Stephanie Maertin führt in vierter Generation das Freiburger Familienunternehmen Maertin AG, einen technischen Großhandel. Anfang 2022, gut ein Jahr nach der Geburt ihres Sohnes, entschied sie sich für die Unternehmensleitung in Teilzeit.
„Ich bekomme oft mit, dass Probleme bis ins Detail zerredet werden und man sich im Perfektionismus verliert. Bei einem Führungskräftemeeting über Nachhaltigkeit neulich hängte sich zum Beispiel einer an der Frage auf, wie man denn den Bildschirmarbeitsplatz in der ökologischen Bilanz berechnet, und eine andere sagte, dass sie im Unternehmen nur noch Hafermilch verwendet. Das geht mir zu weit. Ich will nicht alles ausarbeiten und zerdenken. Ein Rat, an den ich mich halte, ist es, pragmatisch zu agieren. Einfach loslegen, und wenn es nicht funktioniert, nachjustieren. Ich kann gut damit leben, wenn der erste Schuss nicht sitzt, weil ich flexibel bin.
Ein Paradebeispiel für meinen Pragmatismus ist die Vereinbarung von Familie und Geschäftsführung. Ich hatte vorher kein Kind und konnte nicht wissen, wie es läuft, bis ich es ausprobiert habe. Selbst wenn ich es bis ins Detail geplant hätte, wäre es eh anders gekommen – wer Kinder hat, weiß, dass sich vieles nicht planen lässt. Ich habe bis heute kein einziges Erziehungsbuch gelesen, weil ich denke, es läuft sowieso anders. Man muss auf sein Bauchgefühlt hören und einfach mal machen – mit dem Kind und mit dem Unternehmen.
Meine Entscheidung, die Geschäftsführung mit Christian Schirm zu teilen, fiel auch aus pragmatischen Gründen. Sie wurde nicht Jahre vorher gefällt, sondern ist aus der Situation heraus entstanden. Es war klar: So wie es jetzt läuft, geht’s nicht, wir müssen eine Lösung finden. Dass die gleich im ersten Anlauf gepasst hat, war Glück. Christian Schirm hat Anfang 2022 die operative Geschäftsführung übernommen, und ich kann mich seither auf die strategische Weiterentwicklung des Unternehmens konzentrieren.
Dadurch ist eine große Last von mir abgefallen. Das hat sowohl mir gutgetan als auch dem Unternehmen, weil ich mich jetzt um neue Anforderungen wie das Lieferkettensorgfaltspflichtgesetz oder die Whistleblower-Richtlinie kümmern kann. Außerdem gibt es einen ganzen Strauß an Themen, die wir nicht unbedingt machen müssen, um die wir uns aber kümmern wollen, um weiterzukommen und auch in zwanzig Jahren noch zu bestehen. Nachhaltigkeit zum Beispiel, da möchten wir als Freiburger Familienunternehmen vorangehen. Oder KI. Die muss sich irgendjemand anschauen und überlegen, was für uns in Frage kommt. Das funktioniert nur, wenn eine Geschäftsleitung nicht am Limit läuft und man Kapazitäten dafür freiräumt.“
Protokoll: Kathrin Ermert
Eigentlich ist Stephanie Maertin (40) Hotelfachfrau und -managerin. Sie hat nach dem Abitur eine Ausbildung im Freiburger Colombi Hotel gemacht, in Bad Honnef studiert und wollte dann in den Familienbetrieb nur reinschnuppern, blieb aber hängen. Ihr Herz hängt noch an der Gastronomie: Bis vor einem Jahr hat sie einen Abend die Woche in einer Strauße gekellnert.