Gemeinsam klappts: Die Stadt Ettenheim wächst mit kommunenübergreifenden Gewerbegebieten und Tourismus-Zusammenschlüssen – und engagiert sich für den Erhalt eines Klinikums in der Region.
Von Daniela Frahm
Auch wenn ein Blick auf statistische Daten anderes vermuten ließe – in Ettenheim geht es beschaulich zu: Die Zahl der Einwohner ist kontinuierlich angewachsen, auch bei den Arbeitsplätzen verzeichnet der 13.000-Einwohner-Ort in der südlichen Ortenau Zuwächse. Nach Ettenheim kommen immer mehr Touristen, die nicht nur durch den nahe gelegenen Europa-Park angezogen werden, sondern auch durch die barocke Altstadt mit ihren Gassen und Fachwerkhäusern. In den vergangenen 20 Jahren ist die Bevölkerung aber um gut 17 Prozent angewachsen, die Zahl der sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplätze sogar um 64 Prozent.
„Dazu muss man sagen, dass wir aus einem tiefen Tal gekommen sind“, erklärt Bürgermeister Bruno Metz (CDU). Etwa zwei Jahre vor seinem Amtsantritt 1995 haben sich zwei der wichtigsten Firmen zurückgezogen, eine Stuhlfirma und die BASF. Die Wirtschaftsförderung sei deshalb von Beginn an einer der Schwerpunkte seiner Arbeit gewesen, berichtet Metz, der nicht ohne Stolz auf den Aufwärtstrend verweist, den er auch als persönlichen Erfolg verbucht. „Die Richtung stimmt“, sagt der Bürgermeister, „trotzdem ist Ettenheim traditionell eher wirtschaftsschwach.“ Das zeigt sich auch daran, dass die Stadtverwaltung mit etwa 200 Beschäftigten der größte Arbeitgeber ist, auf Platz zwei die Heimschule St. Landolin folgt und kurz danach das von der Schließung bedrohte Ortenau-Klinikum Lahr-Ettenheim.
Interkommunales Gewerbegebiet DYNA5 an der Autobahn
Knapp 3000 Arbeitsplätze gibt es mittlerweile in Ettenheim. Zu den größten gewerblichen Arbeitgebern zählen Twenmark Gebäudemanagement, die Bellin GmbH und die Spedition Wildt. Das bereits von der Autobahn sichtbare Pelletwerk mit seinen silbernen Silos ist zwar groß, aber bietet nicht (mehr) viele Arbeitsplätze. Seit der Insolvenz der German Pellets und der Übernahme durch die Firma J. Rettenmaier & Söhne (JRS) aus Rosenberg hat sich die Zahl der Mitarbeiter von ehemals 50 annähernd halbiert. Obwohl es in der Vergangenheit viel Ärger wegen Lärm- und Geruchsbelästigungen durch das Pelletwerk gab und sich eine Bürgerinitiative gebildet hat, ist Metz froh, dass das Werk erhalten geblieben ist und durch ein Familienunternehmen aus Baden-Württemberg betrieben wird. Da die ursprünglich geplante Produktionserweiterung durch den neuen Eigentümer nicht vorangetrieben wird, haben sich auch die Beschwerden der Anwohner reduziert.
Das Pelletwerk liegt im Gewerbegebiet DYNA5, in dem sich auch Trigema, Caravan Ernst und Logistik Bracchi angesiedelt haben. Es gehört den Gemeinden Ettenheim und Mahlberg, die sich die Einnahmen teilen: Ettenheim erhält 58 Prozent, Mahlberg 42. Insgesamt knapp 300 Arbeitsplätze sind in dem Gebiet neu entstanden, rund 70 kommen in nächster Zukunft hinzu, da mehrere Firmen bereits angefangen haben oder planen zu bauen. „Auch wenn es am Anfang schwierig war, empfinde ich es als Erfolgsgeschichte“, sagt Metz. Da die 32 Hektar im DYNA5 im Prinzip alle vergeben sind und das auch für den benachbarten Industriepark gilt, würde er es für sinnvoll halten, die 13 Hektar große mögliche Erweiterungsfläche Rittmatten III ebenfalls zu erschließen. „Das geht aber nur, wenn das alle wollen“, erklärt Metz. Zuletzt gab es jedoch Uneinigkeit über die zweite Offenlage des Bebauungsplans für das interkommunale Gewerbegebiet. Es geht dabei vor allem um Lärmprobleme.
