In Lahr laufen bei der Firma Oscar Weil Produkte aus Stahlwolle für Haushalt und Handwerk vom Band. „Abrazo“, ist der bekannteste Artikel,
ein Reiniger für Topf und Pfanne, der nicht aus der Mode kommt – seit 1925.
Von Katharina Müller
Es dampft, raucht und staubt. Geräusche erfüllen die Luft. Schier endlos scheinen die schmalen Bahnen, die sich von großen tonnenschweren Rollen herunter winden und in die Maschinen gezogen werden. In den Produktionshallen der Oscar Weil GmbH aus Lahr wird Stahl verarbeitet. Aus dünnen Drähten werden viele einzelne Fäden geschnitten, die zu kleinen mattgrauen Kissen oder zu Oberflächen von Schwämmen werden.
Seit Jahrzehnten ist das Familienunternehmen, in fünfter Generation geführt, auf die Verarbeitung von Stahl und auf die Herstellung von Stahlwolle in 13 verschiedenen Feinheitsgraden für unterschiedliche Einsatzbereiche spezialisiert.
Kraus, manchmal fast lockig ist sie und wird für Oberflächen im Handwerksbereich, zum Bearbeiten von Holz oder in der Industrie gebraucht. Aber auch für den Haushalt gibt es spezielle Schwämme, für Kochtöpfe, für den Grill und sogar für Kaminglas.
Es ist eine ausdifferenzierte Produktpalette, die auf bestimmte Materialeigenschaften in Haushalt und Handwerk abgestimmt ist. Denn wer schon mal die eigene Windschutzscheibe, das Kaminglas oder das Glaskeramik-Kochfeld mit dem „falschen“ Schwamm geschrubbt hat – mit der so harmlos erscheinenden grünen Seite des gelben Haushaltsschwamms, der weiß, dass diese danach für immer getrübt sein kann. „Auf Glas kann man mit dem falschen Material ziemlich Schaden anrichten, das sehen wir immer wieder“, erklärt Gregor Grüb, der den Betrieb 2012 von seinem Vater übernommen hat und ihn seither gemeinsam mit Stefan Gräther führt.
Zu absolut jedem Kunden fährt Grüb persönlich, wenn Beschwerden über verkratzte Glasflächen bei ihm eintrudeln, um sich den Schaden anzusehen. Nicht selten liegt da dann auch in der Küche der „falsche“ gelbgrüne Schwamm herum. Spezielle Glaskeramik-Schwämme der Oscar Weil GmbH hingegen haben eine Oberfläche aus fein geschnittenen Stahlfäden, die bedenkenlos auf Kochfelder angewendet werden können.
Zum Beweis demonstriert Gregor Grüb das sogleich am Besprechungstisch. Mit Druck schrubbt er die Glasplatte, sogar der Kaminschwamm mit der silbrigen Oberfläche, die aus vielen feinen Härchen besteht, verursacht keine Kratzer. Grüb erklärt, warum viele zögern, Stahl auf Oberflächen anzuwenden: „Das Wort Stahl wird mit Härte assoziiert, die Leute haben schlichtweg Bedenken, solche Schwämme für ihre heutzutage sehr teuren und hochwertigen Flächen zu benutzen. Dabei ist es physikalisch ganz unmöglich, dass Stahl Glas zerkratzt.“
Im 19. Jahrhundert erstellte ein Geologe namens Friedrich Mohs eine Härte-Skala, die Werkstoffe einstuft, dabei ist Glas dem Stahl in Sachen Härte weit voraus. Allerdings seien diese physikalischen Materialeigenschaften schwierig zu vermitteln, sagt Gräther. Redewendungen wie „stahlhart“ scheinen noch immer präsent. Die Verbraucher seien vorsichtig, vielleicht auch aufgrund so manch falscher Werbeversprechen, die sich spätestens im Gebrauch als unhaltbar herausstellten.
Die Marken der Oscar Weil GmbH sind seit Jahren erfolgreich im Lebensmitteleinzelhandel, in Heimwerkermärkten oder bei Fachhändlern. Auch ohne groß angelegte Werbekampagnen und TV-Spots. Gregor Grüb lacht und gibt zu: „Wir können die Beschwerden auch nur deshalb persönlich bearbeiten und überall hinfahren, weil wir kaum welche bekommen. Sonst wäre das schlichtweg nicht möglich.“
Trotz Schwankungen des Stahlpreises bewegt sich der jährliche Umsatz der Firma im mittleren einstelligen Millionenbereich, der Haushaltsbereich mit der Marke „abrazo“ hat mit 50 Prozent dabei den größten Anteil. Unter dieser Marke verkauft sich seit 1925 etwa auch ein Schwamm, oder vielmehr ein grau-pinkes Kissen, welches verseift wird. Im Marketing-Jargon heißt es Power-Pad, mit schreiend pinker Verpackung besitzen die Produkte einen hohen Wiedererkennungswert.
