Nach drei von der Pandemie geprägten Jahren startet die Messewirtschaft wieder durch. Doch noch läuft nicht alles rund. Ein Blick nach Freiburg, Offenburg und Villingen-Schwenningen.
VON SUSANNE MAERZ
Die Freiburger Messe hat die Coronazeit gut überstanden. Und das, obwohl die Messewirtschaft zu den Branchen gehört, die in der Pandemie am meisten leiden musste. Denn ab Mitte März 2020 fanden erst einmal gar keine Messen und andere Veranstaltungen mehr statt, im Sommer und Herbst wie auch im Jahr 2021 immerhin ein paar unter Hygieneauflagen. Richtete die Freiburg Wirtschaft Touristik und Messe (FWTM) im Jahr 2019 noch 21 Veranstaltungen sowie Messen in und außerhalb Freiburgs aus, waren es 2020 nur noch 13 und 2021 gerade einmal 10.
„Auf die Veranstaltungen bezogen war die Coronazeit eine einzige Katastrophe“, sagt denn auch Daniel Strowitzki. Zum Zeitpunkt des Interviews Mitte Januar war er noch Geschäftsführer der FWTM. Am 23. Februar teilte die Stadt Freiburg mit, dass sich die Wege von Stadt und Strowitzki trennen werden. Der Gemeinderat soll am 7. März darüber abstimmen. Derzeit ist Strowitzi beurlaubt.
Zurück zu den wirtschaftlichen Entwicklungen: Der Umsatz der FWTM brach von 7,6 Millionen Euro im Jahr 2019 auf 3,8 Millionen Euro 2020 ein. 2021 erreichte der Umsatz indes den Rekordwert von 20,1 Millionen Euro. „Solche Umsätze zu generieren und in dieser Zeit ein positives Ergebnis zu erzielen, hätten wir nicht für möglich gehalten“, sagt Strowitzki.
Grund dafür war das Zentrale Impfzentrum, das die FWTM gemeinsam mit der Uniklinik Freiburg in den Messehallen betrieb. Dort habe man auch einen Teil der Mitarbeiter einsetzen können. Und auch Messen wie die „Caravan live“, die in der Pandemie angesichts der enorm gestiegenen Nachfrage rund ums Camping mit 17.500 Besuchern Rekorde verbuchen konnte, trugen dazu bei. Dagegen konnten Aushängeschilder wie die Internationale Kulturbörse 2021 nur digital stattfinden.
2022 ging es im April wieder los – doch häufig erreichten die Besucherzahlen nicht das Vor-Corona-Niveau, zum Beispiel bei der Plaza Culinaria. Gleiches gilt für den Umsatz der FWTM, der vermutlich 5,4 Millionen Euro betrug. Positiv zu Buche schlug erneut das Zentrale Impfzentrum beziehungsweise der Impfstützpunkt, der noch in den ersten drei Monaten 2022 geöffnet war.
Normaler Start, doch kein normales Jahr
Dieses Jahr fing dagegen wieder „normal“ an – mit einer erfolgreichen Kulturbörse Ende Januar. Allerdings sagte die FWTM die für Ende Februar geplante Messe Automobil ab. An anderen Orten, wie beispielsweise in Erfurt fand Ende Januar die größte Automobilmesse Mitteldeutschlands statt. Die Münchner Autotage sind Ende Februar geplant. Dagegen wurden auch in Oldenburg und Rostock regionale Automessen abgesagt. Woran scheitert es in Freiburg? Strowitzki nennt „globale Versorgungsengpässe und lange Lieferzeiten“ als Gründe. Die „Automobil“ sei eine reine Neuwagenverkaufsmesse, in der die regionalen Autohäuser ihre Neuheiten präsentierten. „Die Besucher kommen mit dem Wunsch, ihr Auto gleich oder in nächster Zeit zu kaufen“, sagt Strowitzki. „Das können wir aber wegen der langen Lieferfristen nicht garantieren.“ Deshalb habe man sich gemeinsam mit den rund 30 Händlern entschieden, die Messe abzusagen.