Zwei Einzelhändler vergrößern sich und bauen neu
Als „richtige Entscheidung“ bezeichnete es Metz, dass Industriebetriebe an der Autobahn angesiedelt wurden und Dienstleister und Handel näher an der Innenstadt, im Gewerbegebiet Radackern, in dem die Flächen größtenteils vergeben oder reserviert sind. „Wir bräuchten einen Warenkorb für Gewerbeflächen“, sagt der Bürgermeister, denn er habe schon einigen Betrieben absagen müssen, weil es keine passenden Grundstücke gab. Vor allem für Firmen aus der Baubranche würden dringend Flächen benötigt. Im Gebiet Radackern haben kürzlich auch zwei Ettenheimer Einzelhändler mit Neubauprojekten begonnen. Beim seit 1854 ansässigen Radhaus Schulz gab es im Juni den ersten Spatenstich für ein neues Geschäft, in das auch das Lager integriert werden kann. Bisher hatte es 160 Quadratmeter Ladenfläche in der Innenstadt und zusätzliche Lagerräume. Der Umzug ist für Anfang 2019 geplant. Noch in diesem Herbst will das Modehaus meierfashion sein neues Geschäft eröffnen, in dem bisherigen Laden in der Altstadt läuft schon jetzt der Räumungsverkauf.
Das mittelständische Familienunternehmen mit Sitz in Rheinhausen konnte bislang auf 400 Quadratmetern im Stadtzentrum nur Damenmode anbieten und wird im neuen Haus auf der doppelten Fläche das gesamte Sortiment inklusive Herrenabteilung abdecken. Bürgermeister Metz sieht das „mit einem lachenden und einem weinenden Auge“, weil er sich zwar freut, dass beide Händler dem Ort erhalten bleiben, andererseits aber „zwei Aktivposten in der Innenstadt fehlen werden“. Er ist trotzdem zuversichtlich, dass die Läden wieder vergeben werden. Die Innenstadt mit ihren Geschäften und Wohnungen zu stärken, gehört auf seine Prioritätenliste, auch wenn er und Mitarbeiter der Stadtverwaltung dabei von einer kleinen Gruppe regelmäßig Gegenwind bekommen, bis hin zu Anzeigen und Gerichtsverfahren.
Die Bürgerinitiative Altstadt ärgert sich vor allem über die Verkehrssituation und Lärmbelästigungen durch die ihrer Meinung nach zu hohe Anzahl an Veranstaltungen wie After- Work-Partys, Konzerte und Märkte. Die meisten Anwohner sehen das aber positiv und tragen das mit“, sagt Metz, „die Innenstadt muss ein Treffpunkt und Ort für kulturelle Veranstaltungen bleiben.“ Er sei darüber auch im Austausch mit dem Gewerbeverein „Unternehmen Ettenheim“. Außerdem soll das Stadtmarketing vorangetrieben werden, es gibt auch Überlegungen, einen sogenannten „Kümmerer“ einzusetzen.
Denkmalgeschützte Innenstadt – Rekord bei Übernachtungen
Die Altstadt, die als Gesamtanlage unter Denkmalschutz steht, soll sowohl für Einheimische als auch für Touristen attraktiv bleiben. Sie ist neben dem nahe gelegenen Europa-Park, den Weinbaubetrieben und der Natur ringsherum, unter anderem dem Naturschutzgebiet Taubergießen, ein Anziehungspunkt für Gäste aus dem In- und Ausland. Die Übernachtungszahlen sind im vergangenen Jahr erneut angestiegen und haben einen Rekord erreicht. Nach Angaben der Stadtverwaltung sind mehr als 26.000 Gäste gekommen, und mit 89.000 Übernachtungen wurde ein Plus von 1,5 Prozent verzeichnet. Vor allem der Campingplatz Oase legte deutlich zu. In den vergangenen zehn Jahren stieg die Zahl der Übernachtungen um rund 40 Prozent, fast jeder dritte Gast kommt aus dem Ausland, berichtet Astrid Hensle von der Tourist-Information.
