Das Thema „Zweckentfremdung“ befeuert in Freiburg einmal mehr die Debatten rund um den Wohnungsbau.
Gemeinderäte beschäftigen sich mit der neuen Regelung, aber auch mit einzelnen Anbietern.
Von Rudi Raschke
Seit 2014 darf Wohnraum nicht mehr einfach als Ferienwohnung angeboten werden, auch der Leerstand von Wohnungen wird eingehender verfolgt. Trotzdem scheinen Anbieter wie „Sweet Home“ oder „Freiburg Appartements“ in Stadt und Region immer mehr Locations auf Zeit anzubieten.
Insgesamt sollen es nunmehr um die 800 Ferienwohnungen sein, das städtische Presseamt mag auf keine eigenen Zahlen verweisen, sondern verweist auf die Wochenzeitung „Der Sonntag“, die diese Zahl bei Anbietern wie „airbnb“ recherchiert hat. Vor zwei Jahren waren es noch rund 600 Wohnungen in diesem Segment. Die „Badische Zeitung“ rechnete schon damals vor, dass ein Wegfall von Wohnraum in dieser Größenordnung einem neugebauten Stadtteil wie Gutleutmatten entspricht.
Mit „Freiburg Appartments“ beschäftigt sich jetzt auch eine Anfrage der „Unabhängigen Listen“ im Gemeinderat an die Rathausspitze: Wie kann es sein, dass das Unternehmen noch nach dem Stichtag im Jahr 2014 gut 30 Ferienwohnungen am Rand des Stadtteils Vauban in Betrieb nehmen konnte und darüber hinaus mehr als 40 auf seiner Homepage angibt („eine wahre Fundgrube“ nennt es die Fraktion), die ebenfalls erst danach entstanden sind? Gute Frage.
Zunächst erstaunt die schiere Anzahl, die ein Anbieter wie „Freiburg Appartements“ in dem vor kurzem fertig gestellten Neubau V6/ V7 übernehmen konnte. Allerdings steckt dahinter ein Beschluss des Gemeinderats, von dem die UL-Fraktion wissen sollte: Weil es sich beim Standort, der Vauban-Kreuzung an der Ecke Merzhauser Straße/ Wiesentalstraße, um ein früheres Mischgebiet handelte, war die Baugenehmigung für das Unternehmen Gisinger an einen Teil Gewerbe geknüpft.
Die eigenwillige Lösung für das Gewerbegebiet, das offenbar nicht umzuwidmen war: Die Firma Gisinger als Entwickler des Eck-Grundstücks konnte sich realistischerweise nicht vorstellen, dass hier 30 Arztpraxen oder Kanzleien einziehen könnten. Der mit dem Baudezernat gefundene Kompromiss lautete: Ferienwohnungen. Wenn schon dem Wohnungsmarkt hier ein Teil entzogen würde, dann wenigstens für Tourismus.
Damit bliebt aber unklar, wieso alle an den selben Anbieter gingen: „Freiburg Appartements“, das von Michael Wagner geführt wird, ist offensichtlich der Vermittler, Werber und Schlüsselübergeber für einzelne Eigentümer, die sich von einer Ferienimmobilie mehr Rendite versprechen als von einer Wohnimmobilie.
Angaben zu diesem Geschäftsmodell möchte Michael Wagner nicht machen, aber er antwortet eingehend auf die Anfrage von
netzwerk südbaden, was es mit den übrigen Einheiten auf sich habe.
„Ich betreibe mit Unternehmungen der Freiburg Appartements Gruppe Hotels und Ferien-Appartements in Eigen- und Fremdbesitz. Diese sind in Hinblick auf das Zweckentfremdungsgesetz dahingehend unbedenklich, als sie sich entweder in von der Stadt als Ferienwohnungen genehmigten Wohnflächen (Bestandsschutz) oder aber in Gewerbeflächen befinden. Meine Projektentwicklung bezieht sich ausschließlich auf Gewerbeflächen, die von der Stadt nicht als Wohnraum vorgesehen sind. Die betriebenen Hotels und Ferien-Appartements heben sich vom Markt dahingehend ab, dass sie als Appartement-Hotel bzw. als Ferien-Appartement mit mind. 2 Zimmern für bis zu 10 Personen bei voll ausgestatteter Küche, Wohnzimmer, Arbeitsbereich, usw. angeboten werden. Wir decken in Freiburg damit ein Segment für Familien, Gruppen und Geschäftsreisende ab, das es in der Form nicht gibt.“
Wenn es tatsächlich nicht gegen die Anwendung der Zweckentfremdungs-Gesetzgebung des Landes verstoßen sollte: Es bleibt die Frage der Fraktion offen, wie es sein kann, dass in diesem Bereich immer noch mehr Wohnungen auf den Markt finden.
