Interdisziplinär: Das Tanz- und Theaterfestival wird zu „Freiburg Festival“ (8. bis 16. Juni) umbenannt. Aber auch die Programm-Ausrichtung hat sich geändert.
Von Stephan Elsemann
How close is far? Unter dieser Fragestellung sind noch bis zum 16. Juni in Freiburg aufregende Bühnen-Produktionen zu sehen – während des Freiburg Festivals. Der Name Freiburg Festival mag Freiburger Kulturfreunde irritieren, doch hinter dem neuen Namen steckt das seit langem etablierte internationale Tanz- und Theaterfestival. Der neue Name ist aber nur der offensichtliche Teil von tiefer greifenden Veränderungen, die mit der Intendanz von Peter Carp am Freiburger Theater auch das Festival in eine neue Richtung lenkten. Mit dem neuen Namen, so Laila Koller, Kuratorin vom E-Werk, soll die Stadt Freiburg mehr mit dem Festival verbunden werden. Außerdem möchte man bei der Programmausrichtung mehr als bisher interdisziplinär vorgehen können, nicht mehr Stücke danach programmieren, wie sie sich nach Tanz oder Theater sortieren lassen. So findet man – mit voller Absicht – im Festivalprogramm keinerlei Hinweise mehr darauf, ob man ein Sprechtheateroder Tanztheaterstück zu sehen bekommt. Das Festival betreuen, wie bisher, drei Freiburger Kulturinstitutionen gemeinsam: das Theater im Marienbad, das Theater Freiburg und das E-Werk. Es sind auch die Spielorte.
Laila Koller, die von den Kuratorinnen mit der Festivalgeschichte am längsten verbunden ist, begrüßt die neue Dynamik sehr. Schon lange vor Beginn der neuen Intendanz am Theater habe man intensiv an der Neuausrichtung des Festivals gearbeitet. Peter Carp selbst war von Beginn an sehr engagiert bei der aktiven Mitgestaltung des Festivals. Gründe für die Neuorientierung des Festivalprogramms liegen auch bei der Neuausrichtung der Tanzsparte im Theater. Vermehrt waren seit vergangenem Oktober Produktionen hochkarätiger Kompanien mit Gastspielen auf der Bühne des Stadttheaters zu sehen. Es sind Produktionen, die man früher noch fürs Festival gebucht hätte, vermutet Tamina Theiss, eine der beiden Kuratorinnen im Auftrag des Stadttheaters. Wenn diese Stücke schon im normalen Spielplan des Theaters zu sehen sind, habe man im Festivalprogramm jetzt Freiräume für andere und neuartige Produktionen. Dafür mag Moeder stehen, von der belgischen Company Peeping Tom. Peeping Tom entwirft große Tableaus auf der Bühne, eine surreale Welt. Wer Mutter ist oder wer Mutter war, wird bestimmt durch Erinnerungen, die vielfältig sind, sich miteinander verflechten, auch widersprüchlich bleiben. Wie nah sind Menschen, die gestorben sind, wenn sie nur durch die Erinnerungen bleiben? Peeping Tom erfindet mit tänzerischer Brillanz ebenso humorvolle wie schmerzhafte Bilder dafür, zwischen Leerstelle und Delirium. How close is far? Mal fern, mal nah – bei „Moeder“ ist es die schillernde Erratik des Erinnerungsvermögens.
„Moeder“ ist der zweite Teil einer Trilogie, die mit „Vader“ begann und mit Kind abgeschlossen wird. Für „Vader“ gewann Peeping Tom bedeutende internationale Preise. Sehr viel konkretere Bezüge zur Relevanz geschichtlicher Ereignisse für aktuelle politische Fragestellungen rekonstruiert Laila Soliman in ihrem Stück „Zig Zig“. Es geht um einen Prozess aus dem Jahr 1919, der in Ägypten gegen Soldaten der englischen Besatzungsmacht geführt wurde, die ein Bauerndorf in Oberägypten überfielen und niederbrannten und die Frauen vergewaltigten. Soliman erzählt die Geschichte anhand der seinerzeit festgehaltenen Zeugenaussagen der überlebenden Frauen. Thema in „Zvizdal“ ist räumliche Nähe, die sich in Ferne verwandeln kann, wenn der vertraute Ort zwar bleibt, sich drumherum aber alles verändert. Es geht um ein Paar, das sich weigerte, nach der Atomkatastrophe von Tschernobyl 1986 sein verstrahltes Heimatdorf zu verlassen. 20 Jahre blieben die beiden dort wohnen, in ihrem vertrauten, aber völlig isolierten Haus. Wieviel noch bleibt von dieser Vertrautheit, wenn sich alles andere ändert, das erzählt „Zvizdal“ als multmediale Theaterperformance mit Film, zwei Miniaturkameras, die in drei Modellen des Gehöftes der beiden alten Leute unterwegs sind. Über das komplette Programm, sowie über das reichhaltige Rahmenprogramm mit Konzerten, Gesprächen, Ausstellungen, Filmvorführungen und nicht zuletzt auch Partys informiert die Website.
Freiburg Festival
8. bis 16. Juni 2018
E-Werk Freiburg
Escholzstraße 77
0761/207570
www.ewerk-freiburg.de
Theater im Marienbad Marienstraße 4 0761/31470 www.marienbad.org
Theater Freiburg Bertoldstraße 46 0761/2012853 www.theater.freiburg.de
Komplettes Programm und Karten
www.freiburgfestival.de Kartenvorverkauf auch beim Theater Freiburg, im Marienbad und beim BZ-Kartenservice, Bertoldstraße 7, 0761/4968888 Abendkasse ab eine Stunde vor den Vorstellungen. Im Theater Freiburg, Kleines Haus und Opernprobebühne Abendkasse 30 Minuten vor den Vorstellungen