Konfitüren- und Safthersteller aus Südbaden sind regional verwurzelt und beziehen nach eigenen Angaben wesentliche Anteile der benötigten Früchte aus dem nahen Umfeld. Doch die Preisinflation und der steigende Mindestlohn könnten dies künftig erschweren – drei Beispiele.
VON HOLGER SCHINDLER
Es gibt Simmlerland und es gibt Fallerland – abhängig davon, woher man in Südbaden stammt und welchen der beiden großen heimischen Konfitürenhersteller man vermutlich bevorzugt. Jedenfalls gibt es diese Zweiteilung aus Sicht von Thomas Faller, dem geschäftsführenden Gesellschafter der Konfitürenmanufaktur Alfred Faller in Utzenfeld im Wiesental, Landkreis Lörrach, wie der Unternehmer augenzwinkernd verrät. Was sein Haus und den konkurrierenden Franz Simmler in Lauchringen im Wutachtal, Landkreis Waldshut, indes verbindet, ist die starke regionale Verankerung.
Beide Anbieter betonen nicht ohne Stolz, dass sie wesentliche Teile des für Fruchtaufstriche benötigten Obsts aus dem direkten Umfeld in Südbaden beziehen. Ob das künftig weiterhin so sein wird, muss sich zeigen. Auf der einen Seite macht die verschärfte Inflation die Verbraucher preissensibler, sodass beim Einkauf tendenziell billigere Produkte bevorzugt werden. Auf der anderen Seite drohen höhere Kosten für heimisches Obst, weil der Mindestlohn auf Wunsch der Ampelregierung weiter steigen soll. Andere Faktoren sprechen weiterhin für Aufstriche und Säfte aus heimischen Früchten.
„Selbst Pfirsiche beziehen wir in kleinen Mengen mittlerweile auch aus Südbaden.”
Thomas Faller, Geschäftsführer Konfitürenmanufaktur Alfred Faller
Die Firma Faller in Utzenfeld, deren Ursprünge bis ins Jahr 1913 zurückreichen, bezieht nach eigenen Angaben traditionell große Mengen an Früchten und Beeren aus dem Markgräflerland, dem Kaiserstuhl und dem Hochrhein. Überwiegend Erdbeeren, Schwarzkirschen, Äpfel und Quitten, aber in kleinerem Umfang auch Zwetschgen und in kleinsten Mengen Himbeeren kaufe man in der Region. „Selbst Pfirsiche beziehen wir in kleinen Mengen mittlerweile auch aus Südbaden, nämlich aus dem mittleren Wiesental vom Dinkelberg“, sagt Thomas Faller. „Abhängig ist dies natürlich stets von der Erntelage“, schränkt der Unternehmer ein.
Genauere Angaben zu Mengen und Anteilen macht er nicht, fügt aber offen hinzu, dass die benötigten Obst- und Beerenmengen auch anderswo eingekauft werden. „Wir kaufen bereits verarbeitungsfertige Früchte aus Polen und Serbien sowie aus Spanien zu, in der Regel tiefgefroren“ erklärt Faller. Abhängig sei man beim Einkauf natürlich auch von den innerbetrieblichen Verarbeitungskapazitäten. „Wir könnten zum Beispiel bei uns im Betrieb Aprikosen und Pfirsiche nicht maschinell entsteinen“, so der Unternehmer. Bis auf Ananas und Mangos kämen aber alle Früchte aus Europa.
Gegründet wurde der Betrieb von Alfred und Therese Faller einst in Schönau, seit 1999 ist nun Utzenfeld Firmenstandort. Dort gibt es auch Fallers Lädele mit Direktverkauf. Rund 70 Beschäftigte sind bei Faller im Einsatz. Der Vor-Corona-Jahresumsatz lag bei rund neun Millionen Euro, aktuellere Zahlen nennt man nicht. Faller beliefert überwiegend die Hotellerie in ganz Deutschland mit Konfitüren, Müsli und Honig. Aber auch der Lebensmitteleinzelhandel und Großverbraucher wie Kliniken gehören zum Kundenstamm. Geführt wird das Unternehmen seit 1989 von Bettina und Thomas Faller.
