Wenn das Holz älter als ein Menschenleben ist, entstehen ganz besondere Geschichten. Eine davon haben wir uns von Jan Knopp, Gründer der Altholzgarage, erzählen lassen. Sein Unternehmen steht im Moment vor einem großen Umbruch. Der Liebe zum Rohstoff Altholz soll das aber keinen Abbruch tun.
Text: Julia Donáth-Kneer • Fotos: Alex Dietrich
Wenn Altholz reden könnte, was würde es wohl erzählen? Jan Knopp nickt bedächtig, brüht einen Kaffee und setzt sich an den großen Holztisch in seinem Bahlinger Büro. „Es würde zurückblicken auf ein langes Leben“, sagt er dann. „Und sich über ein neues Dasein freuen.“ Jan Knopp, Gründer der Altholzgarage, wirkt mit seinem schwarzen Kapuzenpullover, schweren Stiefeln und großen Händen, denen man die Arbeit ansieht, auf den ersten Blick nicht wie ein Romantiker. Beim Thema Altholz aber kommt der 37-Jährige ins Schwärmen. Er hat sogar einen kleinen Text geschrieben – aus Sicht des Holzes. „Jahrelang war es gefangen in einer dunklen Schwarzwälder Scheune, das Vieh rieb sich an ihm, Nägel wurden reingeschlagen“, zitiert er daraus. „Dann tauchten Bagger auf, rissen die Scheune nieder. Das Holz wurde Balken für Balken rausgetragen, Arbeiter entfernten die Nägel. Es wanderte in eine warme, gemütliche Trockenkammer und danach zu uns. Und hier wurde aus dem alten Scheunenholz ein schöner, großer Familientisch.“
Eine kleine Geschichte, die gut zusammenfasst, was Jan Knopp und sein derzeit fünfköpfiges Team der Altholzgarage machen. Sie kaufen rund 100 Jahre altes Scheunenholz aus der Region – fast immer Eiche, Tanne, Fichte – und fertigen daraus Möbel. Angefangen hat alles mit nur vier Produkten: Tischen, Wandverkleidungen, Schiebetüren und Dekoschildern. Das Schreinerhandwerk gelernt hat Jan Knopp nicht. Er ist Autodidakt, einer, der ausprobiert, bis es irgendwie klappt. „Ich überlege mir, wie hat es am meisten Sinn? Und dann setze ich das entsprechend um. So funktioniert die ganze Firma hier.“
Knopp kommt eigentlich aus der Hotellerie: Er hat im Roten Bären in Freiburg – „dem ältesten Gasthof Deutschlands, passt gut zu mir“ – eine Ausbildung zum Hotelfachmann gemacht, ist später zur Würth-Gruppe nach Künzelsau in den Außendienst gewechselt, wo er rund sechs Jahre lang im Großkundenvertrieb tätig war. Am Wochenende besuchte er Schreinerkurse und begann zu Hause in seiner Doppelgarage – daher der Name seines Unternehmens – mehr und mehr mit Holz zu arbeiten. Er hat kleine Stücke geschreinert, auf Kaiserstühler Märkten verkauft und für den Freundeskreis auf Bestellung gefertigt. Zunächst behalf er sich mit Euro-Paletten, dann kam irgendwann die Idee, auf Altholz umzusteigen. Die erste Charge kaufte er bei Ebay. „Altholz ist das beste Werkmaterial der Welt“, schwärmt Knopp. „Es ist vielfältig und charakterstark, denn kein Stück sieht aus wie das andere. Es erzeugt eine ganz besondere Atmosphäre, strahlt eine eigene Wärme aus, riecht anders und die Patina ist nicht zu imitieren. Außerdem lässt es sich super verarbeiten.“ Hinzu kommt: Altholz steht nicht unbegrenzt zur Verfügung. Schon allein deswegen genießt es Exklusivität.
Doppelt so teuer
Für echtes Altholz gibt es Definitionen, um es von Imitaten, die optisch auf Retro gemacht werden, zu unterscheiden: So muss das Holz mindestens 100 bis 150 Jahre alt und vorher bereits verwendet und bearbeitet worden sein. Es kommt von alten Ställen, Scheunen, Innenausbauten oder Holzhäusern. Fassadenbretter unterscheiden sich im Farbton, der auch für Nicht-Profi-Augen deutlich ist: bräunliche stammen von der sonnenverbrannten Süd-, gräuliche von der schattigen Nordseite.