Auch der Grill- oder Backofen-Reiniger läuft unter dem Namen „abrazo“, ein Saisonprodukt, dass im Sommer besonders gefragt ist. Die Produktion beginnt bereits in den letzten Wintermonaten, damit der Reiniger bei Saisonstart im April ausreichend auf Lager ist. Und während diese „abrazo“-Pads dann während der Sommermonate deutschlandweit millionenfach über die Ladentheken gehen, wird in Lahr schon wieder der Kaminreiniger produziert. Beides saisonale Produkte, mit circa 20 Prozent Anteil am Gesamtumsatz.
Neben dem deutschen Markt beliefert die Oscar Weil GmbH aber auch insgesamt 35 andere Länder, der Exportanteil des Unternehmens liegt derzeit bei 35 Prozent. „Wir haben uns mit den Produkten an die jeweiligen Märkte angepasst, an die Mentalitäten, die Traditionen und Gegebenheiten der Länder.“ In der Schweiz beispielsweise heißt es nicht Stahlwolle, sondern Stahlwatte. Vielleicht sind die Schweizer noch vorsichtiger, wenn es um Stahl auf Oberflächen geht, mit dem Begriff Watte relativiere sich die Angst etwas zu verkratzen.
Auch zur Sorge, ob die Schwämme umweltfreundlich sind, geben die Geschäftsführer gerne Auskunft: Stahl sei ein Werkstoff, der sich zügig abbaue, man könne damit sogar den Eisengehalt des Bodens erhöhen, erklärt Gräther. Auch die rein pflanzlich hergestellte Seife sei unbedenklich für die Umwelt. „Bis auf die Seife, die aus der Schweiz kommt, werden alle unsere Produkte – bis hin zur Verpackung, die aus dem Schwarzwald kommt – in Deutschland hergestellt.“ Auslandsverlagerung sei kein Thema, zu viele hätten sich dabei schon die Finger verbrannt, auch wenn die Bürokratie, die EU-Auflagen und neue Regelungen im Bereich Sicherheit und Standards inzwischen kleinen Mittelständlern wie ihnen richtig zu schaffen machten. Aber, so Grüb, der auch für den internationalen Vertrieb zuständig ist, „Made in Germany“ genieße einfach einen unschlagbar guten Ruf. Das gelte auch für Reinigungsprodukte, wie beispielsweise Schwämme. „Im Libanon sind wir beispielsweise Marktführer“.
Am Standort in Lahr sind rund 30 Personen beschäftigt, 9 in der Verwaltung, 3 in der Werkstatt, der Rest in der Produktion. Und dort wirken die Maschinen noch ein bisschen wie aus dem Zeitalter der ersten industriellen Revolution. Die Fertigung ist nicht vollautomatisiert, vieles geht noch mechanisch und nicht digital.
Die Kommunikations- und Vertriebskanäle allerdings sind teilweise schon webbasiert: Seit etwa drei Jahren beschäftigen sich die beiden Geschäftsführer mit diesen Trends. Darunter falle auch das Thema Markenbildung über Social Media sowie Content-Marketing, das Nutzen von Youtube und der Kontakt mit Bloggern, die Produkte testen und ihren Fans darüber berichten.
Realistisch und sehr bodenständig ist die Einstellung zu diesem Trend: „Bewusst haben wir uns bisher beispielsweise gegen einen eigenen Facebook-Kanal entschieden“, denn eine richtige Zielgruppe, die über diesen Kanal erreicht werden kann, sehen die beiden Geschäftsführer nicht. Das Zeitalter der Markenbildung — ein übertriebener Hype? Das Facebook-Profil von Tempo-Taschentüchern beispielsweise hat rund 140.000 Fans. Nicht viel dafür, dass es das Paradebeispiel der Markenbildung ist, wo der Name zum Produkt wurde. Eines das wirklich jeder kennt. Wie das wohl bei dem kleinen Reinigungs-Kissen namens „abrazo“ wäre? Auch wenn dieser bereits seit Jahrzehnten nicht aus der Mode kommt und die Verpackung sowie der Gebrauch einiges hermacht: Es könnte ein durchaus pragmatischer Ansatz sein, sich zu fragen, wieviel Personen überhaupt einen grau-pinken Schwamm liken.