Im vergangenen Monat gab Edith Schreiner bekannt, dass sie keine dritte Amtszeit als OB anstreben wird. Sie hinterlässt eine gute bestellte Stadt – mit einer Messe, die ausgebaut wird, starkem Einzelhandel und einem veränderten Gesicht in der Innenstadt. Aber auch einem starkem Arbeitsmarkt.
Von Daniela Frahm
Wochenlang war in Offenburg gerätselt worden, ob Oberbürgermeisterin Edith Schreiner für eine dritte Amtszeit kandidieren wird. Anfang Februar hat sie das Rätseln beendet. Sie wird nicht mehr antreten „für dieses schöne Amt“ verkündete sie vor dem Gemeinderat. „Ich möchte lieber mit ein bisschen Wehmut aufhören, als wenn gesagt würde, jetzt ist es Zeit, dass sie mal geht“, erklärt Schreiner im Gespräch mit netzwerk südbaden.
„16 Jahre sind eine lange Zeit für eine so pulsierende Stadt wie Offenburg und neue Impulse und Ideen werden der Stadt guttun.“ Die 60-jährige CDU-Politikerin ist davon überzeugt, dass sie ihrem Nachfolger oder ihrer Nachfolgerin Ende des Jahres ein „wohl bestelltes Haus“ übergeben kann. Sie habe ganz viel von dem umsetzen können, was sie versprochen habe, „auch weil die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen gut waren“.
Zu Beginn ihrer ersten Amtszeit war das allerdings nicht der Fall, und deshalb ist sie besonders froh, dass sie sich im Gegensatz zu Konkurrenten für die Investition in die Messe Offenburg-Orte nau ausgesprochen hat. Im kommenden Jahr wird die Modernisierung abbezahlt sein, zehn Jahre nach der Investition. Da die Messe so gut wie ausgebucht ist und „an über 300 Tagen ein volles Programm hat“ (Schreiner), soll jetzt eine weitere Halle gebaut werden, auf einer Fläche, auf der derzeit noch Fertigbauhäuser stehen.
Die Preisträger des Wettbewerbs wurden Anfang März vorgestellt. Auf mindestens zehn Millionen Euro beziffert die Oberbürgermeisterin die Investitionssumme, und Messechefin Sandra Kircher träumt davon, dass die Halle 2020 steht. „Ich hoffe auf einen Baubeschluss im Frühjahr 2019“, sagt Schreiner. Die am Stadteingang gelegene Messe bietet derzeit 52.400 Quadratmeter Freigelände und 22.500 Quadratmeter überdachte Fläche, unter anderem die multifunktionale Baden-Arena, die auch für Fernsehproduktionen wie die Bambi-Verleihung 2008 und Sportevents wie das Springreitturnier BadenClassics mit bis zu 10.000 Besuchern genutzt wurde und wird.
Neben der drittgrößten Verbrauchermesse in Baden-Württemberg, der Oberrhein Messe, haben sich in Offenburg auch Fachmessen etabliert wie die Euro Cheval, die Badische Weinmesse und die GeoTHERM, die nach Veranstalterangaben führende Geothermie- Messe in Europa. Anfang März kamen die Geothermie- Experten wieder zu ihrer Messe nach Offenburg, aber es waren auch Gegner dieser Technik vertreten, was Edith Schreiner sehr beeindruckt hat. So seien auch deutsche und französische Bürgerinitiativen bei der Messe erstmals ins Gespräch gekommen. Dieser grenzüberschreitende Austausch sei beispielhaft, denn er finde in Offenburg regelmäßig und auf verschiedenen Ebenen statt, nicht nur der kulturellen. Der Eurodistrikt Straßburg-Ortenau funktioniere gut, erklärt die OB, und habe schon zu einem gemeinsamen Verkehrskonzept geführt und der Tram über den Rhein, die 2017 eingeweiht wurde. „Sehr interessiert“ seien beide Seiten auch an einem Fachkräfteaustausch.
