Der plötzliche Tod von Chef oder Chefin ist ein Horrorszenario, daran möchte niemand denken. Unternehmer sollten das aber tun und für einen Notfall sicherstellen, dass die Firma weiter besteht.
VON DANIEL RUDA
Immer mal wieder kommen ihr diese Telefonate unter, erzählt Christina Gehri von der IHK. Meistens ist eine Frau am anderen Ende der Leitung, die vom überraschenden Tod ihres Mannes erzählt, der eine eigene kleine Firma hatte. Und dann folgen die verzweifelten Fragen, wie es nun mit dem Betrieb und den Mitarbeitenden weitergehen solle und könne. „Die Fälle sind nicht selten, in denen eine Firma nach dem Tod des Chefs nicht weitergeführt werden kann, weil für einen Notfall überhaupt keine Vorkehrungen getroffen wurden“, sagt die 57-Jährige.
Gehri betreut für die Kammer am Südlichen Oberrhein die Themen Unternehmensnachfolge und -sicherung, womit sie auch in solchen Notsituationen Ansprechpartnerin ist. Schon einige Male habe sie diesen Worst Case während ihrer 30 Jahre Arbeit in diesem Bereich miterlebt. „Da stehen dann die Hinterbliebenen und haben plötzlich und ohne Vorwissen Verantwortung für den Betrieb und die Mitarbeitenden und keiner weiß, wie es weitergehen soll“. Ein ohnehin schon trauriger Schicksalsschlag werde dann noch trauriger. „Da geht dann auch das Lebenswerk mit unter, das soll ja nicht sein.“
Bei einem plötzlichen Ausfall des Chefs oder der Chefin stellen sich unmittelbar Fragen zur Funktionsfähigkeit eines Betriebs. Da geht es um ganz praktische Dinge, gerade in kleinen Betrieben, in denen Unternehmer alle wichtigen administrativen Fäden selbst in der Hand haben: Wer übernimmt (erst einmal) die wichtigsten Aufgaben? Wo sind Zugangsdaten und Passwörter? Wie kann man auf wichtige Daten, Systeme und Kontakte zugreifen? Welche Verträge bestehen? Die Liste geht endlos weiter.
Notfallhandbuch als roter Faden
Die IHK hat dafür ein sogenanntes betriebliches Notfallhandbuch erarbeitet, das Gehri Unternehmern immer wieder ans Herz legt, schon bei Gründungsberatungen, erzählt sie.
Es ist 66 Seiten lang, wahlweise in Papierform oder als PDF. Darin können in vorgefertigten Blöcken wie in einem Formular Informationen zu den grundlegenden Regelungen eingetragen werden, etwa wer bei einem Notfall benachrichtigt werden muss und wer erst einmal für die Weiterführung des Betriebs zuständig sein soll. Dazu kommen alle möglichen Infos über Finanzen, Verträge und sonstige Dinge.
„Die Checkliste soll als roter Faden für die Hinterbliebenen dienen, damit es nicht zu einem Gau kommt“, sagt Christina Gehri. Solch ein Notfallhandbuch kann aber nur der erste Schritt sein. Fürs Umsetzen mancher Punkte braucht es in vielen Angelegenheiten weitere Anstrengungen, wenn es etwa um Vollmachten geschweige denn um das Vererben eines Betriebs geht.
Um richtige Vorsorge zu treffen, brauche es ein notarielles Unternehmertestament, erklärt Rechtsanwalt Andreas Schnitzler aus der Freiburger Kanzlei Faller & Abraham. Der 59-jährige Fachanwalt für Steuerrecht, der sich seit zehn Jahren schwerpunktmäßig mit dem Erbrecht beschäftigt und gerade in den letzten Zügen zum Abschluss des Fachanwalts auch in diesem Bereich ist, hat es regelmäßig mit Unternehmern und dabei auch mit diesen Fragen um die Absicherung ihres Unternehmens zu tun.
„Es ist eine anspruchsvolle Geschichte, für den eigenen Ausfall oder gar Todesfall vorzusorgen“, sagt Schnitzler. Da gehe es um Bankvollmachten, die Übertragung von Gesellschaftsanteilen, von Grundstücken und der Betriebsführung. Jeder Punkt für sich kommt mit einigen Anforderungen daher, die mit einer Unterschrift beim Notar enden.
