Zwei der großen Gewerbebetriebe des Ortes sieht jeder schon von der Autobahn aus, wenn er sich Herbolzheim über die A5 nähert: den Autozulieferer BBS und das Express-Logistikzentrum von DHL. Nicht zu übersehen auch das Windrad, das am Autohof steht, an dem unter anderem Tickets für den nahegelegenen Europa Park verkauft werden.
Von Daniela Frahm
Das gewerbliche Aushängeschild Herbolzheims ist dort ebenfalls nur ein paar Straßen entfernt: die Firma Kalfany Süße Werbung, der nach eigenen Angaben größte Hersteller von Dosenbonbons in Europa. Am Standort in Herbolzheim werden Fruchtgummis produziert und in über 50 Länder exportiert. „Wir haben einige Big Player, aber auch viele Mittelständler“, sagt Philipp Ulmer, der Vorstand des 1977 gegründeten Handels- und Gewerbevereins Herbolzheim (HuG).
140 der insgesamt circa 400 Gewerbebetriebe haben sich dem HuG angeschlossen, der mit vielen gemeinsamen Aktionen und Veranstaltungen großen Anteil am städtischen Leben hat. Ulmer hält Herbolzheim für „sehr lebenswert“, zum einen wegen der kleinstädtischen Struktur, zum anderen wegen der Nähe zur Natur und der lebendigen Innenstadt, in der alle wichtigen Branchen vertreten seien und es keine Leerstands-Problematik gebe.
Ulmer betreibt zusammen mit seinem Bruder Christoph einen Haushaltswarenladen in der Hauptstraße. Wie die anderen Einzelhändler haben sie zwar auch mit der Konkurrenz aus dem Internet zu kämpfen, „in der eher ländlichen Struktur gibt es aber auch noch viele, die eine persönliche Beratung schätzen“, sagt Ulmer. Und durch Industrieansiedlungen und Neubaugebiete seien auch immer wieder neue Kunden hinzu gekommen.
In den vergangenen Jahrzehnten hat sich die Einwohnerzahl von Herbolzheim verdoppelt auf mittlerweile knapp 10.500, von denen rund 7000 in der Kernstadt leben. Dazu kommen die Ortsteile Wagenstadt Broggingen, Bleichheim und Tutschfelden, die seit 1975 im Zuge der Verwaltungsreform Baden-Württemberg eine politische Einheit bilden. Das Bild des Ortes wird geprägt von Fachwerkbauten und barocken Bürgerhäusern. Im 19. und 20. Jahrhundert entstanden anstelle der Kleingewerbebetriebe viele Fabriken, aber die Leinenweberei und die Zigarrenindustrie erholten sich nach dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr. Danach dominierten die Elektrotechnische Industrie und der Stahl- und Maschinenbau, außerdem entwickelte sich die Stadt zum Dienstleistungsstandort.
Viele bekannte Firmen siedeln um Herbolzheim
Die Firma ebm-papst, Hersteller von Ventilatoren und Elektromotoren, hat erst vor wenigen Jahren einen zweistelligen Millionenbetrag investiert, um das Herbolzheimer Werk in einen Hochtechnologiestandort umzubauen. Außerdem wurden neue Firmen angesiedelt. Das seit fünf Jahren ansässige Verpackungsunternehmen Prodinger hat seinen Firmensitz inzwischen komplett von Gundelfingen nach Herbolzheim verlegt und erweitert derzeit um neue Gebäude. Weitere Flächen für Industrie und Gewerbe sind vorhanden, und im neuen Flächennutzungsplan will Herbolzheim elf Hektar für Gewerbeflächen und knapp 17 Hektar neue Wohnbauflächen anmelden.
Allerdings kündigte Bürgermeister Ernst Schilling an, dass das Wachstum künftig langsamer und behutsamer sein werde und hauptsächlich nur noch im Norden in Richtung Ringsheim möglich sei. Durch die Firmen-Ansiedelungen und neue Wohngebiete sei zwar viel Fläche verbraucht worden, aber dadurch habe sich auch die Finanzsituation der Stadt nachhaltig verbessert, weil viele neue Arbeitsplätze entstanden sind.