Besuch bei einem, der es wissen muss: Im Baurechtsamt von Rüdiger Engel laufen die Meldungen zu möglichen Entfremdungen, aber auch zum Leerstand ein. Mit gerade einmal eineinhalb Stellen – einer ganzen in der Verwaltung und der halben eines Bauaufsehers – kommt er seit deren Einrichtung auf 240 angezeigte Fälle. Weil das Zweckentfremdungsverbot auf fünf Jahre begrenzt ist, seien allerdings auch die Stellen für die Überprüfung befristet, sagt Engel – zur minimalen Ausstattung kommt also ein Kommen und Gehen, weil die jeweils Zuständigen sich für etwas Unbefristetes im Haus interessieren. Aktuell tritt in der kurzen Zeit seit Einrichtung der Stelle bereits die dritte Besetzung den Job an.
Engel, der bei der Stadt dafür gesorgt hat, dass die Verfahren rund ums Bauen zuletzt eine deutliche Beschleunigung erfahren haben, sagt das natürlich nicht, aber es ist unübersehbar: Mit dieser Ausstattung gegen Zweckentfremder vorzugehen, entspricht ungefähr einem Wasserpistolen-Einsatz bei einer Geiselbefreiung. (Was nebenbei eine von vielen Freiburg-Skurrilitäten ist: in einer Stadt, die beim Bußgeldschreiben niemals schläft und ansonsten zentimeter- und minutengenau der Innenstadtgastronomie auf die Finger klopft, scheinen offenbar jährlich bestehende Wohnungen in dreistelliger Zahl vom Markt zu entschwinden.)
Was Engel allerdings sagt: Es müsse sich jeder darüber im Klaren sein, was damit erreicht werden solle – nämlich Ferienwohnungen auf den Wohnungsmarkt zurückzuführen. Es könne trotzdem nicht jede Lücke geschlossen werden. Er schnauft durch und sagt: „Der Effekt ist aber da. Das Verbot hat Wirkung.“
Im Ablauf schaut seine Anwendung so aus: Der Bauaufseher prüft entsprechende Meldungen und Recherchen vor Ort, der Eigentümer muss ermittelt werden, ein Verwaltungsverfahren eingeleitet, Anhörung, eventuell dann die Beendigung der Nutzung als Ferienwohnung. Ein Bussgeld ist hier aktuell nicht vorgesehen: „Wir sind keine Strafrichter“, sagt Engel, die Aufgabe sei es, „Wohnraum verfügbar zu halten“. Wenn sich allerdings heraus stelle, dass ein Unternehmensmodell darin bestehe, Zweckentfremdung zu fördern, sei ein Verbot mit Zwangsgeld denkbar.
Die künftigen Aufgaben für die eineinhalb Stellen dürften ohnehin über den Markt für Ferienwohnungen hinaus stattfinden: Mit der Firma „Aroanui“ der Freiburger Familie Blickle findet sich ein Besitzer mehrerer Immobilien in Freiburg, der aus ungeklärten Motiven offenbar alles entmietet und leer stehen lässt. Bei den Läden in der Konvikstraße sieht Engel für die Stadt kein Einschreiten, auch wenn die Substanz des Handels an dieser Stelle angegriffen wird. Dass das Unternehmen der Freiburger Familie auch weitere Gewerbeimmobilien (zwischenzeitlich in Herdern am Ludwig-Aschoff-Platz) und Wohnungen (in der Wiehre) verwaisen lässt, kann lediglich in letzterem Fall verfolgt werden. Unsere Anfrage an die in Island beheimatete Mail-Adresse von Aroanui blieb unbeantwortet.
Für die Zukunft will Engel aber auch den Übergang von Miet- in Eigentumswohnungen in großem Stil beobachten. Mit Verzeichnissen, die wie zuletzt am Mettweg in St. Georgen entsprechende Häufungen von Anträgen im Beratungszentrum der Stadt sichtbar machten. Zur Frage nach sichtbar angestiegenen Fällen am Innenstadtrand sagt Engel aber auch: „Wir hätten dieses Instrument fünf bis sechs Jahre früher gebrauchen können.“