Was verbirgt sich hinter dem im November eingeweihten „Eatrenalin“ im Europa-Park? Ein Menü, eine Party, ein Fahr-geschäft? Ein Selbstversuch sucht Antworten.
VON RUDI RASCHKE
Was wir zuvor wussten: Eatrenalin ist eine eigens neu gebaute Location zwischen Krønasår und Rulantica, der Preis für ein Menü beginnt bei 195 Euro inklusive Weinbegleitung und Champagner vorab. Der Name setzt sich aus englisch „eat“, „essen“ und dem Aufregungshormon Adrenalin zusammen. Daher kleine Restängste vor dem Besuch: Sie werden Dich ja nicht samt Sitz in ein Loch runterschießen, während Du noch ein Glas Rotwein in der Hand hast? Oder aus Echtheitsgründen zum Fischgang einen halben Eimer Wasser ankippen? Woher kommt das Adrenalin?
Die Ängste sind unbegründet, auch wenn zu Beginn ein fahrbarer Sitz (optisch: edles Businessclass-Möbel aus dem Flugzeug mit zwei Nachttischle, funktional: ein-Mann-Boxauto) bezogen wird. Nicht ohne das Säuseln aus den Lautsprechern, dass man gleich das Atemberaubendste erleben wird, was man je hatte. „Erwarten Sie nicht weniger als alles!“ rummelt auch die Website eatrenalin.de.
Wer die Geburt zweier Kinder und diverse SC-Abstiege erlebt hat, wird dies bezweifeln, aufregend ist es allerdings durchaus. Es beginnt mit einem Countdown, die eigene genaue Sitzposition ist dann per Namenseinblendung am Türrahmen zum Spektakel eingeblendet. Dem feierlichen Lüften der Sitzabdeckung folgt das Losfahren in eine Halle namens „Ocean“, die mit sagenhaften Projektionen von Unter- und Überwasserwelten flimmert.
Erste Erkenntnis, wenn die 16 Sitze in Reihe losfahren: Hier bewegt sich der Gast zum Teller, nicht umgekehrt. Am Ende, knapp zwei Stunden später, wird ein Nebenpassagier sagen: „Oh, jetzt müssen wir wieder selbst laufen.“Zu den Bildern wunderschöner Fische und Strände ruckeln sich die fahrbaren Sessel zu Vierer-Positionen zusammen, das Nachttischle links geht auf und es erscheint ein mehr als schmackhaftes Schälchen mit Meeresfrüchten und Plankton, an den ein Champagnerschaum angegossen wird.
Weiter geht die Fahrt, zu weiteren von insgesamt acht Gängen oder Appetizern in jeweils eigenen Räumen, von denen jetzt nicht allzuviel verraten werden soll. Nur so viel: Darin liegen viel Glanz, Aufwand, Kochkunst und Kreativität. Manchmal ist allerdings auch das Gegenteil davon nicht weit: In einer Art Geschmacksbibliothek, deren Wände ein bunt gefülltes Flaschenarchiv bildet, werden mit viel Pathos vier Frischkästaler in den Geschmäckern süß, bitter, salzig und sauer serviert, in einer Hochglanzschatulle. Der jeweils zu Essende ist von unten beleuchtet. Der Effekt schlägt den Inhalt. Ein paar Ansagen von einem KI-Wesen aus dem Lautsprecher kommen dazu, ehe die Sitzkolonne noch ein wenig rumkreiselt.
Die Botschaft? Hier bekommst Du das Essen der Zukunft serviert, unternimmst eine Reise zu den Sinnen, steuerst dazu ferne Länder an, ohne in Rust den Sitz verlassen zu müssen. Und dazu gibt es noch etwas Universum im Weltraumsaal (ohne Essen, aber dafür wackelt der Sitz).
Für Menschen, die sich das Essen der Zukunft auch weiterhin gut im Oberbergener Schwarzen Adler oder im Britzinger Hirschen vorstellen können, dürfte das eher nichts sein. Für Menschen mit Vorlieben für etwas zu große Autos und Reisen in Golfstaaten ist dies ein absolut wertiges Angebot zwischen Event und Dinner. Für das der Europa-Park übrigens Spitzenkräfte aus Küchen in der Schweiz und Spanien gewinnen konnte.
Ehepaare oder Freundeskreise als Gäste müssen sich dafür auch nicht allzu sehr unterhalten, hier werden sie unterhalten. Auf einen feinen Hauptgang, wenn auch mit entbehrlichem Edelmetall-Überzug, folgt ein wirklich formidables Dessert, wenn auch mit 20 Jahre alten Stickstoff-Effekten. Dazu fahren Tische wie bei einem Bond-Bösewicht von der Decke, das KI-Wesen wird zum Leben erweckt und erscheint im hautengen Dress. Die smoky Welt-raumstimme spricht von „True Humanity“. Eher nicht allzu menschlich sind die Weine aus dem 10 bis 15-Euro-Sement, die zum Menü gereicht werden. Von beinahe übermenschlicher Qualität dagegen die alkoholfreien Begleiter, aber auch die Kreation aus Gin, Whiskey und Grüntee zum Nachtisch.
Einmal Weltall und zurück: Eine Art Aufzug beamt Dich am Ende wieder in eine irdische Bar, die ebenfalls von einem Könner des Interieur-Designs gestaltet wurde – und auch ohne große Erklärungen eher in einer Millionenstadt spielt als im Weltdorf Rust, das die Familie Mack hier seit 1975 geschaffen hat.
Zu den Ess-Events des Europa-Parks zählt bereits eine Dinnershow, aber auch ein vielbeachtetes Zwei-Sterne-Restaurant klassischer Gattung, das Ammolite. Ein weiteres Spektakel ist mit dem Eatrenalin unübersehbar hinzukommen. Was die deutlichen Schwankungen im anfänglichen Zusammenspiel von Essen, Ambiente und Konzept oder Vision angeht, gilt auch hier: „Erwarten Sie nicht weniger als alles.“