Ein Testament braucht Zeit
Als beratender Rechtsanwalt müsse er vielen Unternehmern schon mal einen Anstoß geben, um in dieses Thema einzusteigen. „In der Regel ist es so, dass sich die Leute damit nicht beschäftigen wollen. An so etwas Schlimmes wie einen Unfall oder den eigenen Tod möchte ja niemand denken“, sagt Andreas Schnitzler. Hinzu komme der Umstand, dass sich Unternehmer, so seine Erfahrung , auch in Sachen Unternehmensnachfolge schwer damit tun, loszulassen. Ein Thema wie der eigene Tod werde also umso mehr auf die lange Bank geschoben. „Ich habe ja noch Zeit, denken viele“, so Schnitzler. Wissen kann das aber keiner.
Der Rechtsanwalt erzählt dazu von einem Unternehmer jenseits der 70 mit einem kleinen Familienbetrieb, der genau so dachte. Als dann eine Krankheitsdiagnose folgte, musste alles schnell gehen.
Es kursieren einige Umfragen unter Unternehmern zum Thema. Die Ergebnisse gehen dabei teilweise weit auseinander. Während das im Ruhrpott beheimatete Institut für Unternehmerfamilien ermittelte, dass bei 66 Prozent der 276 befragten Firmen ein Notfallplan vorhanden sei, ergab eine Umfrage des trinationalen Unternehmer-Netzwerks The Alternative Board (Deutschland, Österreich, Schweiz), dass es bei 81 Prozent der 165 befragten KMUs überhaupt keinen Notfallplan gebe. Wie groß die jeweiligen Firmen sind, bleibt fraglich, dürfte aber ein wesentlicher Aspekt sein.
Je größer das Unternehmen, desto größer die Wahrscheinlichkeit, dass es Notfallpläne und Vorsorgen gibt, schätzt Christina Gehri von der IHK. Belastbare Zahlen für Südbaden gibt es keine. Bei kleinen Unternehmen mit bis zu 50 Mitarbeitenden schätzt Gehri, dass jeder zweite Chef sich mit dem Thema noch nicht richtig beschäftigt habe. „Das Thema müsste ich mal angehen, bekomme ich oft als Antwort“, erzählt sie. „Die wenigsten sagen aber, dass alles schon erledigt ist.“
Sich mit dem eigenen Tod zu beschäftigen, während das laufende Geschäft zu managen ist, ist auch wahrlich keine leichte Übung. Das Ganze sei ein monatelanger Prozess, es gelte viele Entscheidungen zu treffen, für die man auch mit den gesetzlichen beziehungsweise potenziellen Erben oder denjenigen sprechen sollte, die dann wichtige Rollen übernehmen sollen, sagt Andreas Schnitzler.
Gerade im regionalen Mittelstand stelle sich dabei oft die Frage, ob jemand aus der eigenen Familie die Firma übernehmen könne und möchte. Dazu kommen die Fragen, was es steuerlich bedeutet, einen Betrieb samt Immobilie und Inventar zu vererben. „Das Steuerrecht kommt Unternehmern entgegen, wenn sie sich dazu entscheiden, ihren Betrieb an ein Familienmitglied zu vererben und das richtig organisieren“, so Schnitzler. Dazu bedarf es aber einer guten anwaltlichen Beratung, um bei der Übertragung von Vermögen die Steuerlast für die Erben zu minimieren.
Meistens wird der Gesellschaftsvertrag dafür auf das private Testament abgestimmt, denn Gesellschaftsrecht gelte vor Erbrecht. Es gibt unzählige Fragen, die sich in diesem Komplex stellen, sagt Andreas Schnitzler. „Deswegen ist es ratsam, sich rechtzeitig damit zu beschäftigen. Wenn es erledigt ist und Testament sowie Vollmachten unterschrieben sind, sind die Leute immer froh, dass sie es gemacht haben.“ Und wenn sich etwas ändert, könne man jederzeit Änderungen vornehmen.
Anmerkung der Redaktion: Rechtsanwalt Andreas Schnitzler ist nicht mit unserem Herausgeber verwandt.