Das eigene Unternehmen in andere Hände zu geben ist ein sensibles Unterfangen. Drei Experten erklären, welche gängigen Fehler es gibt und worauf es bei einer Unternehmensübergabe ankommt.
VON ANNA-LENA GRÖNER
Mit 55 Jahren ans Planen gehen: Die Nachfolgeberaterin
„Nicht nur Personen übernehmen, auch Institutionen“, sagt Birgit Felden. Die Nachfolgeberaterin spricht von drei Grundtypen einer Unternehmensübergabe: die familiäre, die betriebsinterne und die externe. Auch die Übergabe an einen Finanzinvestor (oft in Verbindung mit einem Mitarbeiter oder Externen) oder an einen strategischen Investor sei nicht unüblich.
Felden leitet das vom Bundeswirtschaftsministerium finanzierte Projekt „Nachfolge in Deutschland“ an der Hochschule Wirtschaft und Recht in Berlin. Am Institut für Entrepreneurship, Mittelstand und Familienunternehmen (EMF). Sie berät seit über 30 Jahren Familienunternehmen zum Thema und hat eine Professur für Management KMU und Unternehmensnachfolge. Die Herausforderungen seien dabei oft ganz unterschiedlich.
Bei der Familiennachfolge sei es oft das Thema des Rollenverständnis‘ und die Frage, „wann habe ich die Firmenbrille und wann die private Brille auf?“ Gerade bei der Kommunikation untereinander müssten dafür klare Regeln aufgestellt werden, um Missverständnisse in einem ohnehin schon emotionalen Prozess zu vermeiden.
Wenn der abgebende Unternehmer im Anschluss noch eine Weile im Betrieb tätig bleibt, sei das häufig bei der Übergabe an einen Mitarbeiter eine große Herausforderung. „Hier die richtige Form der Zusammenarbeit zu finden, ist oft schwierig“, sagt Professorin Birgit Felden. Die Betriebsnachfolge durch einen Externen sei vor allem dadurch geprägt, dass dieser das Unternehmen nicht gut kennt und sich beispielsweise das Vertrauen der Mitarbeiter erst erarbeiten muss.
Felden sieht darin aber auch einen Vorteil: „Diejenigen, die beispielsweise schon als Kind in der Werkstatt gespielt haben und später zum Chef werden oder auch der ehemalige Kollege, der plötzlich Chef wird, die haben es – meiner Meinung nach – manchmal schwerer als jemand, der von außen völlig neu das Unternehmen übernimmt.“
Egal welche Art der Übergabe, die Expertin rät: immer externe Berater mit Fachexpertise ins Boot holen. Für eine anständige Unternehmensbewertung sei nicht immer der eigene Steuerberater der beste Ansprechpartner. Viel besser könnten Wirtschaftsprüfer oder Unternehmensberater helfen, die ihre Daten nicht nur von der Datev beziehen, einem Softwareanbieter und IT-Dienstleister für Steuerberater. Dort wären weder Planzahlen noch ein individuell zu berechnender Risikozinssatz abrufbar.
Für alle Typen der Unternehmensübergabe sei der wichtigste Faktor für ein gutes Gelingen Zeit. Je früher mit der Planung angefangen wird, desto besser. Mindestens zwei, besser fünf Jahre sollte man einplanen. Felden rät, sich erstmals im Alter zwischen 55 und 60 Jahren mit dem Thema Nachfolge auseinanderzusetzen. „Ich sage gerne: mit 60 merkt man, dass man älter wird, mit 70 merken es auch die anderen und mit 80 merken es nur noch die anderen.“
Wichtig sei für den aussteigenden Unternehmer oder die Unternehmerin außerdem, dass sie auch einen Plan für „danach“ schmieden, sich fragen, was sie mit ihrer neuen Zeit anfangen möchten. Immerhin beobachte Felden, dass der Ausstieg „zum Glück“ immer weniger Unternehmern schwerfalle, „denn immer mehr wollen etwas vom dritten Lebensabschnitt haben.“
Unabhängig vom Alter brauche jeder Unternehmer einen Notfallplan. Schließlich könnten auch junge Gründer gegen einen Baum fahren, sagt Birgit Felden. Apropos Gründer: Im Gründungskontext sei immer alles jung und sexy, bei der Unternehmensübergabe werde oft von Problemen und Schwierigkeiten gesprochen. Das möchte die Nachfolgeexpertin ändern und im Berliner Raum in Zukunft gezielt die Gründerszene mit den mittelständischen Unternehmen zusammenbringen.
