Mit dem Leistungszentrum Nachhaltigkeit haben sich in Freiburg Universität und Fraunhofer-Institute einen gemeinsamen Überbau für Forschung und Entwicklung geschaffen. Von den Lösungen soll die Industrie profitieren und im Kampf gegen den Klimawandel vorankommen.
VON DANIEL RUDA
Hört auf die Wissenschaftler! Das ist die Forderung von Greta Thunberg, die die 16-jährige Klimaaktivistin immer wieder wie ein Mantra wiederholt. Während die Schwedin einerseits eine ganze Bewegung bei dieser Forderung mit sich weiß, gibt es auf der anderen Seite auch Greta-Hasser.
Der Autor Sascha Lobo beschrieb sie zuletzt als die verbitterten Fensterrentner des Internets. Die Schwedin selbst ist eine Meisterin darin, alles an sich abperlen zu lassen. Sie ist sogar nominiert für den Friedensnobelpreis.
Der pure Hass, der ihr als Person begegnet, weil manches Mitglied unserer Wohlstandsgesellschaft sich ums Verrecken (der Erde) bloß nirgendwo einschränken will, gesellt sich auch gerne oberlehrerhafte Besserwisserei bei begleitender Faktennegierung hinzu. Expertise darin hat die Alternative für Deutschland.
Während die Regierung die Ohren für drängende Empfehlungen der Wissenschaft zwanghaft verschließt, hat sich die AfD zuletzt neben Rechtspopulismus auch noch dem Widerstand gegen den „Irrsinn“ Klimaschutzmaßnahmen verschrieben.
Dass der Mensch hauptsächlich verantwortlich für den Klimawandel ist, gilt in der Wissenschaft als Fakt. Für AfD-Parteichef Alexander Gauland ist das dagegen „zumindest umstritten“, sagte er zuletzt gegenüber der Zeitung „Welt am Sonntag“.
Doch zurück zu den Wissenschaftlern, in diesem Fall jenen aus Freiburg. An der Universität und den insgesamt fünf Fraunhofer-Instituten der Stadt beschäftigen sich einige von ihnen ebenfalls mit den Bedrohungen, die etwa der Klimawandel für die Zukunft bereithält.
Im sogenannten Leistungszentrum Nachhaltigkeit (LZN) vereinen die beiden Einrichtungen nun im fünften Jahr ihre Expertise in der Nachhaltigkeitsforschung. Von Grundlagen bis zur Anwendungsreife werden Lösungen entwickelt, die schließlich in der Industrie zum Einsatz kommen sollen.
17 solcher Nachhaltigkeits-Leistungszentren gibt es in Deutschland,Freiburg war das erste.
Die Forschungsschwerpunkte sind nachhaltige Materialien, nachhaltige Energiesysteme und der Bereich der Resilienz, also der Widerstands- und Anpassungsfähigkeit von Systemen. Wie muss denn zum Beispiel in 20 Jahren eine Brücke beim Bau konzipiert oder ein Haus isoliert werden, wenn die Gefahr von Wirbelstürmen wegen des fortschreitenden Klimawandels deutlich höher ist, und die Auswirkungen hinter dieser abstrakten Begrifflichkeit auch in unserem Alltag spürbar(er) werden?
Solche Dinge werden unter anderem von den Wissenschaftlern im LZN ingenieurwissenschaftlich angegangen. Das LZN gliedert sich in unterschiedliche Bereiche. Da wäre etwa das Institut für Nachhaltige Technische Systeme (INATECH), das als drittes Institut der technischen Fakultät an den Start ging und mit 14 Professuren ausgestattet ist, die je zur Hälfte von Uni und Fraunhofer- Gesellschaft getragen werden.
„Das hat Einmaligkeitscharakter in ganz Deutschland“, sagt Daniel Hiller, der die Fraunhofer-Seite in der Geschäftsstelle des LZN vertritt. „Das Leistungszentrum ist ein Trichter des Wissens von Uni und Fraunhofer nach außen“, umschreibt er es. Der Trichter wird unterschiedlich befüllt. Es gibt etwa die Ankerprojekte, in denen Unternehmen als Partner direkt in Entwicklungen involviert sind. Endress & Hauser, Daimler oder Bosch zählen etwa dazu.
Die beiden letzteren sind im Projekt „i-protect“ dabei, in dem es um die Sicherheit von Fahrzeugen und deren Insassen geht. Daimler wird in den nächsten fünf Jahren fünf Millionen Euro in das Projekt fließen lassen. Solche Projekte werden komplett von der Industrie finanziert. Zudem gibt es acht sogenannte Demonstratorprojekte, „in denen nach vorheriger Grundlagenforschung nun bis Ende 2020 für die Industrie marktfähige Technologien und Innovationen entwickelt werden sollen“, erklärt Karin Benz, die für die Uni-Seite die Geschäftsstelle gemeinsam mit Hiller leitet.
In den Teams arbeiten jeweils Forscher aus beiden Häusern zusammen, das ist die Voraussetzung. Hier werden zum Beispiel Sensoren entwickelt, die den Verschleiß von Gummiriemen in Industriemaschinen messen und deren Lebenszyklus optimieren sollen. Es geht um 3D-Druck von „multidirektionalen Verbundwerkstoffen für die Kreislaufwirtschaft“. Ein Prüfsystem für elektronische Geräte, das ohne Inspektion auskommt, hat zum Ziel, die Lebensdauer von Geräten zu verlängern und Elektromüll zu verringern.
An anderer Stelle soll eine Drohne für die 3D-Erfassung von Großstrukturen zur Abschätzung von Geo-Risiken und als Grundlage für die nachhaltige Nutzung komplexer Lebensräume in die Luft geschickt werden. Die acht Projekte werden mit 4,5 Millionen Euro vom Land sowie der Fraunhofer-Gesellschaft gefördert.
Mit insgesamt rund 180 Firmen, ein Drittel davon KMU, hat das Leistungszentrum Nachhaltigkeit in den ersten vier Jahren zu tun gehabt. 14 Millionen Euro sind bislang für Aufträge aus der Industrie eingenommen worden, „wenn Unternehmen auf uns zu kommen und sagen: entwickelt bitte das und das“. 13 Patente sind angemeldet worden, der Masterstudiengang Sustainable Systems Engineering erfreut sich großer Beliebtheit.
Dazu kommt die Begleitung von Start-ups, die ersten stehen demnächst vor der Gründung. „Das große Ziel ist es, dieses Leistungszentrum zu verstetigen“, betont Daniel Hiller. Offiziell ist es noch nicht, aber die Chancen dafür stehen gut. Auch eine Servicestelle für Weiterbildung gibt es, die sich an Unternehmen richtet und mit Webinaren, Workshops und Zertifikatsprogrammen weiter ausgebaut werden soll.
Im April stieg die internationale Konferenz zur Resilienzforschung nach der Premiere in Boston diesmal in Freiburg. Und dem Freiburger Pilotprojekt, das das LZN anfangs war, sind inzwischen 16 andere solche Leistungszentrums-Kooperationen deutschlandweit gefolgt. In kurzer Zeit sei viel entstanden, zieht Daniel Hiller eine erste Bilanz. „Der Grundstein ist gelegt für die langfristig angelegte Kooperation zwischen Uni und Fraunhofer. Und das zu einem Thema, das diese Region Freiburg ja auch auszeichnet.“