Auch zu Beginn dieses Jahres habe sich der Trend bei den Übernachtungszahlen fortgesetzt. Um auch noch die durchschnittliche Aufenthaltsdauer von 2,7 Tagen zu verlängern, sind einige Projekte geplant, zu denen beispielsweise ein multimedialer Stadtrundgang gehört. „Der Europa-Park hilft uns, das steht außer Frage“, sagt Metz, „aber wir arbeiten daran, dass die Gäste auch noch ein paar Tage bei uns dran hängen oder wiederkommen.“ Deutschlands größter Freizeitpark wird aber weiterhin ein bestimmender Faktor bleiben. Zusammen mit 18 weiteren Städten und Gemeinden hat sich Ettenheim zur Region Europa-Park zusammen-geschlossen, die mittlerweile vom Buchungsangebot HRS Destination Solutions vermarktet wird. Das habe zu einer Professionalisierung beigetragen und auch weitere positive Auswirkungen gehabt, erklärt Metz. Gastgeber wurden und werden geschult und es wurde ein Arbeitskreis für die Touristiker aus den verschiedenen Orten gegründet, in dem sich auch der Europa-Park engagiert. Und obwohl der Park selbst ständig neue Hotels errichtet, scheint auch die Nachfrage im Umfeld weiterhin hoch zu sein.
Vier Anfragen für Hotelprojekte, zwei von Ketten und zwei von Familienbetrieben, liegen dem Ettenheimer Bürgermeister vor, der optimistisch ist, dass mindestens zwei davon auch umgesetzt werden. Metz betont nicht nur im Zusammenhang mit dem Tourismus auch die Rolle der Weinbaubetriebe, die auch wirtschaftlich wichtig seien und zur Identifikation der Bewohner mit ihrer Stadt beitragen würden. 240 Hektar Weinbaufläche gibt es auf Ettenheimer Gemarkung. Das Weingut Weber und das Weingut Bieselin haben in den vergangenen Jahren in eine Modernisierung investiert und organisieren regelmäßig Veranstaltungen, zu denen nicht nur Einheimische kommen.
Stadtbau Ettenheim im Januar gegründet
Auch als Wohnort ist Ettenheim attraktiv und hat deshalb ähnliche Probleme wie andere Städte und Gemeinden in Südbaden: Die Nachfrage nach Bauplätzen ist größer als das Angebot. Nachdem vor einigen Jahren auch Auswärtige die Chance auf Wohneigentum hatten, hat der Gemein- derat mittlerweile einen Kriterienkatalog verabschiedet, der Einheimischen bei der Vergabe den Vorzug gibt. Da es auch an bezahlbarem Wohnraum mangelt, hat die Stadt Anfang des Jahres die „Stadtbau Ettenheim“ gegründet. Sie hat bereits zwei Gebäude für Flüchtlinge errichtet und in Ettenheimweiler sind zwei Mehrfamilienhäuser geplant. „Unser Ziel sind etwa 100 Wohnungen in fünf Jahren“, kündigt Metz an.