Auch wenn sich in den vergangenen Jahren vieles zum Positiven entwickelt habe, sei eine gemeinsame Wirtschaftsförderung noch Zukunftsmusik. Allerdings sorgen die Nachbarn von der anderen Rheinseite mit dafür, dass die Wirtschaft der 60.000-Einwohner-Stadt angekurbelt wird. Für große Möbel- und Bauhäuser war die Nähe zum französischen Markt ein entscheidender Faktor für die Standortentscheidung. „Viele Einzelhändler und Gastronomen haben Französisch sprechendes Personal eingestellt“, berichtet Schreiner, „und am Wochenende sieht man in der Innenstadt und in den Restaurants viele Franzosen.“ Abgesehen davon hat Offenburg eine Versorgungsfunktionen für ein Gebiet mit rund 270.000 Einwohnern und zählt nach Angaben der Stadt im Einzelhandel zu den leistungsstärksten Standorten in Baden-Württemberg. Rund 500 Einzelhandelsbetriebe erwirtschaften demnach einen Umsatz von über 500 Millionen Euro. Außerdem habe die Stadt einen überdurchschnittlich hohen Zentralitätsfaktor von 179, das bedeutet, dass der Umsatz um 79 Prozent höher liegt als die einzelhandelsrelevante Kaufkraft der gesamten Offenburger Bevölkerung. Und auch in diesem Bereich wird weiter investiert. In der nördlichen Innenstadt hat der Investor OFB Projektentwicklung GmbH mit dem Bau des Einkaufsquartiers Rée Carré begonnen, gegen das es Widerstand von Einzelhändlern und dem Verein „City Partner Offenburg“ gab und gibt. Schreiner erhofft sich davon hingegen nicht nur eine städtebauliche Entwicklung Richtung Bahnhof, sondern sie ist auch davon überzeugt, dass der Handel „einen großen Magneten“ braucht. Ihr gefällt an dem Rée Carré auch, dass keine Mall entsteht, sondern mehrere Häuser, „ein richtiges Quartier“.
Zudem soll zwischen dem neuen Einkaufszentrum, der Langen Straße und der Hauptstraße ein „Triangel“ entstehen mit einem „neuen Gesicht“. Die Stadt versucht, in der Innenstadt mehr Aufenthaltsqualität zu schaffen, unter anderem mit einer Natursteinpflasterung, die am Lindenplatz bereits abgeschlossen wurde. Als nächstes soll die Lange Straße folgen, danach die Steinstraße. Um mögliche Einbußen während der Baustellenzeit abfedern zu können, sollen inhabergeführte Einzelhändler bei Bedarf finanziell unterstützt werden. Außerdem wird derzeit die Gestaltungssatzung für die Innenstadt überarbeitet.
Die Entwürfe dafür lagen bis vor kurzem öffentlich aus, zudem informierte Stadtplaner Daniel Ebneth über die sogenannte „Gestaltungs-Offensive“, die für ein „attraktives Erscheinungsbild“ sorgen und die unterschiedlichen Interessen von Gastronomie, Einzelhandel, Wohnen, Bürgerservice und Veranstaltungen „unter einen Hut bringen, aber nicht über einen Kamm scheren“ soll. Zu den Rekordeinnahmen bei der Gewerbesteuer von fast 60 Millionen Euro im vergangenen Jahr haben in Offenburg auch die vielen namhaften Firmen und mittelständischen Betriebe beigetragen. Geprägt ist der Wirtschaftsstandort vor allem von den Branchen Druck- und Verlagswesen, Elektrotechnik und Elektronik. Bekannte Unternehmen wie die Hubert Burda Mediengruppe (1900 Mitarbeiter), das Medienhaus Reiff (650), Edeka Südwest (1850), Hansgrohe (700), Hobart (750), Markant (600), Meiko (1100), Printus (1300), Tesa (420) und Vivil (220) haben ihren Sitz in Offenburg. Insgesamt gibt es 40.000 Arbeitsplätze in 2000 Betrieben, das bedeutet mehr als 665 sozialversicherungspflichtig Beschäftigte je 1000 Einwohner, was weit über dem Landesdurchschnitt von 401 liegt. Allein seit dem Jahr 2009 sind über 4.000 zusätzliche Arbeitsplätze entstanden, was vor allem auf die im ganzen Land dynamische Entwicklung des Dienstleistungssektors zurückzuführen ist. Über Dreiviertel aller Beschäftigten in Offenburg ist inzwischen in diesem Bereich tätig, was auch damit zu tun hat, dass die Stadt Sitz von Behörden, Bildungs- und Gesundheitseinrichtungen ist. Dazu kommt die Hochschule für Technik und Wirtschaft mit knapp 4.500 Studenten, Ausbildungszentren der IHK und der Handelskammer, Transferzentren der Steinbeis-Stiftung des Landes und ein Technologiepark zur Förderung von innovationsorientierten Existenzgründern und Jungunternehmern unter dem Dach der Wirtschaftsregion Ortenau (WRO).
