Das Freiburger Start-up Pitchview bringt eine neue Anwendung auf den Markt, die Vertrieblern während und nach Corona das Verkaufen erleichtert.
VON CHRISTINE WEIS
Keine Messe, kein Kundenbesuch – stattdessen Homeoffice und Onlinemeeting. Die Pandemie krempelt die Arbeitsweise von Vertrieb und Außendienst völlig um. Produktvorstellung, Beratung, Akquise im Onlineformat haben technische Tücken und menschlichen Mankos. Geteilte Bildschirme sorgen eher nicht für geteilte Aufmerksamkeit.
In Videokonferenzen mit Zoom und Co. kosten technische Ruckler Zeit und Nerven. Das Freiburger Start-up Pitchview hat hier ein Marktpotential erkannt und eine App entwickelt, die die virtuelle mit der analogen Welt optimiert zusammenbringt – und trotz Corona Kundennähe ermöglicht. Pitchview Projector heißt die App, die seit Ende Januar auf dem Markt ist. Vereinfacht gesagt, ist sie ein Handwerkzeug für die Kundenberatung auf Abstand. „Die Stärke der Akteure im Außendienst und Vertrieb liegt in der Kommunikation“, sagt Geschäftsführer Frederic Sell, „unser Tool hilft, Gespräche gut zu führen“.
So funktioniert die App „Projector“
Der Kunde erhält einen Zugangscode und teilt synchron – während er mit dem Vertriebler telefoniert oder auch auf Abstand persönlich spricht – die Inhalte, die sein Gegenüber ihm zeigt, etwa Produkte oder Referenzprojekte auf sein Endgerät. Diese Displays-Präsentationen laufen in einem schön gestalteten Rahmen der Marke und nicht auf unaufgeräumten Bildschirmen oder Zoom-Fensterchen, auf dem die Zimmerpflanzengalerie im Hintergrund die Blätter streckt.
Den Prototyp hat Pitchview in Zusammenarbeit mit einem großen Kunden aus der Pharmabranche entwickelt. „Den Anwendern ist wichtig, dass es einfach zu bedienen und die Hürde für Kunden niedrig ist. Dass kein Programm installiert werden muss, keine Ladezeiten entstehen oder eine schnelle Internetverbindung notwendig ist“, sagt Sell.
Eine App-Brücke zwischen Marketing und Vertrieb
Die Zusammenarbeit zwischen den Abteilungen Vertrieb und Marketing ist in vielen Betrieben kompliziert: Auch das zeigen die Erfahrungswerte von Pitchview, hier soll die App interne Abstimmungen verbessern. Konkret kann das etwa heißen: Die Marketing-Abteilung stellt die aktuellen Inhalte auf der Plattform bereit und alle Beteiligten sind auf demselben Stand und können direkt darauf zugreifen.
“Schneller, schlanker, serviceorientiert” lautet das Versprechen. Das hört sich nach einem Erfolgskonzept an, das sich freilich noch nicht messen lässt. Man sei mit Bestandskunden in Gesprächen und sieht in der App großes Potenzial. Content für den Kunden flexibel zu inszenieren, werde immer relevanter. Und auch nach Corona wird es vermehrt virtuelle Messen oder Hybride geben, bei denen physische Messen mit digitalen Technologien kombiniert werden. Auch die hiesige Gesellschaft Freiburg Wirtschaft, Touristik und Messe (FWTM) setzt auf diese Mixformate.
Pitchview musste aufgrund Corona schnell umdenken und entwickelt eine neue App
Messe, das war eigentlich auch das Feld von Pitchview. 2017 gründete der Betriebswirt Frederic Sell zusammen mit dem Informatiker Jonas Reinsch das Start-up. Die beiden Freelancer lernten sich in einem Co-Working-Space kennen. Ihre erste gemeinsame Software-Lösung „Lead-App“ stellten sie im selben Jahr auf der Industriemesse „i+e“ in Freiburg vor. Die App unterstützt gezielt Messe- und B2B-Vertriebsteams beim Erfassen und Weiterverarbeiten von Messe- und Businesskontakten.
Das Geschäft lief gut an. Einer der ersten großen Abnehmer war OBO Bettermann, ein mittelständischer Hersteller von Installationssystemen für die elektrotechnische Ausstattung von Gebäuden und Anlagen in Menden. Das anfängliche Zweierteam ist gewachsen. Dann kamen mit dem Lockdown im letzten März allerdings die Messeabsagen und Sell und Reinsch mussten umdenken. „Die Situation war natürlich belastend, wir reduzierten Kosten und haben einige unserer Räume vermietet. Nach dem ersten Schock rappelten wir uns auf und hatten die Idee zur neuen App“, sagt der 39-jährige Betriebswirt. Die Landesförderung „Start-up BW Pro-Tect“ für krisengeschüttelte Starter aufgrund der Pandemie sorgte für finanzielle Unterstützung. Sie kommt allerdings nur erfolgsversprechenden Kandidaten zugute.
Es gab also einen Pitch, den Pitchview schaffte: Nomen est Omen. Wenn die Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut mit ihrer Prognose richtig liegt, dann können Frederic Sell und Jonas Reinsch zuversichtlich sein: „Besonders aussichtsreiche Gründungsvorhaben, die den Wirtschaftsstandort schon morgen entscheidend mitgestalten könnten, dürfen in dieser Krise nicht verloren gehen“, erklärte die Ministerin zum Hilfsprogramm.