Eigentlich ist es ja eine große Errungenschaft, dass wir so viele Freiheiten haben. Was ich am Wochenende mache, muss ich doch jetzt nicht entscheiden!
Das hängt vom Wetter, meiner Stimmung und den Alternativen ab – mal schauen! Gehe ich Donnerstagabend ins Fitness? Oder treffe ich den Sven am Abend? Oder bleibe ich einfach zuhause, weil ich keinen Bock habe? Wir haben uns angewöhnt, das am besten im letzten Moment zu entscheiden.
Die Folge ist: Wir schieben eine Palette von Möglichkeiten vor uns her. Wir nennen das Spontanität. In Wirklichkeit kann es aber ganz schön stressig werden, wenn wir Entscheidungen aufschieben – bzw. vor uns herschieben. Das ist im Business dann oftmals genau das gleiche. Sprechen wir am Mittwoch oder am Freitag über das Thema? Das können wir ja immer noch klären!
Und das Essen mit dem Lieferanten am Mittwochnachmittag wäre nett, aber eigentlich müsste ich da meine Tochter beim Reiten abholen? Aber mal schauen, vielleicht kann ich das auch anders organisieren? „Ich melde mich noch einmal dazu, ok?”
Fast in jedem Coaching ein Thema?
Was als Spontanität schmückt, wird inzwischen von vielen Führungskräften eher als Hamsterrad bezeichnet. Im Business sind mit dem Digitalen die Möglichkeiten flexibler geworden und haben sich verbessert. Aber wirklich alles zum Besseren? Vor 30 Jahren hat man in Unternehmen die Kollegen zu einer Besprechung eingeladen oder hat dort vorbeigeschaut.
Die Alternative war, sich während der Arbeitszeit auf dem Diensttelefon anzurufen. Und man konnte sich interne Memos oder externe Briefe schreiben. Natürlich hat sich das mit E-Mails und Handy komplett geändert. Aber in den letzten Jahren sind noch eine Vielzahl an weiteren Kanälen dazu gekommen. Mit dem Smartphone hat sich die Erreichbarkeit fast selbstverständlich auf 24/7 erweitert.
Zusätzlich gibt es SMS, WhatsApp, Slack, Outlook…. undundund. Mit dem Home-Office gibt es mit Microsoft Teams weitere Plattformen für die Allzeit-Kommunikation. Die Auswirkungen davon können sein: Die Kollegen fühlen sich getrieben, kommen Themen nicht hinterher, fühlen sich immer einen Schritt zu spät und manche haben noch die Sorge, etwas zu übersehen und zu verpassen. Es fehlt die Ruhe, um etwas zu Ende zu denken.
Wer nicht plant, der wird verplant
Eine neue Unsitte: Besprechungstermine werden automatisch über Online-Kalender geplant. Klassiker: Ein Mitarbeiter sucht für ein Thema, das ihm wichtig ist, über Outlook den nächsten freien Termin bei den Kollegen. Da er nichts falsch machen möchte, lädt er möglichst viele Kollegen ein. Nicht selten wissen die Eingeladen noch nicht so richtig, um was es geht.
Wenn allerdings so viele eingeladen werden, dann muss es ja etwas Wichtiges sein? Vielleicht erfährt man das ja dann im Termin? Absagen fällt schwer, da offensichtlich kein anderer Termin im Kalender stand. Und so nimmt das Schauspiel seinen Lauf. Hinweis: Wenn das in ihrem Unternehmen nicht so läuft, dann können Sie den Rest dieser Kolumne gleich überspringen. Herzlichen Glückwunsch! Für die anderen sind vielleicht diese beiden Werkzeuge interessant.
Handwerkszeug: Wochenstruktur
Auch wenn es „old school“ klingt, scheint Struktur bei einigen Kollegen eine große heilende Kraft zu entfalten. Ansätze für Struktur könnten beispielsweise sein: Dass Führungskräfte zwei Stunden pro Tag als Sprechstunde definieren. Und die restliche Zeit für andere Aufgaben blocken. So kann nicht jeder einfach aus Lust und Laune reinstolpern und stören. Wirklich Schluss mit „Open Door“?
Zumindest was die ganze Zeit angeht! So löst sich vielleicht auch das eine oder andere Probleme wieder von allein. Manche Organisationen führen einen Silent-Day pro Woche ein, an dem keine Meetings stattfinden. Oder wenn ich fünf Einzel-Gespräche je Woche mit meinen Mitarbeitern führe, dann kann ich diese auf einen Tag koppeln.
Die Zeitstruktur wird besser eingehalten, weil es direkt anschließende Termine gibt. Und vielleicht fällt es leichter, da die Themen an dem Tag dann gebündelt werden und man Parallelen erkennt. Oder ich überprüfe, ob die Meetings so wie sie bisher gelaufen sind, auch fortgeführt werden müssen?
Jour fixe sind oft ein Lieblingskind, da sie für manche Mitarbeiter der Zugang zum Chef sind. Das nennt man „Airtime“. Aber ist das denn so noch zeitgemäß? Warum nicht auf einmal im Monat bündeln und in den restlichen drei Wochen miteinander im Team – aber dafür dann nur die halbe Zeitdauer?
Das kann noch zusätzlich davon befreien, dass man als Führungskraft dann Informationen von A nach B tragen muss. Und kann die Entwicklung im Team steigern. Man kann so auch den Aus-tausch im Team fördern – auch wenn man als Führungskraft dann immer wieder einmal mit Abwesenheit glänzt.
Pimp my meeting
Als Coach hört man oft: „Vor lauter Meetings komme ich nicht mehr zum Arbeiten“. Und es ist faszinierend und kurios, wie Meetings in Unternehmen laufen – teilweise seit vielen Jahren. Es ist auch immer wieder interessant, dass es einerseits viel Frust gibt, aber andererseits die Initiative zur Veränderung nicht so ausgeprägt ist. Dabei ist das genau der Schlüssel. Mit den folgenden Fragen bekommt man das kurzfristig auf ein neues Niveau gehoben:
- Warum gibt es dieses Meeting?
- Was ist das Ziel des Meetings?
- Wie ist das geplante Vorgehen in dem Meeting (incl. Zeitstruktur)?
- Welche Teilnehmer solle es geben – und warum?
- Was muss von wem dazu vorbereitet werden?
- Wenn Entscheidungen getroffen werden – wie geschieht das? Und durch wen?
- Am Ende des Meetings: klären, wie es weiter geht.
- Wichtiges dokumentieren (Ergebnisse)
Nichts neues – eh klar?
Dann ist das ein Impuls, in Zukunft daran zu denken und es auszuprobieren. Dabei empfehle ich dann den Führungskräften, es erst einmal so vorzuleben. Und dann erst im zweiten Schritt die Kollegen zu motivieren, es auch so zu machen. Das gilt auch für die Wochenstruktur.