Aber auch Industrie und produzierendes Gewerbe sind mit 8000 Beschäftigten ein wichtiger Pfeiler. In der Wirtschaftsförderung liegt das Hauptaugenmerk laut Schreiner auf der Bestandspflege. Dass bislang so gut wie alle Firmen ihre Erweiterungswünsche auch umsetzen konnten, dazu habe die Stadt mit ihrer „guten Bevorratungspolitik“ beigetragen, die an den Standorten wenn möglich Flächen freigehalten hat. Außerdem wurde der interkommunale Gewerbepark „hoch³“ im Süden der Stadt mit 32,8 Hektar Gesamtfläche im ersten Bauabschnitt entwickelt.
In einem zweiten Bauabschnitt im Teilgebiet Schutterwald sollen knapp zehn Hektar zusätzliche Gewerbeflächen entstehen. Wichtige Gewerbeflächenreserven der Stadt sind Konversionsprojekte des Bundes und der Bahn, die ehemalige Kaserne „Am Holderstock“ und der ehemalige Güterbahnhof. Im Januar hat Baubürgermeister Oliver Martini die Pläne für das Sanierungsgebiet „Bahnhof-Schlachthof“ vorgestellt, für das er gute Chancen sieht, in das Städtebauförderprogramm „Soziale Stadt“ des Bundes und der Länder aufgenommen zu werden.
Um die Bürger frühzeitig zu beteiligen, wurden bereits über 1400 Bewohner und 330 Betriebe angeschrieben. „Es geht nicht nur um Wohnen, sondern urbanes, kreatives Leben soll Entwicklungschancen erhalten“, erklärt Schreiner. Nicht nur die Zahl der Arbeitsplätze ist in Offenburg angestiegen, sondern auch die der Einwohner, weshalb die Stadt die gleichen Probleme hat wie viele in Südbaden: Der Wohnraum ist knapp, vor allem an günstigen Wohnungen mangelt es. Im sozial geförderten Wohnungsbau sind nur die Wohn- und Stadtbau Offenburg, die Gemibau und die Offenburger Wohngenossenschaft aktiv.
Schreiner hofft deshalb angesichts der nun feststehenden Großen Koalition auf ein „Signal aus Berlin“ und neue Programme, die es auch für private Bauträger attraktiv machen, in diesem Bereich zu investieren. Da vor allem günstige und kleine Wohnungen Mangelware sind, steht der Geschosswohnungsbau derzeit im Vordergrund. Nach einer Wohnungsmarktstudie werden in Offenburg bis zum Jahr 2030 insgesamt 5200 neue Wohneinheiten benötigt. Da bereits 2300 in der Entstehung sind, sieht Schreiner die Stadt in dieser Hinsicht auf einem guten Weg. Abgesehen davon, dass auch immer mal wieder neue Baugebiete ausgewiesen werden müssten, stehe die Innenentwicklung im Vordergrund, zu der das Spinnereiareal, die Fläche der Kronenbrauerei und die Kronenwiese zählen. In diesem Zusammenhang wurde im vergangenen Jahr auch das Siedlungs- und Innenentwicklungsmodell (SIO) verabschiedet, bei dem es darum geht, wie die Baulandentwicklung – ausschließlich für Wohnbau – gestaltet werden soll. Die Verwaltung hat letztlich acht Flächen ausgewählt, auf denen bis 2025 gebaut werden soll.
Ausgebaut wurde in den vergangenen Jahren auch das Übernachtungsangebot, das derzeit insgesamt bei 700 Betten liegt, für die im Jahr rund 137.000 Übernachtungen gezählt werden. Bei einer durchschnittlichen Aufenthaltsdauer von 1,6 Tagen liegt der Schwerpunkt auf Tagestouristen und Geschäftsreisenden. Im Gegensatz zu manchem Gastgeber war für Schreiner „das Hotelaufrüsten notwendig“, denn vor allem bei Messen hätten Besucher teilweise in sehr weitem Umkreis einquartiert werden müssen. „Es haben Kapazitäten gefehlt“, sagt die OB. Auch manche Segmente seien nicht abgedeckt gewesen, deswegen begrüßt sie ausdrücklich das Design-Hotel Liberty, das im vergangenen Jahr im ehemaligen Gefängnis eröffnet wurde.