Aber auch wenn das vom Land gefördert werde, müsse die Stadt dafür Schulden aufnehmen. Bis 2021 sollen zudem insgesamt fünf Baugebiete erschlossen werden, dazu kommen die Innenentwicklung und die Umnutzung von Gebäuden und Flächen. So baut die Firma Alfons Bonk auf dem ehemaligen Gelände der Spedition Wildt den „Wohnpark Kreuzerweg“ mit rund 100 Wohnungen. Im Neubaugebiet Supperten I wird bereits ein Kindergarten errichtet, dort sind auf einem Hektar Geschosswohnungsbau und Einfamilienhäuser vorgesehen. Erschließungsarbeiten laufen derzeit für das Neubaugebiet Klein-Münchberg, wo auf 1,7 Hektar 26 Bauplätze in gehobener Lage entstehen sollen. Wie überall in der Region gibt es auch in Ettenheim regelmäßig Diskussionen über Neubaugebiete, weil dadurch Flächen versiegelt werden. „Mir sind Wiesen auch lieber als Straßen“, sagt Metz, „aber das Wort Flächenfraß ist in meinen Augen ideologischer Quatsch.“
Wenn sich alle beklagen würden, dass es zu wenige Wohnungen gibt, müssten Kompromisse gefunden werden. Daran möchte Metz gerne in den kommenden Jahren weiter arbeiten. Er kündigte Anfang des Jahres an, dass er im Herbst für eine vierte Amtszeit als Bürgermeister kandidieren wird.
Ortenau-Klinik steht vor dem Aus
Gefordert sein wird er dann auch in Bezug auf das Ortenau-Klinikum Lahr-Ettenheim, das derzeit für viele Diskussionen im Ort und in der Region sorgt. „Das Thema belastet mich am meisten, und ich hoffe auf eine gescheite Lösung“, sagt Metz. Die Zeichen stehen allerdings auf Schließung, obwohl sich über 20.000 Menschen aus der gesamten Region mit ihrer Unterschrift für das Krankenhaus eingesetzt haben. Initiatoren der Klinikinitiative LEBEN sind Bruno Metz, Kai-Achim Klare (Bürgermeister von Rust), Thomas Breyer-Mayländer (Prorektor der Hochschule Offenburg) und der ehemalige baden-württembergische Kultusminister Helmut Rau, der die Unterschriften an den Ortenauer Landrat Frank Scherer übergeben hat.
Er findet, „dass Ettenheim eine faire Chance verdient hat, sich mit den Elementen Grundversorgung und Spezialleistungen, welche keine Hochspezialisierung von Ärzten und Geräten erfordern, und in einer Portalfunktion in Richtung Süden zu entwickeln“. Auch Klare hält das Krankenhaus für „unabdingbar für die Gesundheitsversorgung im ländlichen Raum und die wohnortnahe Versorgung der Menschen“. Ein Strukturgutachten empfiehlt jedoch, dass die Ortenau-Klinik nur noch vier statt bisher neun Standorte haben soll – in Offenburg, Lahr, Wolfach und Achern. Der Krankenhausausschuss des Kreistages möchte deshalb bis 2030 die Standorte Oberkirch, Kehl und Ettenheim schließen, beziehungsweise sie als Gesundheitszentren mit Portalfunktion und als Notarzt/Notfallstandorte weiterführen.
Der Klinik in Ettenheim soll aber bis 2025 noch eine „Bewährungschance“ eingeräumt werden. Diese wollen der Förderverein des Kreiskrankenhauses, die Klinikinitiative LEBEN und auch der Bürgermeister so gut wie möglich nutzen. Nicht nur wegen der rund 150 Arbeitsplätze sei das ein ganz wichtiges Thema, bekräftigt Metz, der Zweifel an dem Gutachten hegt. „Niedergelassene Ärzte wachsen aus kleineren Häusern heraus“, ist der Bürgermeister überzeugt und will deshalb weiter für die Klinik kämpfen.
Das Besondere: Wein und Walnüsse
Das Weingut Weber hat im Offental nicht nur architektonisch durch seinen Neubau Akzente gesetzt, es besitzt auch die nach eigenen Angaben größte private Walnussplantage in Südbaden. Die ersten der 450 Walnussbäume wurden bereits 1950 angepflanzt. Im Herbst werden die frisch geernteten Walnüsse verkauft, im Restaurant gibt es dann hausgebackenes Bauernbrot mit Walnuss, außerdem macht Senior- Chefin Margot Weber daraus Walnuss- Likör und den „Trüffel Badens – Schwarze Walnuss“, der schon Ende Juni geerntet und eingekocht wird. Das Weingut bietet auch einstündige Führungen durch den Walnussgarten mit Likörverkostungen an.