Wer wie der Autor fünf Jahrzehnte in unterschiedlichen Positionen als Journalist tätig war, hat naturgemäß vieles erlebt. Wir reden hier gar nicht von der veränderten Technik, von der Revolution der Medien durch die digital gestützte Information. Wir reden hier über die Ereignisse, die ein Journalist begleitet. Als Zuschauer, als Beschreiber, als Zeitzeuge. Reden wir hier nicht von der großen Politik, reden wir davon, was unseren Alltag in der Regel beherrscht. Das Lokale. Da ist uns schon allerhand untergekommen, zuletzt jener Dorfbürgermeister im Hotzenwald, der nach Gerichtserkenntnis selbst einen Anschlag auf sich inszeniert hat. Und nun sind wir plötzlich selbst mittendrin. Das Verwaltungsgericht Freiburg hat die Bürgermeisterwahl in Neuenburg für ungültig erklärt, weil kurz vor dieser Wahl ein Artikel im Gemeindeblatt erschienen war, der sich mit dem Entwicklung des Standorts Neuenburg befasst und durchaus lobende Worte über den amtierenden Bürgermeister Joachim Schuster findet. Diesen Artikel hat der Autor dieser Glosse verfasst. Geschrieben worden war er für „netzwerk südbaden“ . In dem Magazin werden regelmäßig Gemeinden in der Region vorgestellt, der Bürgermeister wird gefragt und viele Informationen über den jeweiligen Ort präsentiert. Das gehört zum normalen Alltagsgeschäft und ist in jeder Hinsicht unspektakulär. So wäre es wohl auch geblieben, hätte nicht das Neuenburger Stadtblatt – verantwortlich für dessen Inhalt ist der Bürgermeister – den Artikel nachgedruckt. Auch das ist keineswegs unüblich, schließlich freut man sich in den Rathäusern, wenn man in einem Medium erwähnt wird. Dass der Inhalt auch übermittelte, Bürgermeister Joachim Schuster mache einen guten Job, entspricht und entsprach der Meinung des Autors. Eine Wahlempfehlung war natürlich nicht in der Geschichte enthalten, was ja schon deshalb unsinnig gewesen wäre, weil zum Zeitpunkt der Veröffentlichung des Artikels erst ein Kandidat feststand, eben der amtierende Bürgermeister. Nun hat das Verwaltungsgericht genau diesen Artikel, der ja nie für das Gemeindeblatt vorgesehen war, zum Anlass genommen, die Bürgermeisterwahl in Neuenburg zu annullieren. Wir freuen uns ja, wenn man uns Journalisten zubilligt, wir könnten mit unseren Zeilen etwas bewirken. Aber diese harmlose Story als wahlentscheidend zu bewerten – was hat die Juristen denn da geritten? Wir wissen es nicht, wir finden allerdings, dass dieses Urteil noch einmal von einer weiteren Instanz überprüft werden sollte. Wahlen wegen eines Artikels zu kippen halten wir nun wirklich nicht für sehr sinnvoll. Jörg Hemmerich