Altholz ist deutlich kostspieliger als Neuholz. Stücke, die daraus gemacht werden, sind häufig bis zu dreimal teurer als Möbel aus neuen Vollholzarten. Neben der geringeren Verfügbarkeit ist auch die aufwendige Vorbereitung ein Grund für den Preis. Das Holz muss entwurmt, von Nägeln und sonstigen Metallresten befreit und für den weiteren Prozess aufbereitet werden. „Allein das Material kostet mindestens doppelt so viel, die Verarbeitung ist zudem viel zeitintensiver“, erklärt Jan Knopp. Aus Neuholz kann man sich recht unkompliziert fertige Tischplatten aus Osteuropa liefern lassen, die dann nur noch montiert werden. Nicht so bei Altholz. Hier puzzeln die Männer in der Altholzgarage in Handarbeit aus vielen einzelnen, teils krummen, unebenen, verschiedenfarbigen Teilen die Platten erst mal zusammen, bevor daraus zum Beispiel ein Tisch entstehen kann. Dafür können bis zu 80 Arbeitsstunden ins Land gehen, entsprechend teuer ist das Produkt. Einen Altholztisch gibt es ab circa 4000 Euro.
Das Altholz, mit dem Jan Knopp und seine Crew arbeiten, stammt aus dem Schwarzwald. Wer ein Möbelstück kauft, bekommt ein entsprechendes Zertifikat zum Ursprung des Holzes. Oft ist das einfach ein kleines Foto der ehemaligen Scheune. Es gebe sehr gute Materialien in der Region: „Eiche ist ein schöner Werkstoff und als Hartholz sehr beliebt. Vor allem für Oberflächen, die viel beansprucht werden, etwa Ess- oder Waschtische. Tanne und Fichte sind Weichholzarten, daraus machen wir Wandverkleidungen oder Türen“, erklärt Jan Knopp, der sein Unternehmen im Mai 2017 gegründet hat und wenige Monate später den ersten Mitarbeiter einstellte – einen Schreiner, der bis heute im Betrieb und mittlerweile Werkstattleiter ist. Erst neulich hat Knopp einen Mediengestalter für die Werkstatt eingestellt, der sich im Bewerbungsverfahren gegen fünf Schreiner durchsetzen konnte. Dessen Out-of-the-box-Denken habe den Unternehmer, der ja ebenfalls aus einer ganz anderen Richtung kommt, beeindruckt. „Diesen weiteren Blick, den braucht man in unserem Job“, davon ist Knopp überzeugt.
Neue Wege
Irgendwann wurde die Garage zu klein, das junge Unternehmen zog nach Emmendingen und später zurück nach Bahlingen, dieses Mal ins Industriegebiet, dorthin, wo sie noch heute sind. Und hier entsteht gerade Neues: Denn seit November gibt es die Altholzgarage in dieser Form nicht mehr. Knopp hat das Unternehmen an die Schreibergruppe aus Leiselheim verkauft, die auf die Planung und Leitung von Bauprojekten für private und gewerbliche Objekte spezialisiert sind. Der Grund ist schnell erklärt. Schon in den vergangenen Jahren hatte sich die Altholzgarage erweitert und neue Märkte erschlossen. Statt nur Möbel und Wohnaccessoires aus Altholz herzustellen, spezialisierte man sich immer mehr auf die gesamte Innenausstattung und erstellte Wohnraumkonzepte für Privatkunden, die neu bauen oder umfangreich sanieren, sowie für gewerbliche Kunden wie Friseursalons, Kindertagesstätten oder Seniorenwohnheime. Neben den maßgefertigten Altholzmöbeln bot das Team zudem gängige Schreinertätigkeiten an: Einbauschränke, das Verlegen von Böden, Fensterbänke, das Setzen von Innentüren, die Planung der Küche und so weiter. „Wir standen dabei vor einer großen Herausforderung“, erklärt Jan Knopp. „Wir wollten uns nicht länger limitieren, aber die Kunden wussten nicht, dass es bei uns noch viel mehr gibt. Bei dem Begriff ,Altholzgarage‘ denkt jeder an Altholz, aber nicht an mehr.“
Der Übergang in die Schreibergruppe, in der die Marke Altholzgarage als Abteilung innerhalb der Sparte Schreiberliving erhalten bleibt, soll Abhilfe schaffen. Jan Knopp erwartet „viel mehr Umsatz, viel mehr Kunden, viel mehr Gewinn“. In der Summe will er weiterhin genauso viel Altholzmöbel verkaufen wie bislang, aber das Volumen der Handelsprodukte und Dienstleistungen deutlich erhöhen. „Früher haben wir den Kunden nur den Tisch verkauft, jetzt machen wir alles noch drumherum“, erklärt er. Sein Problem: „Die Kunden der Altholzgarage sind keine wiederkehrenden.“ Wer sich einen teuren Altholztisch kauft, braucht für den Rest seines Lebens eigentlich keinen weiteren. „Schön für die neuen Besitzer, nicht so schön für uns. Wir mussten permanent akquirieren.“ Von dem Zusammenschluss mit der Schreibergruppe erhofft er sich, die Kunden im richtigen Moment zu erwischen. „Dann, wenn sie mit dem Neubau oder der Sanierung beginnen.“ Dafür hat er das Büro in Bahlingen zum Bemusterungszentrum für Schreiberliving ausgebaut: Es gibt Böden, Türen, Fliesen, Wandverkleidungen und natürlich maßgeschneiderte Altholzmöbel.