Der Handwerksbetrieb Karosseriebau Drescher in Hinterzarten lässt alte Autos neu erstrahlen und erweckt sogar ausgestorbene Rennwagen wieder zum Leben. Ein Besuch in der Werkstatt, in der Oldtimerträume wahr werden.
VON ANNA-LENA GRÖNER
Die Straße wird holpriger und schlängelt sich schmal den Berg hoch. Nur vereinzelt tauchen noch Häuser auf. Kein Schild weist darauf hin, dass hier oben, im Erlenbruck 11 in Hinterzarten, eine Meisterwerkstatt steht. Dass hier Autos entstehen, die es oft kein zweites Mal gibt. Dass hier ein vom Aussterben bedrohtes Handwerk betrieben wird. „Wir sind klein und wollen klein bleiben“, sagt Benjamin Drescher, Karosseriebauermeister und einer von drei Geschäftsführern der Firma Karosseriebau Drescher.
„Wir sind irgendwo im Schwarzwald auf dem Berg, aber wer uns finden will, findet uns.“ Sobald die Türe zur Werkstatt aufgeht, sieht man: Der Meisterbetrieb wird gefunden – Benjamin Drescher und sein Team haben genug zu tun. In jeder Ecke steht eine silbern-matt-glänzende Karosserie aus Stahlblech oder Aluminium, Oldtimer, die teil- oder kernrestauriert werden und Wagen aus einer motorenklappernden Rennsport-Vergangenheit, die nur anhand von Fotos und vorhandener Eckdaten rekonstruiert werden.
Unter Oldtimer-Fans ist die Drescher-Arbeit längst bekannt und geschätzt. Die Kunden kommen aus ganz Deutschland, der Schweiz und Österreich. Neuestes Projekt ist die Komplettrestauration eines Maybach SW 38. Aluminium und Magnesium kommen zum Einsatz. „Die Zierleisten aus Messing werden später verchromt“, erklärt Benjamin Drescher.
1000 bis 1600 Arbeitsstunden
„Früher war es wichtig, dass solche Autos fahren, heute ist der Anspruch an die Restauration gestiegen. Es geht um Prestige und um gut ausgeführtes Handwerk.“ Für ihn seien vor allem Autos vor dem Ersten Weltkrieg faszinierend. Sowohl die Technik, aber auch der typische Aufbau mit einem Holzgerippe, auf das später die Verkleidung kommt, beeindrucken ihn. „Solche Konstruktionen stammen noch aus dem Kutschenbau.“
Gleich im Eingangsbereich werkelt Meister und Geschäftsführer Robert Krause an einer beeindruckenden Sonderanfertigung. Die grobe Vorlage dazu ist ein alter Ford Model A. Mit insgesamt 5,30 Metern entsteht hier ein wesentlich längerer Schlitten. Auch das Armaturenbrett und die Sitze sind eine Sonderanfertigung. „Da der Kunde Pilot ist, sinddas kleine Highlights, die er gewünscht hat. Die Sitze sind so genannte Bomber Seats wie im Flugzeug“, sagt Benjamin Drescher.
Für solche speziellen Anfertigungen wie auch für Rekonstruktionen brauchen er und sein Team gute ein bis anderthalb Jahre und investieren rund 1000 bis 1600 Arbeitsstunden. Das hat seinen Preis, über den man aber nicht spricht. Und gut Ding braucht Zeit, die man sich in Hinterzarten gerne nimmt.
Ein Vorteil, den man als kleiner Familienbetrieb genieße, sagt Benjamin Drescher. „Wir können auf alle Details achten. Die wenigen großen deutschen Karosseriebauer müssen deutlich schneller fertig werden.“ Das größte Problem für den eigenen Betrieb: Mitarbeiter finden. Karosseriebauer ist ein aussterbender Beruf, gute Mitarbeiter selbst auszubilden und zu halten daher das große Ziel.
