Im kleinen Ort Geisingen zwischen dem Bodensee und Villingen stellt Peter Koch erfolgreich Miso her, eine traditionelle japanische Würzpaste. Damit beliefert er in der Region und deutschlandweit die gehobene Gastronomie.
Von Katharina Müller
Wie ein typischer Hipster sieht er nicht aus. Kein Vollbart, keine Hornbrille und kein kleiner Laden zwischen Galerien und Kaffeeröstereien in gefragter Gegend. Im Gegenteil: Es ist vielmehr ein abgelegener und völlig unscheinbarer Ort namens Geisingen, wo der 31-jährige Peter Koch seine Miso-Paste herstellt. In einer gemieteten Halle, funktional, gekachelt, ohne Schnickschnack. Über die Jahre hinweg hat er sein Handwerk optimiert, perfektioniert, auf die Spitze getrieben: Inzwischen gehören zahlreiche namhafte Köche zu seinen Kunden, darunter 17 Ein-, aber auch Zwei- Sterne-Restaurants, aus der Region zum Beispiel Thomas Merkle aus Endingen.
Das, was Peter Koch macht, könnte man sozialgesellschaftlich auch als Kulturkritik lesen: Statt industriell gefertigte Produkte Handwerk, statt Bürojob Körpereinsatz und statt angesagter Gegend Abgeschiedenheit. Ein Aussteiger vielleicht, heimatverbunden und doch Multikulti: Japanisches Traditionshandwerk im Schwarzwald. Wer es nicht weiß, kommt aber nicht gleich darauf: Beim Anblick der großen blauen Fässer, die sich wie eine Heereseinheit in der Mitte des Raumes formiert zu haben scheinen, denkt man erstmal an Sauerkraut. Doch dort drinnen, luftdicht verschlossen, lagert eine Masse aus Sojabohnen oder Reis, Gerste oder Lupinen, mit Wasser und Salz und auch die sogenannte Starterkultur für die Fermentation, eine Schimmelkultur, die am Reifeprozess beteiligt ist und zur Veredelung führt, mal sechs Monate und bis zu zwei Jahren. Jeden Tag trinkt Peter Koch seine Miso- Suppe, ein Ritual, fast wie in Japan. Er hat verschiedene Pasten kreiert, klassisch, aber auch mit Curry und Algen. „Früher hatte jede Familie ihre eigene überlieferte Rezeptur für die Zubereitung“, sagt er, in Deutschland für das Sauerkraut, in Ungarn für die Paprika und in Japan für die Miso. Als seine Mutter 2013 damit aufhörte, Miso selbst herzustellen und er auf konventionelle Produkte mit geringerer Qualität hätte umsteigen müssen, reiste der studierte BWLer über Kontakte nach Japan, besuchte dort verschiedene Miso-Betriebe, lernte das Handwerk, brachte das tradierte Wissen mit, kündigte kurzerhand seinen Job bei Continental und stieg in die Miso-Herstellung ein.
Leidenschaft und Erfolg gehen Hand in Hand, auch nach fünf Jahren schwärmt er noch: „Das ist wie Alchemie!“ So unspektakulär die Zutaten auch sei, daraus entstehe etwas wahnsinnig Originelles. „Ich bin immer wieder fasziniert davon, wie man aus einfachen Rohstoffen ein so edles Produkt machen kann, das gesund und besonders im Geschmack ist“. Inzwischen kann er von seinem Handwerk sogar gut leben, sagt Koch. Wachsen könnte er auch. Will er aber nicht. Und Sorge, dass es ein Trend ist, der irgendwann vorbei sein könnte, vergleichbar mit dem Hype um vegane Produkte, glaubt er ebenfalls nicht: „In der Top-Gastronomie spielt die französische und japanische Küche schon sehr lange eine Rolle, das wissen viele gar nicht“.
Vielmehr scheint es so, dass sich die Geheimnisse der gehobenen Küche schneller demokratisieren, einige Zutaten und so manche Tricks: Adieu Brühwürfel, willkommen zarter, runder Geschmack! In Japan gibt es sogar einen Namen dafür: Umami. Unaufdringlich und behutsam, mit leichten Röstaromen, süß, sauer und salzig, alles ist miteinander verschmolzen: „Miso bleibt bei den Gerichten im Hintergrund, ein bisschen, wie wenn man Fleisch mitgart“, so Koch.
Wie eine feine Brühe, ein guter Fond, rund stimmig, ausgeglichen und vielseitig zum Würzen einsetzbar, für Suppen, Brotaufstriche und Soßen, zum Marinieren oder als Granulat für das Würzen von Fleisch, Fisch oder Salat. Peter Koch geht gerne auf Märkte einkaufen, und bei den Zutaten der eigenen Miso-Produkte setzt er ebenfalls auf Qualität: Regional wenn möglich, sonst aber in Bioland- oder Demeter-Qualität, handverlesen auch das portugiesische Fleur de Sel. Werbung für seine Produkte, für Siegel und aufwendige Budgets, muss er aber nicht machen, der Online-Shop läuft, die Kunden kommen so zu ihm, auch über Social Media und Instagram. Aber gerade in der Top-Gastronomie funktionierte vor allem die Mund-zu-Mund-Propaganda – und das ist wohl das größte Kompliment.