Wie schätzt der Messeverband Auma die Lage der Automessen ein? „Wir beobachten aktuell, dass sich Publikumsmessen langsamer erholen als Fachbesuchermessen“, sagt Hendrik Hochheim, Leiter Messen Deutschland im Verband. Das liege zum einen an der Pandemie. „Zum anderen konnte aber bereits vor der Coronapandemie beobachtet werden, dass der Umbruch in der Automobilindustrie auch an Branchenmessen nicht vorüber geht.“
Unterschiede zu Offenburg und Villingen-Schwenningen
Hochheim macht zudem eine Tendenz in der Messewirtschaft aus: „Generell haben Special-Interest-Messen mit klarem Konzept und Fokus Vorteile“, sagt er. Das mag auch ein Grund für das Ende der Badenmesse sein, dem einstigen Aushängeschild der Messe Freiburg. Nach massiven Besucherrückgängen hatte sie Anfang 2020 deren Aus verkündet. Nach 66 Auflagen. Allerdings war die erfolgreiche Genussmesse Plaza Culinaria, eine typische Special-Interest-Messe, aus ihr heraus entstanden und herausgelöst worden. In der Pressemitteilung zum Ende der Badenmesse hieß es, geplant sei „ein neues Messekonzept zu erarbeiten und so 2021 mit einem neuen attraktiven und zeitgemäß ausgearbeiteten Format zurückzukehren“. Die Pandemie machte dem vorerst einen Strich durch die Rechnung.
Was in Freiburg als nicht mehr zeitgemäß eingestuft wurde, läuft an den Messeplätzen Offenburg und Villingen-Schwenningen dagegen sehr gut. Dort sind die großen Verbrauchermessen fast schon gesellschaftliche Events: Die mehr als 60 Jahre alte „Südwest Messe“ ist nach wie vor die größte und wichtigste Messe in Villingen-Schwenningen. Sie ist eine Mischung aus Fach- und Verbrauchermesse mit einem breiten Sortiment und gemessen an Fläche, Aussteller- und Besucherzahl gar die zweitgrößte Regionalmesse Baden-Württembergs – nach dem Maimarkt in Mannheim. Beide Messen werden von derselben Firmengruppe wirtschaftlich getragen. Was ist ihr Geheimnis? „Sie ist Treffpunkt für Familie und Freunde, Einkaufsmeile, Erlebnisschau und gehört für viele – teilweise seit Generationen – ganz einfach dazu“, sagt die Presseverantwortliche Karin Huber. Das Einzugsgebiet sei sehr groß, und ein Besucher gebe im Durchschnitt 500 Euro aus. „Für die regionale Wirtschaft ist die Südwest Messe Antrieb und Konjunkturbarometer“, sagt sie.
Auch die Oberrhein Messe hält sich in Offenburg erfolgreich – und zählt neben der Forst live und der inzwischen jährlich stattfindenden Eurocheval zu den drei bedeutenden großen Messen in der Ortenau. „Es geht nicht nur darum, Neuheiten zu entdecken“, sagt Sandra Kircher, Geschäftsführerin der Messe Offenburg-Ortenau GmbH. „Wir sind uns bewusst, dass die Oberrhein Messe auch wegen ihrer Tradition lebt und ein wichtiger Treffpunkt in der Region ist.“ Gleichwohl greifen die Veranstalter immer wieder Trends auf wie Heimat und machen neue Angebote wie eine Halle für Kinder. „Es geht immer darum, den Bedarf der Region zu ergründen und ein Angebot zu schaffen, das ihn abbildet“, sagt die Messechefin.
„Es heißt ja nicht, was in Offenburg gut funktioniert, muss auch in Freiburg funktionieren“, sagt denn auch Daniel Strowitzki. Die Besucherstruktur in Offenburg und Villingen-Schwenningen sei ländlicher geprägt. „Und diese Besucherstruktur hat eine Affinität zu Verbrauchermessen.“ In Freiburg seien dagegen speziellere Formate gefragt. Gleichzeitig betont er: „Die Messe Offenburg macht auch einen verdammt guten Job.“
Natürlich brach während der Coronazeit auch in der Ortenau das Messe- und Veranstaltungsgeschäft ein. Sandra Kircher berichtet von Umsatzrückgängen von bis zu rund 21 Prozent im Jahr 2021 im Vergleich zu vor Corona. Während 2019 etwa 7,7 Millionen Euro umgesetzt wurden, waren es 2021 gut 6 Millionen Euro. Dennoch erwirtschaftete die Messe einen Gewinn von 21.000 Euro.
Auch auf dem Offenburger Messegelände wurde geimpft. Als weitere Gründe für das vergleichsweise gute Ergebnis nannte Sandra Kircher „virtuelle Veranstaltungen sowie Produktionen, die aufgrund der geschäftlichen Notwendigkeit in Präsenz zulässig waren“. Das eigene Kerngeschäft sei nur temporär überlappt gewesen. „Und so haben wir ergänzende Geschäftsmodelle entwickelt“, berichtet sie.
