“Nicht dramatisch, aber herausfordernd”
Die Kunden bestimmen, wie sich die Sparkasse weiter entwickelt. Die Misere der Deutschen Bank hat im Mai Schlagzeilen gemacht. Fakt ist freilich, dass die Geschäftsmodelle der Sparkassen und Volksbanken durch die Praktiken einiger Banker beschädigt wurden, die Geldinstitute mit Kasinos verwechselt haben. Marcel Thimm, Chef der Sparkasse Freiburg-Nördlicher Breisgau mahnt jedoch, die Lage nicht zu dramatisieren.
netzwerk Südbaden: Wie lange halten die Sparkassen noch die Niedrigzinsphase aus? Um wieviel Millionen wird die Zinsmarge sinken, wenn die Zinspolitik der EZB noch Jahre weitergeht? Kürzlich hat der Vorstand einer kleinen Genossenschaftsbank in der Nachbarschaft festgestellt, dass die „fetten Jahre“ für die Banken vorbei seien. Trifft das in dieser Pauschalität zu?
Marcel Thimm: Da ist was dran. Für alle die Institute, die das Kreditgeschäft mit Kundeneinlagen refinanzieren, gilt das. Im Prinzip sind da alle Sparkassen und Genossenschaftsbanken betroffen. Wir wissen, was auf uns zukommt.
netzwerk südbaden: Stehen Ihnen da nicht die Haare zu Berge?
Marcel Thimm: So dramatisch ist es sicher nicht, aber es ist eine große Herausforderung. Ceteris paribus, also unter gleich bleibenden Bedingungen, sinkt unsere Zinsmarge jährlich um 6-8 Millionen Euro, mit gleichbleibender Tendenz. Wenn wir nicht gegensteuern würden, könnten wir in sieben Jahren keine positiven Ergebnisse mehr ausweisen. Dann würden wir gerade plus minus null herauskommen. Aber wir hätten ja keineswegs das Ende der Fahnenstange erreicht.
netzwerk südbaden: Wie kann man gegensteuern?
Marcel Thimm: Das Hauptinstrument ist mehr Geschäft, neues Geschäft. Unser Hauptergebnisbringer ist das Kreditgeschäft. Wir leben in einer Region, die Zuzugsregion ist. Deshalb spielt der Immobilienmarkt eine große Rolle bei uns. Das ist unser wichtigstes Geschäftsfeld. Wir haben gute Chancen, hier weiteres Wachstum zu generieren. Wir wachsen derzeit so stark wie seit der Jahrtausendwende nicht mehr. Das gehört noch zu den klassischen Geschäftsfeldern. Neue Geschäftsfelder sind immer ein Thema, nicht nur in Zeiten niedriger Zinsen. Von den 416 Sparkassen in Deutschland sind wir von den Geschäftsfeldern her sicher mit am breitesten aufgestellt – das können wir ohne Übertreibung sagen. Wir haben in den vergangenen 20 Jahren das Angebot für unsere Kunden ständig ausgeweitet. Beispielsweise durch Investitionen in eigene Maklertätigkeiten im wohnwirtschaftlichen und gewerblichen Immobilienbereich, Gründung einer Beteiligungsgesellschaft und einer eigenen Versicherungsagentur, Einführung unseres Mehrwertkontos „contomaxx“ und unser jüngstes Geschäftsfeld die Baulanderschließung in der badenovaKONZEPT, unserer gemeinsamen Tochtergesellschaft mit badenova. Und dann haben wir ja mit der Kajo 192 auch erstmals in eine reine Kapitalanlageimmobilie investiert. Kurzfristig steht kein weiteres neues Geschäftsfeld vor der Tür. Die genannten Bereiche haben aber alle noch weiteres Entwicklungspotenzial und werden so auch dazu beitragen, die Ausfälle im Zinssektor zu kompensieren. Übrigens ist die badenovaKONZEPT im Moment unser Bereich mit der größten Dynamik, was natürlich auch mit dem hohen Bedarf an Baulanderschließungen zusammen hängt.
netzwerk südbaden: Gibt es ein Krisenszenario, das speziell auf die Sparkasse Freiburg-Nördlicher Breisgau zugeschnitten ist?
Marcel Thimm: Nein, es gibt kein Krisenszenario, weil es auch keine Krise gibt. Es gibt aber große Herausforderungen, auf die wir uns in den vergangenen Jahren schon vorbereitet haben und die in den nächsten Jahren weitere Weichenstellungen von uns verlangen.
netzwerk südbaden: Noch gibt es ein großes Filialnetz. Ist das zu halten, zumal Online-Banking immer mehr zum Normalfall wird?
