Der Künstler Stefan Strumbel bereichert mit dem Kesselhaus die Stadt Offenburg um ein Kulturzentrum. In dem historischen Gebäude gibt es Kunst und Kulinarik. Der Ort hat das Zeug zum Hotspot für die Ortenau und darüber hinaus zu werden.
VON CHRISTINE WEIS
Das Kesselhaus sehen Sie schon von Weitem, es fällt auf“, so eine Passantin. Und tatsächlich drängt sich der große Klinkerbau, der wie ein Zwitter aus Fabrik und Kirche wirkt, sofort ins Sichtfeld. Umgeben von nüchternen Neubauten, sticht der Altbau zudem als Solitär hervor. Künstler Stefan Strumbel hat das Kesselhaus 2020 gekauft. Im Auge hatte es der 44-Jährige schon viel länger, erzählt er beim Termin vor Ort. „Bereits als Teenager war ich ins Kesselhaus verliebt, es ist für mich ein Kraftort.“ Der Begriff Kraftort ist auch historisch treffend. Das Gebäude wurde 1891 erbaut und war die Energiezentrale der Offenburger Weber- und Spinnerei. Hier standen einst Dampfkessel und Turbinen zur Stromerzeugung.
„Wir veranstalten Ausstellungen, Lesungen, Konzerte, Vorträge – alles, was unser kulturelles Leben in Offenburg bereichert.“
Stefan Strumbel
In der Turbinenhalle, dem jetzigen Atelier von Strumbel, sind grüne Wandfliesen, Schalttafeln und eine Kranbahn an der Decke noch im Original erhalten. Sie sind historische Zeugen und bilden gleichzeitig die kreative Kulisse in der 12 Meter hohen und 220 Quadratmeter großen Halle. An der Krananlage hängt ein überdimensionierter Tannenzapfen aus rostigem Stahl, ähnlich den beiden 15 Meter hohen Zapfen vor der Rothausbrauerei in Grafenhausen. Der Mix aus alter und neuer Bausubstanz und Kunst zieht sich durch das gesamte Gebäude. Bunte Fliesen des Berliners Eric Winkler bringen Farbe an die rauen Backsteinwände. Das Vordach der Kantine, die sich an die Halle anschließt, bemalte der Berliner Zeichner und Künstler Stefan Marx. Im Atelier gibt es neben dem Zapfen weitere Werke von Strumbel, vollendet oder noch in Arbeit: eine in Luftpolsterfolie gehüllte Marienfigur, ein Rehkitz, eine Bronzefuchs und meterhohe weiße Bilderrahmen, die er demnächst bemalen wird.
Arbeiten von Stefan Strumbel: eine in Luftpolsterfolie gehüllte Marienfigur (oben), Kuckucksuhr und Zapfen. Fotos: Leo Suhm
Kunst innen und außen
Doch nicht nur im Innern dominiert die Kunst. Strumbel versteht den gesamten Gebäudekomplex als Kunstwerk, eine Art begehbare Skulptur. Dabei kann die typografische Installation „A beautiful thing is never perfect …“ an der Fassade als Titel des Werks gelesen werden. „Es war mir wichtig, dass das Kesselhaus nicht totsaniert wird, sondern seine Patina behält“, sagt Strumbel. Realisiert wurde das ambitionierte Projekt von dem Architekturbüro Müller & Huber aus Oberkirch unter Federführung der Architekten Frank Dielert und Thomas Braun. Strumbel lobt die gute Zusammenarbeit, auch weil er Bauherr und Künstler gleichzeitig sein konnte.
„Die Sanierung dieses Kulturdenkmals war für uns eine tolle Aufgabe und neue Erfahrung“, sagt Braun. Dass man etwa Wände in ihrem alten Zustand mit dem Ursprungsputz einfach so belässt oder nur grob ausbessert, sei für sie ungewohnt gewesen. „Die Frage, wie man mit dem Bestand umgeht haben wir sensibel und konstruktiv diskutiert“, berichtet Dielert. Als Architekten hätten sie dabei mehr als der Künstler Gesetze, Verordnungen und Normen berücksichtigen müssen. „Strumbel war freier und mutiger“, sagt Braun. „Wir haben jedoch immer einen Kompromiss gefunden und es hat Spaß gemacht, die unkonventionellen, kreativen Ideen architektonisch umzusetzen.“
Rund drei Jahre hat die Sanierung gedauert. Eröffnung war dieses Jahr im Mai. Die Resonanz sei gut und das Interesse groß. „Viele sind erstmal neugierig aufs Kesselhaus, damit lassen sich Sammler, Kuratoren und Galeristen in die Ortenau locken“, sagt Strumbel. Der Offenburger hat sich längst national wie international einen Namen gemacht. 2010 berichtete die New York Times in einer zweiseitigen Homestory über ihn. Karl Lagerfeld kaufte eine seiner schrillen Popart-Kuckucksuhren. Das Foto mit dem Modemacher und der Uhr ging durch die Medien. Strumbels Arbeiten wurden immer gefragter. Seine verfremdeten Schwarzwälder Heimatsymbole wie knallbunte Kuckucksuhren mit Totenköpfen oder bewaffnete Bollenhutträgerinnen seien Vergangenheit. Er habe sich künstlerisch weiterentwickelt, arbeite mit unterschiedlichen Materialien. Mit dem Begriff Heimat setze er sich weiterhin auseinander, jedoch nicht allein folkloristisch, sondern universeller in abstrakten Objekten oder Skulpturen.
Kunst und Kulinarik
Strumbel ist viel unterwegs, doch Offenburg ist sein Anker: „Ich komme von der Stadt nicht los. Warum auch? Ich mag die Mentalität der Menschen, die kurzen Wege, das Dreiländereck.“ Mit dem Kesselhaus hat er die Region um ein kulturelles Highlight erweitert. „Wir veranstalten Ausstellungen, Lesungen, Konzerte, Vorträge – alles, was unser kulturelles Leben in Offenburg bereichert“, so Strumbel. Geplant ist zudem ein Skulpturenpark auf dem Vorplatz und entlang des Mühlenbachs bis in die Innenstadt.
Mit der Kantine gibt es Kulinarik im Kesselhaus. Betreiber sind die Offenburger Gastronomen Willi Schöllmann und Martin Kammerer. Auch in der Kantine gibt es Kunst satt: Fotografien von Lars Eidinger und Oliver Rath oder Gemälde von Katharina Grosse und Anne Imhoff. „Die Gäste kommen hier ohne Eintritt unabsichtlich mit Kunst in Kontakt“, sagt Strumbel. So könne man auch Menschen für Kunst interessieren, die damit sonst nichts am Hut hätten.
Zudem gibt es mit dem Filmproduktionsunternehmen Creativ Unit und einer Rahmenwerkstatt zwei weitere Mieter im Kesselhaus. Im Untergeschoss befinden sich Büros, Lager und ein Projektraum. In diesem läuft bis zum 27. Januar eine Ausstellung der Kulturinitiative OG-Projects mit Arbeiten von regionalen Künstlerinnen und Künstlern.