Hell als Synonym für Licht, Intelligenz und die Farbe Weiß verbinden wir mit Positivem: Leben, Reinheit, Energie, Luxus, Frieden. Lichte Gedanken zur Einstimmung.
VON KATHRIN ERMERT
Die Angst vorm weißen Blatt kennen jene, in deren Job es ums Texten geht. Sogar der große Dichter Johann Wolfgang von Goethe kämpfte wohl mit Schreibblockade, wie Charles Lewinsky in seinem jüngst erschienenen Roman „Rauch und Schall“ amüsant beschreibt. Schön, wenn die Angst vorm weißen Blatt mal nicht diese quälende Leere meint, sondern dazu dient, in einen Text einzusteigen. Weiß ist eine der ersten Konnotationen beim Thema Hell, das wir bewusst als Schwerpunkt für unsere erste Ausgabe 2024 ausgesucht haben.
Denn das Helle ist – anders als das weiße Blatt für Schreibende – in der Regel sehr positiv besetzt. Und wir wollen optimistisch ins neue Jahr starten – das alte hatte genug dunkle Seiten. Wenn sich die Miene aufhellt, wird die Laune wieder besser. Helle Köpfe gelten als besonders schlau. Die Ausdrücke zeigen auch: Hell bezieht sich nicht nur auf die Optik. Das Wort hat viele Bedeutungen. Ursprünglich beschrieb das althochdeutsche „hel“ nur akustische Sinneseindrücke, ist dem Duden zu entnehmen. Im Mittelhochdeutschen meinte es dann nicht mehr nur „tönend“, sondern auch „glänzend“. Heute listet der Duden viele Bedeutungen des Wortes „hell“: helle Sonne, helles Licht, helle Farben, helle Töne. Außerdem: klug, intelligent und klar.
Licht und Weiß verwenden wir häufig als Synonyme für Helligkeit. Licht steht für Leben und Wärme, religiöse Erlösung und Aufklärung. Sonnenlicht ist die Grundlage aller irdischen Existenz – Menschen, Tiere, Pflanze brauchen es. Vielen Religionen ist das Ziel der Erleuchtung gemein. Buddha heißt übersetzt „der Erleuchtete“. Jesus Christus bezeichnete sich selbst als „Licht der Welt“, symbolisch für die Befreiung des Menschen aus dem Dunkel der Gottesferne. Auch die Aufklärung schickte sich an, mit Licht die Dunkelheit zu besiegen, jene des für viele finsteren Mittelalters.
Die Farbe Weiß hat ebenfalls eine religiöse Bedeutung. Sie symbolisiert laut Wikipedia im Judentum und Christentum Heiligkeit – der heilige Geist wurde oft als weiße Taube dargestellt – sowie Unsterblichkeit und Unendlichkeit. Im weltlichen Kontext bedeutet Weiß oft Reinheit und Sauberkeit, Unschuld und Jungfräulichkeit. Deshalb sind noch heute die meisten Brautkleider und Arztkittel weiß.
Dass wir in Sachen Hygiene auf Weiß setzen, zeigt sich
beim Toilettenpapier.
Kleiner Exkurs: Dass wir in Sachen Hygiene auf Weiß setzen, zeigt sich beispielsweise bei Toilettenpapier, Taschentüchern und Küchenkrepp. Der dafür nötige Zellstoff wird in der Regel gebleicht. Denn die Fasern eines Baumes, aus dem er hergestellt wird, sind nicht weiß. Das Bleichen des Zellstoffs passiert zwar immer seltener mit Chlor, ist aber dennoch nicht umweltfreundlich und verbraucht Energie – nur für die Optik. Das gleiche passiert bei Papier und vielen Textilien. Früher waren die Bleicher ein eigener Berufsstand, von dem auch hier in der Region noch viele Straßen- und Gebäudenamen zeugen. In Lörrach gibt es die Bleichergasse, in Freiburg, Villingen und Weil am Rhein jeweils Bleichestraßen, in Konstanz liegt das als Restaurant genutzte alte Fabrikgebäude Die Bleiche in der Bleicherstraße.
Weiß ist auch eine herrschaftlich-edle, luxuriöse Farbe. Wer Weiß trägt, macht sich nicht schmutzig. Bürojobs heißen im Englischen White Collar im Gegensatz zu den mit ihren Händen arbeitenden Blue Collars. Butler tragen weiße Handschuhe. Das weiße Ledersofa galt lange als Inbegriff teurer Einrichtungen ähnlich wie die weißen Tennis- oder Golf-Outfits betuchter Spieler. Und Weiß steht für Frieden: weiße Taube, die weiße Flagge.
Hochzeit, Reinheit, Luxus, Frieden: Im westlichen Kulturkreis ist Weiß überwiegend mit freudigen Aspekten verbunden. Anders in asiatischen und afrikanischen Ländern, wo man es mit Alter und Tod assoziiert. Buddhisten tragen Weiß als Zeichen der Trauer. In Afrika dient weiße Körperbemalung dazu, mit jenseitigen Geistern in Kontakt zu treten. Auch in Großbritannien und den USA hat „hell“, Hölle, keine freundliche Bedeutung, weshalb ein Interviewpartner sicherheitshalber vorab fragt, ob wir das deutsche oder englische Wort meinen.
Licht. Weiß. Schlau: Das ist der Dreiklang, der die Themenauswahl unseres Schwerpunkts Hell bestimmt hat. Wir berichten über die Bedeutung von Tageslicht für Menschen und somit auch die Wirtschaft, über Leuchtenhersteller und -händler aus der Region, über Flutlicht, weiße Berufskleidung, die Hochzeitsbranche und Sonnenforschung. Wir haben helle Köpfe gefragt, wie sie auf innovative Ideen kommen, Wintersportler, wie sie sich auf weniger Schnee einstellen, und Marketingexperten, wie Weiß bei Produkten und in Räumen wirkt. Es hätte noch weitere helle Themen gegeben, um unsere weißen Blätter zu füllen. Kinos kommen zum Beispiel nicht in diesem Heft vor. Stattdessen sei ein weiteres Buch empfohlen: In „Lichtspiel“ erzählt Daniel Kehlmann die Geschichte des Filmregisseurs G.W. Pabst, der sich von den Nazis vereinnahmen ließ.