Im Jahr 2016 hat der Gemeinderat – trotz geringerer Gewerbesteuereinnahmen – den mit 31,5 Millionen Euro bis dahin größten Haushalt verabschiedet. In diesem Jahr wurde mit 37,8 Millionen Euro der nächste Rekord aufgestellt. Hauptgrund dafür ist, dass die Stadt das im vergangenen Jahr eröffnete Demenzpflegeheim an der Bismarckstraße als Eigentümer übernommen hat. Außerdem sind einige Investitionen geplant, für die neue Schulden von rund 6,3 Millionen Euro gemacht werden. Wegen der Ausgliederung der Abwasserbeseitigung reduziert sich der Gesamt-Schuldenstand der Stadt trotzdem.
In der Innenstadt hat sich in den vergangenen Jahren ebenfalls einiges getan. Auf dem Neusch-Areal, einer ehemaligen Zigarrenfabrik, ist ein Therapie- und Ärztezentrum entstanden, seit 2013 gibt es zudem das Gesundheitszentrum Herbolzheim in der Bismarckstraße. Mit der „Alten Leinenweberei Kuenzer“ wurde eine Baulücke mit Wohnungen und Dienstleistungsgebäuden geschlossen, außerdem entstand das „Torhaus“, ein Kulturhaus, in dem das Tourismusbüro, die Stadtbücherei und das Trauzimmer untergebracht sind. Und auf dem ehemaligen Zigarrenfabrik-Gelände „Hamba“ baut ein ungenannter Investor derzeit für 4,5 Millionen Euro Gewerbeflächen und Loft-Wohnungen. Mit diesem Projekt soll der Umbau der früheren Industriestandorte entlang der Hauptstraße abgeschlossen sein.
Die Hauptstraße selbst, die Ortsdurchfahrt von Herbolzheim, ist in den vergangenen Jahren in Etappen saniert worden. Ein letzter Abschnitt wird im kommenden Jahr in Angriff genommen. Für die anliegenden Geschäfte war die Baustelle mit Behinderungen verbunden und für einige sogar existenzbedrohend. „Insgesamt ist das trotzdem ganz gut gelaufen“, lobt Philipp Ulmer, „und vor allem wird etwas gemacht, während manche anderen Städte verwahrlosen.“ Für die Gastronomie, mit der laut Ulmer „alles steht und fällt“, sind durch den Umbau zudem neue Außenflächen entstanden. Andererseits sind dadurch insgesamt rund 30 Parkplätze weggefallen, worüber sich die Einzelhändler und ihre Kunden beklagen. Nach Ansicht des HuG hätte auch einer der Investoren in der Innenstadt verpflichtet werden können, eine Tiefgarage zu bauen. Das hat die Stadtverwaltung offenbar anders gesehen.
Insgesamt würde Bürgermeister Schilling, der im November nach 21 Jahren aus Altersgründen aus dem Amt scheidet, aber „einen guten Job“ machen, findet Ulmer. Gewerbe und Stadt kooperieren gut, in Bezug auf das Startmarketing gebe es aber noch Entwicklungspotenzial. Die Stadt konzentriere sich dabei nur auf die touristischen Angebote. „Die Gewerbetreibenden müssen sich selbst organisieren und machen das im Ehrenamt“, sagt der HuG-Vorstand. Vor acht Jahren hat der Verein das Projekt „Herbolzheim denkt regional“ gestartet, mit dem der Standort gestärkt werden sollte. Später wurde das Konzept zusammen mit einer Werbeagentur auf professionellere Füße gestellt und nennt sich seitdem „Herbolzheimat“.
