Weil immer mehr Menschen eine Brille brauchen, wächst das Geschäft. Zugleich nimmt die Konkurrenz stetig zu. Wie sich das traditionsreiche Freiburger Optikgeschäft Nosch zwischen Filialisten und Onlinehändlern behauptet.
VON KATHRIN ERMERT
Susan Nosch trägt selbst eine Brille. Heute ein zartes, mattgoldenes Metallgestell des dänischen Herstellers Lindberg. Zuhause hat sie ein halbes Dutzend andere Brillen zur Auswahl. Die Juniorchefin von Optik Nosch braucht die Sehhilfe, nutzt sie aber zugleich als modisches Accessoire. Damit unterstreicht die 43-Jährige zwei Branchentrends: Die Nachfrage nach Brillen nimmt zu, und Brillen sind längst mehr als reine Sehhilfe.
Fast zwei Drittel der Erwachsenen tragen laut Optikerverband eine Brille, doppelt so viele wie 1960. Die Auswahl ist heute sehr groß. 4000 Modelle von 50 bis 60 Herstellern führt Optik Nosch, zudem 2000 Sonnenbrillen. Leichte und zugleich robuste Modelle mit Tragekomfort sind beliebt, egal ob aus Metall, Kunststoff, Holz oder sogar aus echtem Horn. Von der Münchner Messe im Frühjahr hat Susan Nosch eine Kollektion mitgebracht, die per Scan und 3D-Druck Brillenfassungen fürs jeweilige Gesicht maßfertigen kann.
Die neue Technologie trifft bei Optik Nosch auf reichlich Tradition. Susan Nosch ist Vertreterin der fünften Generation und die erste Chefin in der Geschichte des Unternehmens, das der Messerschmied und Instrumentenmacher Isidor Nosch 1861 gegründet hat. Das Haus beim Bertoldsbrunnen ist heute der älteste noch bestehende Freiburger Handwerksbetrieb. Wenn sie durch den Laden, die Werkstatt bis zum Büro im vierten Stock führt und von der Entwicklung des Betriebs erzählt, hört man Stolz, aber kein bisschen Dünkel. Susan Nosch erscheint als Chefin auf Augenhöhe, das Verhältnis zu den Mitarbeitern wirkt familiär.
Seit 1865 in der Bertoldstraße
Ihre achtjährige Tochter stiefelt gern durchs Haus, schleift oder feilt in der Werkstatt. Das erinnert Susan Nosch an ihre eigene Kindheit. Auch sie ist so ganz selbstverständlich ins Metier hineingewachsen, ohne Zwang. Nach der Mittleren Reife entschied sie sich für die Ausbildung zur Augenoptikerin, von 2001 bis 2004 absolvierte sie die Meisterschule und teilt sich seither die Geschäftsführung mit ihrem Vater Thomas Nosch. Der wird im Oktober 70 und zieht sich nach und nach aus dem Tagesgeschäft zurück.
Das Haus in der Bertoldstraße, das der Gründer 1865 bezogen hatte, ist heute noch der Hauptsitz. Doch mehr noch verändert wie das Gebäude, das nach dem Krieg neu gebaut wurde, hat sich das Umfeld in der Freiburger Innenstadt. Nosch ist heute flankiert von Gamestores, Handyläden, Donutbuden – und immer mehr Brillengeschäften. In der Freiburger Innenstadt drängeln sich mittlerweile Mr. Spex und Co., weil die Internetanbieter feststellen, dass es schwierig ist, Brillen ausschließlich online zu verkaufen.
„Wir merken das nicht“, sagt Susan Nosch. Zum einen wächst ja die Nachfrage, weil die Menschen älter werden und Kinder häufiger eine Brille brauchen, wenn sie zu viel aufs Smartphone schauen. Zum anderen sprechen die Ketten und Filialisten eine sehr preisbewusste Klientel an. Natürlich probiere manch einer das mal aus. Aber unterm Strich verliere man keine Kunden. Die Strategie – Qualität, Beratung, Kompetenz – funktioniere.
Optiker sind systemrelevant
Konkurrenz, die auf billigeres Angebot setzt, kennt man schon lang. Seniorchef Thomas Nosch hat das Unternehmen 1980 von seinem Vater Rolf übernommen – gerade als der heutige Branchenprimus Fielmann begann, sein Filialnetz aufzubauen. Weil damals die Zuzahlungen der Krankenkassen für Brillen und Kontaktlinsen fast komplett wegfielen, büßten viele augenoptische Mittelständler Marktanteile ein oder gaben ganz auf. Nicht so Nosch: Das Freiburger Optikgeschäft hat stattdessen regional expandiert. Es betreibt mittlerweile zehn Standorte zwischen Kehl und Bad Krozingen.
Natürlich waren die Coronajahre mit ihren Lockdowns nicht leicht. Doch sie haben Nosch auch gestärkt. Optiker wurden als systemrelevant eingestuft, weil die Menschen in den Kliniken und Homeoffices gut sehen können müssen. Der Beruf habe deshalb während der Pandemie an Ansehen gewonnen, sagt Susan Nosch: „Für die Mitarbeitenden ist das wichtig zu wissen, dass sie immer arbeiten gehen können.“
Knapp 30 Menschen beschäftigt das Optikgeschäft in Freiburg, zusammen mit den neun weiteren Standorten etwa 80 insgesamt, darunter zehn Auszubildende. Sie arbeiten fest am jeweiligen Standort. „Die Kunden wünschen gerne feste Ansprechpartner“, erklärt Susan Nosch. Außer der Empfangsdame in Freiburg sind alle Nosch-Beschäftigte Fachkräfte. Die Ausbildung ist, typisch für einen Handwerksberuf, vielfältig. Augenoptikermeister dürfen Augen messen und untersuchen, mit entsprechender Zusatzqualifikation sogar Augenscreenings zur Vorsorge machen.
Akustik ergänzt die Optik
„Die Brille braucht einen Service“, sagt Susan Nosch. Beim jüngsten Umbau vor zwei Jahren ist deshalb noch mehr Platz für Beratung, Anpassung und Werkstatt und eine Cafébar im ersten Stock entstanden. Daneben stehen Tische parallel zu den Fenstern über der Arkade. Dort sitzen die Kunden am liebsten, sagt Susan Nosch. Der Blick auf die Bertoldstraße testet zudem die eigene Fernsicht.
Die Brille steht auch wirtschaftlich im Zentrum des Geschäfts. Sie sorgt für etwa 90 Prozent des Umsatzes. Kontaktlinsen und Hörakustik für den Rest. Letztere bietet Nosch seit 2018 in Freiburg an, als die Kontaktlinsenabteilung ins Nachbarhaus zog. Sie ist im Keller untergebracht, wo keine Hintergrundgeräusche stören. Optik und Akustik sind beides handwerkliche Betriebe, das entspricht dem Selbstverständnis von Nosch: „Wir sehen uns als Handwerker, nicht als Einzelhändler“, sagt Susan Nosch. „Eine Brille kauft man nicht spontan.“ Dass weniger Menschen ins Zentrum kommen, merkt das Unternehmen deshalb nicht so sehr wie viele seiner Nachbarn.