Marcel Thimm: Unsere mit Abstand größte Filiale, auch die mit den höchsten Wachstumsraten, ist die Internetfiliale. Unabhängig davon sind wir nach wie vor mit 70 mit Personal besetzten Geschäftsstellen in unseren 35 Trägergemeinden flächendeckend präsent. Es waren auch schon einmal 94 Geschäftsstellen. Wir haben uns hier schon in der Vergangenheit dem veränderten Kundenverhalten angepasst und werden das auch in Zukunft tun. Die Geschwindigkeit bestimmen unsere Kunden. Bisher war es eher Evolution als Revolution. Tatsächlich ist es ja so, dass viele Kunden für alle Kontakte mit der Bank online gehen, weil das Angebot immer attraktiver wird. Das hat langfristig sicher auch Auswirkungen auf die Struktur unseres Geschäftsstellennetzes. Wir sind da auch im Wettbewerb mit den reinen Internetbanken gut aufgestellt, die ja in der Regel nur ein eingeschränktes Angebot präsentieren. Weil die Internetbanken nur Privatkunden bedienen, werden sie sicher mittelfristig stärker unter Druck geraten, wenn die Zinssituation so bleibt. Das ist die erste große Bewährungsprobe für die Internetbanken. Für uns natürlich auch, aber wir haben einfach den Vorteil eines viel breiteren Geschäftsfelds.
netzwerk südbaden: Entspricht die Zahl von 1.300 Mitarbeitern noch den Realitäten des Marktes? Wird zumindest die natürliche Fluktuation genutzt?
Marcel Thimm: Wir beschäftigen aktuell 1.275 Menschen. Darunter viele Teilzeitbeschäftigte und rund 100 Auszubildende. Umgerechnet auf Vollzeitbeschäftigte ergibt sich eine Mitarbeiterkapazität von gut 900 Personen. Anfang des Jahrtausends lag diese Zahl bei 1.100. Wir gehen davon aus, dass sich dieser Abschmelzungstrend fortsetzen und vielleicht sogar noch etwas beschleunigen wird, obwohl der Markt ja gewachsen ist und weiter wächst. Das hat sicher auch damit zu tun, dass wir über unser EDV-System unsere Prozesse immer weniger personalaufwändig gestalten können. Trotzdem haben wir aufgrund der demographischen Entwicklung einen Rekordbedarf an jungen Nachwuchskräften. Jedes Jahr schließen wir mit 40 jungen Damen und Herren neue Ausbildungsverträge ab.
netzwerk südbadenWie sieht es mit der Fluktuation der Mitarbeiter aus?
Marcel Thimm: Den größten Anteil hat die Verrentung von Mitarbeitern. Der zweitgrößte ist ganz einfach die Mutterschaft – wir haben ja einen hohen Anteil junger weiblicher Beschäftigter, die allerdings häufig in Teilzeit weiter arbeiten. Oder Menschen wollen sich verändern, um Neues kennenzulernen. Anders gesagt: unser Personalstand verringert sich ganz natürlich, ein anderes Konzept haben wir nicht. Uns geht es eher darum, den Abgang von Know-how durch ausscheidende Mitarbeiter möglichst umgehend kompensieren zu können. Gerade die über Jahren gesammelte Erfahrung ist ein großes Asset für die Sparkasse.
netzwerk südbaden: Über Fusionen hat man in den vergangenen Jahren nicht gerne geredet. Ist das Thema unter den heutigen Umständen wirklich ein Tabu?
Marcel Thimm: Nein, das Thema ist kein Tabu. Das war es auch in der Vergangenheit nicht, es hat ja immer wieder, wie man gerade an unserem Hause sehen kann, Fusionen gegeben. Fusionen sind dann sinnvoll und realistisch, wenn sie allen Beteiligten Mehrwerte bieten. Das ist ein hoher Anspruch. Kostendegressionseffekte alleine sind jedenfalls nicht ausreichend, um über Fusionen zu sprechen. Es sei denn, es herrscht wirtschaftliche Not. Aber die sehe ich nicht. Es gibt ja tatsächlich auch sehr kleine Sparkassen und Genossenschaftsbanken, die sehr gute Ergebnisse schreiben. Nichtsdestotrotz werden die stärker durch die Kostenstrukturen, auch durch die verstärkte Regulierung, unter Druck gesetzt. Es kann schon sein, dass es in Zukunft wegen einer veränderten Marktsituation wieder zu Fusionen kommt. Fusionswellen sind ja aber meist entstanden, weil die Risikosituation sich für die einzelnen Banken nach konjunkturellen Einbrüchen verschlechtert hat. So ein Szenario sehe ich aktuell nicht, aber spannend bleibt es.
netzwerk südbaden: Sie bleiben optimistisch?
Marcel Thimm: Ja, natürlich auch, weil wir das Glück haben, in einer Wachstumsregion zu leben, in der wir noch Wachstumzuwächse generieren können..Die Niedrigzinsphase ist sicher eine Herausforderung, aber es gab schon größere in den vergangenen 200 Jahren Sparkassengeschichte. Wir sind zuversichtlich, dass wir das meistern können, aber wir müssen was tun. Bleiben die Zinsen über viele Jahre niedrig, müssen wir die fehlende Marge aus dem Zinsgeschäft kompensieren. Entweder durch Kosteneinsparungen, oder durch andere lukrative Geschäfte. Oder durch Minuszinsen, aber das ist nicht vorstellbar, weil das ja das Vertrauen der Sparer verheerend beschädigen würde. Unter den gegenwärtigen Umständen ist ja eine kleinere Rendite aufs Kapital für die Sparkasse auch kein Unglück, sondern das natürliche Ergebnis der wirtschaftlichen Zins-Situation.
Das Interview ist in der Printausgabe von netzwerk südbaden erschienen. Bestellen Sie noch heute Ihre kostenloses Probeexemplar unter .