazeit zu schätzen und Handwerker dann, wenn wir selbst bauen. Aber vielleicht bekommen wir das auch mal schneller hin?
Udo Möbes ist selbstständiger Berater, Trainer und Business-Coach und betreibt seit 2015 mit seiner Frau Ulrike Peter das Seminarhaus „Saiger Lounge“ im Schwarzwald. Er begleitet Change-Prozesse in Unternehmen und coacht Geschäftsführer-Teams oder einzelne Führungskräfte. Für das Digital-Unternehmen Virtual Identity mit 180 Mitarbeitern in Freiburg, München und Wien war er zuvor 16 Jahre lang an der Spitze tätig, davor arbeitete er 11 Jahre für die Haufe Mediengruppe. Udo Möbes gibt an dieser Stelle regelmäßig seine Erfahrungen mit Coaching-Themen an unsere Leser weiter. www.moebes.de