Am Anfang sei die Begeisterung für die geplante Imagekampagne groß gewesen und es habe Sponsoring-Zusagen von rund 20.000 Euro gegeben, berichtet Ulmer. Es gab Ideen für soziales Engagement und auch im städtebaulichen, gestalterischen Bereich. So sollten beispielsweise zinsfreie Darlehen für Fassaden-Erneuerungen gewährt werden. Layout und Konzept standen bereits. „Wir wollten das mit der Stadt weiterentwickeln, die hätten wir dazu auf jeden Fall gebraucht“, erklärt Ulmer. Doch aus dem Rathaus kam in dieser Hinsicht zunächst keine Unterstützung. Der HuG hofft dennoch, dass es irgendwann einen gemeinsamen Auftritt geben wird.
Zu dem Projekt gehörten auch die sogenannten „Heimat-Bons“, das sind Geschenkgutscheine, die im Tourismusbüro sowie bei Sparkasse und Volksbank verkauft werden und in über 100 Mitgliedsfirmen der HuG eingelöst werden können. Sie gibt es weiterhin und sie sind laut Ulmer ein Erfolgsmodell. „Man verschenkt und man kauft Heimat.“ 20.000 bis 25.000 Euro Jahresumsatz würden damit gemacht.
Touristisch hat die Weinbaugemeinde am Rande der Rheinebene einiges zu bieten. Das reicht von Stadtführungen über Mountainbike-Touren bis zu Weinproben, außerdem gibt es neben dem Campingplatz ein Schwimmbad und den Golfplatz Tutschfelden. Dort wird möglicherweise auch ein neues Golfhotel gebaut. Das ist zwar umstritten, weil es im Naturschutzgebiet liegen würde, dennoch wird es von der Mehrheit im Gemeinderat befürwortet.
Ein weiteres neues Hotel wird möglicherweise noch in diesem Jahr gebaut, und zwar neben der geplanten Reitsportanlage am Ortsausgang der B 3 in Richtung Ringsheim. Es soll auch als Tagungs- und Übernachtungshotel für die Geschäftspartner der Gewerbe- und Industriebetriebe dienen, was laut Ulmer dringend notwendig ist, weil es zu wenig Hotelbetten und gar keine Tagungsmöglichkeiten gebe. Der größte Betrieb ist derzeit das Highway-Hotel an der Autobahn mit 200 Betten, dazu kommen vor allem kleinere Pensionen, Privatzimmer und Ferienwohnungen sowie der Campingplatz. Und auch wenn der Europa Park selbst mehrere Hotels gebaut hat, suchen die Besucher des Freizeitparks auch in benachbarten Orten nach Unterkünften.
Gewerbeschau „Go West“ im Juli
Zu den Veranstaltungen des Handels- und Gewerbevereins (HuG) gehören auch drei verkaufsoffene Sonntage im Jahr. Am 9. Juli (11 bis 18 Uhr) wird der verkaufsoffene Sonntag mit einer überregionalen Gewerbeschau verbunden, der ersten seit 15 Jahren. Unter dem Motto „Go West“ soll der Schwerpunkt westlich der Bahn in den Industriegebieten liegen. Die Resonanz ist laut Hug-Vorstand Philipp Ulmer sehr gut. Die Betriebe werden an verschiedenen Standorten ihre Produkte und ihr Leistungsspektrum vorstellen, dazu soll es ein kulinarisches, künstlerisches und musikalisches Rahmenprogramm geben sowie einen Shuttle-Service, der die Besucher in die verschiedenen Industriegebiete und auch zu den Geschäften in der Innenstadt bringt. Außerdem sollen die „vielen innovativen Betriebe“ aus dem Bleichtal gebündelt an einem Standort im Gewerbegebiet präsentiert werden. „Mit der Gewerbeschau können wir auch Leute aus einem größeren Einzugsgebiet zu uns locken und für die Mittelständler ist es eine gute Möglichkeit, neue Kunden zu gewinnen“, sagt Ulmer. Er rechnet am Tag mit rund 20.000 Besuchern.