Aus ihrer Sicht ein sinnhafter Ansatz, da Gründer häufig etwas sehr Traditionelles in moderner Form machen wollten. Sie könnten bestehenden Unternehmen bei der Transformation helfen und diese zukunftsfähig machen. „Auch das Risiko ist im Gegensatz zu einer Neugründung geringer, weil es schon Kunden gibt und Strukturen bestehen.“
Das Ziel der Übergabe kennen: Der ehrenamtliche Berater
Auch Herbert Lehmann findet es sinnvoll, die regionalen Firmen mit der Gründerszene zu vernetzen. „Ich betreue als Mentor eine ganze Reihe an innovativen Start-ups und konnte schon einige gemeinsame Erfolge verzeichnen.“ Lehmann war 24 Jahre Vorstandsvorsitzender der Sparkasse Staufen-Breisach, insgesamt war er 44 Jahre für die Sparkasse im Einsatz, ehrenamtlich ist er inzwischen im Netzwerk „Senioren der Wirtschaft“ als Vorstandsmitglied tätig.
Ein Verein, der vor 35 Jahren gegründet wurde und in dem etwa 60 Berater Start-ups, KMUs und Selbstständige in Baden-Württemberg und der Südpfalz bei vielen Fragen der Unternehmensführung unterstützen. Ein Schwerpunkt ist auch die Unternehmensübergabe und -übernahme. „Unsere Berater sind ehemalige Führungskräfte aus vielen Branchen“, sagt Lehmann. „Sie bringen viel Fachexpertise, langjährige Lebenserfahrung sowie ein großes Netzwerk an Kontakten ein.“
Mit ihrem Netzwerk konnten die Wirtschaftssenioren schon häufig bei der Suche nach einem geeigneten Nachfolger helfen oder mit ihrer Erfahrung die Übergabe an Familienmitglieder oder Mitarbeiter erfolgreich unterstützen. Als wichtigste Schritte für eine gelungene Unternehmensübergabe sieht Herbert Lehmann immer die frühe Frage nach dem konkreten Ziel und die Bereitschaft, sich auf den Übergabeprozess einzulassen.
Die Phase von der Erkenntnis, etwas tun zu müssen, zur konkreten Umsetzung sei immer die schwierigste und gerade „das Loslassen ist für viele Unternehmer das größte Problem. Hier können wir mit unserer Unabhängigkeit Vertrauen aufbauen und mit dem Klienten die konkreten Schritte planen“, sagt Herbert Lehmann.
Alle mit ins Boot holen: Der Anwalt
Seit mehr als zwei Jahrzehnten berät der Freiburger Rechtsanwalt Clemens Pustejovsky Unternehmen bei der rechtlichen Regelung der Nachfolge und allen damit zusammenhängenden Fragen. Im Gespräch weist der Rechtsexperte vor allem auf Fehler hin, die bei Übergaben gerne und regelmäßig unterlaufen.
„So mancher Familienunternehmer will auf Teufel komm raus, dass einer seiner Sprösslinge das Unternehmen weiterführt. Für Unternehmen ist es jedoch oft ein Desaster, wenn die Nachkommen das operative Geschäft leiten, ohne die hierfür notwendige fachliche und persönliche Kompetenz zu haben.“ Wenn ein Unternehmer sein Lebenswerk schützen möchte, wäre es daher sinnvoll und am besten, er oder sie würden das Unternehmen von den fachlich und persönlich am besten geeigneten Personen fortführen und den Kindern die für sie geeignete Rolle zukommen lassen – „auch wenn es manchmal nur die eines Gesellschafters ohne Mitbestimmungsrecht ist“, sagt Pustejovsky.
Ein weiterer häufiger Streitpunkt bei der Unternehmensübergabe sei das Thema Veränderung und der Standpunkt der „Alten“, was gut war, müsse bestehen. Selbst wenn es bisher gut funktioniert hat, möchte die nachkommende Generation meist grundlegende Dinge verändern und eigene Ideen einbringen.
Auch der Anwalt spricht daher von der Notwenigkeit des „Loslassens“. Das bedeutet auch, das Unternehmen zum rechtlich vollzogenen Termin tatsächlich zu verlassen und nicht wie gewohnt jeden Morgen zur gleichen Uhrzeit wieder das bisherige Chef-Büro aufzusuchen. Aufgaben und Kompetenzen müssten deutlich kommuniziert und der Übergabeprozess zeitlich klar definiert werden. Rät Clemens Pustejovsky. Weiteres Fehlerpotenzial läge in einer Nicht-Kommunikation und Nichteinbeziehung von Mitgesellschaftern und Mitarbeitern oder gar von den künftigen Unternehmensnachfolgern.
Mit einer vollendeten Entscheidung konfrontiert, würden ungefragte Nachfolger sowie übergangene Mitarbeiter und Mitgesellschafter oft ablehnend und frustriert reagieren. „Übergabe betrifft daher immer mehrere Menschen. Es ist immer zielführend, diese vor einer Entscheidung mit ins Boot zu holen, damit die Umsetzung auch reibungslos funktioniert“, sagt Clemens Pustejovsky.