Alte Maschinen, neues Know-how
Benjamins Vater Hubert Drescher hat die Firma 1984 als Ein-Mann-Betrieb gegründet, heute sind drei Meister, ein Geselle und ein Lehrling in der Werkstatt zugange. Hier arbeiten sie ausschließlich mit alten Maschinen, wie einem englischen Rad, einer Eckold aus den 80er Jahren oder auch ganz einfach mit Sandsack und Holzhammer, um die Bleche zu bearbeiten.
An einem Spanten-Gerüst liegt der Kotflügel für die Rekonstruktion eines Mercedes S40 K auf. „Das funktioniert ähnlich wie beim Schiffsbau“, erklärt Benjamin Drescher. „Das Blech wird direkt auf die Holzvorlage aufgezogen und am Ende können wir den fertigen Kotflügel von den Holzspanten abnehmen.“ Wie der Wagen später einmal aussehen soll, verraten große Bilder und Vorlagen, die an der Wand hängen: ein Rennwagen in Leichtbauweise, den es so nirgends mehr gibt.
Auftraggeber ist das Mercedes-Benz-Museum in Stuttgart. Neben dem Porsche-Museum ein wichtiger Kunde für den Schwarzwälder Karosseriebauer. Einige der dort ausgestellten, historischen Autos entstanden in der Hinterzartener Werkstatt. Mit der Arbeit für das Mercedes-Museum hatte damals für Hubert Drescher alles angefangen, vor etwa 15 Jahren kam Porsche dazu.
Einmalige Oldtimer
Heute hielten sich die Museumsarbeiten mit den privaten Aufträgen die Waage. Der Turbo für das Karosseriegeschäft kam laut Hubert Drescher im Jahr 1996 mit dem Restaurationsauftrag des berühmten Mercedes 300 SLR mit der Startnummer 722. Der Rennwagen wurde 1955 von den Rennfahrerpiloten Stirling Moss und Denis Jenkinson beim legendären Mille Miglia in Italien gefahren und etablierte den Begriff „Silberpfeil“, der bis heute synonym für Mercedes-Rennwagen verwendet wird.
1996 verunfallte der 722er auf der Daimler-eigenen Versuchsstrecke in Stuttgart-Untertürkheim, die Arbeit von Hubert Drescher war gefragt. Er verarbeitete erstmalig Magnesium für die Karosserie, sein Handwerk überzeugte erneut. „Heute sind wir eine der wenigen, die noch mit Magnesium arbeiten“, sagt der Geschäftsgründer.
Die größte Herausforderung in seiner Karosserie-Karriere sei jedoch ein Nachbau des Lohner-Porsche „Semper Vivus“ im Jahr 2011 gewesen. Ferdinand Porsche ertüftelte das Originalgefährt 1902. Die Besonderheit: der erste serielle Hybrid-Antrieb wurde hier eingesetzt. Für den Nachbau eine unglaubliche Tüftlerarbeit, da lediglich drei Fotos und wenige Eckdaten zum Original existierten. Hubert Drescher legt das Buch auf den Tisch, das ihm damals die spärlichen Informationen vermittelte. „Das Auto funktionsfähig wieder aufzubauen war die große Herausforderung“, sagt er.
Der Strom wurde damals auf elektro-mechanische Art geregelt und nur mit Hilfe eines befreundeten Ingenieurs und dessen genauen Berechnungen – die sich über drei DIN-A4 Ordner erstreckten – habe die Technik am Ende funktioniert. Nach zwei Jahren war der „Semper Vivus“ fertig und fuhr. Auf der Porsche-Teststrecke in Weissach, wo sonst vor allem PS-starke Renner unterwegs sind, durfte Benjamin Drescher das 12-PS-Gefährt in die Kurven bringen: „Mit den alten Kutschensitzen war das ein sehr erhabenes Gefühl, da man ganz weit oben sitzt, und dann auf dieser Rennstrecke…“
Ihr Beruf sei etwas ganz Besonderes, sagt Benjamin Drescher. Es falle manchmal nur etwas schwer, die fertigen Oldtimer wieder abzugeben.