Weiter wie geplant ging während der Pandemie der ausgerechnet im März 2020 mit dem Spatenstich gestartete Bau der neuen, voraussichtlich rund 23 Millionen Euro teuren Messehalle. Die Edeka-Arena soll im März eröffnet werden und bietet rund 7.500 Quadratmeter zusätzliche Fläche inklusive Lager. Sie bringt der Messe nicht nur mehr zusammenhängende Fläche unter einem Dach – künftig können mehr Veranstaltungen parallel stattfinden, ohne dass wie bisher Leichtbauhallen errichtet werden müssen -, sondern auch neue technische Möglichkeiten.
Doch auch in Offenburg verläuft der Neustart nach der Pandemie nicht ganz glatt: Die „Bauen, Wohnen, Garten & Genuss“, traditionell eine Frühjahrsmesse, gehört zu den Veranstaltungen, die während der Pandemie mehrfach verschoben worden. Auch diesen März findet sie nicht statt, sondern erst im Frühjahr 2024. Die Messen müssten immer so stattfinden, „dass sie für die Branchen zielführend sind“, sagt Sandra Kircher. Die Messe ist sowohl für Fachbesucher als auch für Endverbraucher gedacht. Und der Bauwirtschaft geht es angesichts der steigenden Kosten und Zinsen nicht sehr gut in diesen Zeiten.
Die Geotherm, die erste Messe, die die Offenburger 2020 absagen mussten, fand 2021 digital statt und wurde vergangenes Jahr vom März in den Juni verlegt – und konnte so wie geplant stattfinden. Dieses Jahr ist sie wieder regulär im Frühjahr geplant. Sie ist zugleich ein Beispiel für eine erfolgreiche Offenburger Eigenentwicklung, wenn auch für eine spezielle Zielgruppe: Im Jahr 2007 startete sie mit etwa 50 Ausstellern und rund 2000 Besuchern. Inzwischen kommen zur europaweit größten Geothermie-Fachmesse mit Kongress rund 3600 Fachbesucher und 200 Aussteller.
Die größte Fachmesse der Region ist indes die Eigenmesse Intersolar. Auch wenn sie, inzwischen unter dem Namen „The smarter E“, längst nicht mehr in Freiburg, sondern in München und an anderen Orten weltweit stattfindet. So kam sie doch im Jahr 2019 auf sechs Veranstaltungen und ist in normalen Zeiten der Hauptumsatzbringer für die FWTM.
Dagegen verkündete die FWTM vergangenes Jahr das Ende einer anderen internationalen Fachmesse, der Bürstenmesse Interbrush. Diese hatte sie 45 Jahre lang gemeinsam mit dem amerikanischen und europäischen Branchenverband ausgerichtet. Nach der Absage des größten Ausstellers, der Todtnauer Zahoransky AG, hatte die FWTM ein alternatives Konzept erarbeitet, das sie auch an anderen Standorten im deutschsprachigen Raum hätte veranstalten können, um die Leitmesse der Bürstenindustrie zu halten. Doch die Verbände entschieden sich dagegen. Die Messe findet künftig in anderen Ländern statt. „Das ist wahnsinnig bedauerlich und tut in der Seele weh“, sagt Strowitzki. Da sie nur alle vier Jahre stattgefunden habe, sei es eher ein Image- als ein finanzieller Verlust.
Neue Konzepte
In Freiburg werden auch neue Konzepte erprobt: Dazu zählt die Messe „Leben und Tod“, die Ende 2022 erstmals hier stattfand und von der Messe Bremen organisiert wird, ebenso die „CannaB“ zur Legalisierung von Cannabis sowie Ende Januar die „Gastro Pro“ für die Gastronomie. Alle sind sie eine „Kombination aus Kongress gepaart mit einer Ausstellung“, erklärt Strowitzki. Bestimmten Zielgruppen solle so ein Marktplatz zum Austausch geboten werden. Ziel ist es laut dem Messechef, mit diesem Konzept „Marken zu platzieren, die zu klein sind für eine richtige Messe, aber Wachstumspotenzial haben“. Im Mai folgt mit der „greenflair“ eine weitere Freiburger Eigenentwicklung: eine Messe für Endverbraucher zu Nachhaltigkeit – von der Entsorgung bis zur Kleidung mit 60 Ausstellern und erwarteten 8000 Besuchern.