Dass sich Regionalität gut vermarkten lässt, spiegelt sich auch im Faller-Sortiment wieder. „Wie haben seit diesem Jahr eine neue Produktlinie aufgelegt – die Trachten-Serie“, sagt Thomas Faller, „die umfasst sechs Sorten, überwiegend aus heimischen Früchten hergestellt, pro Sorte mit einer anderen Tracht auf dem Etikett, das läuft sehr erfolgreich bei Edeka, Rewe und den Raiffeisen-Märkten.“
„Wir beziehen unsere Früchte am liebsten aus der Region.“
Carsten Rochol, Geschäftsführer von Simmler
Auch beim Mitbewerber Simmler in Lauchringen rückt man die regionale Verankerung in den Fokus. Das Unternehmen mit rund 50 Beschäftigten besteht seit dem Jahr 1932 und produziert rund drei Dutzend Konfitürensorten, Marmeladen und Fruchtaufstriche. Umsatzzahlen nennt Geschäftsführer Carsten Rocholl keine. Doch auch er hebt hervor: „Wir beziehen unsere Früchte am liebsten aus der Region.“ So kommen laut Rocholl die Schwarzkirschen für die Simmler-Produktion aus Südbaden. Die Quitten würden teilweise sogar auf firmeneigenen Plantagen geerntet – den Rest beziehe man von regionalen Partnerplantagen. „Darüber hinaus öffnen wir jedes Jahr auch die Tür für die Quittenanlieferung durch alle privaten und gewerblichen Quittenbaum-Besitzer“, sagt Rocholl. Bei den Produkten, die man nicht regional beziehen könne, greife man auf europäische Partner zurück. Auch der Simmler-Chef nennt keine genaueren Mengenanteile.
Klar ist aber, dass der Bezug von Obst aus Südbaden letztlich für die verarbeitenden Betriebe wirtschaftlich sein muss. „Da könnte es in der näheren Zukunft durchaus Verschiebungen geben“, sagt Thomas Faller. Zum einen könnten höhere Durchschnittstemperaturen dazu führen, dass einzelne Kulturen nicht mehr so ertragreich angebaut werden könnten. Zum anderen könnten Kostensteigerungen bei der Erzeugung die Früchte aus der Region für Weiterverarbeiter unattraktiv machen. „Speziell die Steigerungen beim Mindestlohn sind hier ein kritischer Faktor“, sagt Faller.
Schon jetzt seien wirtschaftlich konkurrenzfähige Sonderkulturen in Südbaden nur dank Saisonkräften aus Osteuropa möglich. Für die wiederum lohne sich die weite Anreise, denn sie könnten bei der Arbeit hier rund das Dreifache von dem verdienen, was ihnen vergleichbare Tätigkeit in der Heimat einbringen würde. Zum Oktober soll nun der gesetzliche Mindestlohen auf 12 Euro pro Stunde steigen. Anfang 2021 lag er noch bei 9,50 Euro. Das entspricht einem Anstieg von gut 26 Prozent in weniger als zwei Jahren. „Dazu muss man wissen, dass die Personalausgaben bei Sonderkulturen bis zu 60 Prozent der Gesamtkosten ausmachen“, so Faller.
“Angesichts der steigenden Transportkosten sind kurze Wege ein Vorteil.”
Martin Geng, Chef vom Obstparadies Staufen
Auf der anderen Seite spricht auch einiges für Obst aus der Region als Ausgangsprodukte. Angesichts steigender Transportkosten seien kurze Wege ein Vorteil, sagt Martin Geng, Chef beim Bio-Betrieb Obstparadies Staufen mit acht festangestellten Beschäftigten und zwei Saisonkräften. Geng setzt auf alte Obstsorten und verzichtet auf Spritzmittel. Aus dem eigenen Obst stellt er unter anderem Säfte, Fruchtaufstriche und „Prickler“ her, mit Kohlensäure versetzte Fruchtsaft-Aperitifs. Auch Geng ist überzeugt, dass Kunden für heimische Erzeugnisse in entsprechender Qualität auch mehr bezahlen.
Wie sich die Kundenpräferenzen und die Zahlungsbereitschaft angesichts der deutlich verschärften Inflation verhalten, kann aber niemand genau vorhersagen. „Vieles deutet darauf hin, dass auch bei Lebensmitteln gespart wird und im Zweifel das preisgünstigere Alternativprodukt gewählt wird“, sagt Thomas Faller. Jedenfalls werde die Kundschaft künftig bei Preis wesentlich sensibler reagieren als bisher.