Sie gelten als die Schienen des 21. Jahrhunderts und revolutionieren derzeit den Markt: digitale Plattformen wie Google, Amazon, Uber oder eBay. Mit ihnen hat sich eine neue Form der Wirtschaft entwickelt, die sogenannte Plattform-Ökonomie, bei der die Anbieter von Dienstleistungen und Produkten auf einer Art digitalem Marktplatz mit ihren Kunden zusammentreffen.
Die Betreiber der digitalen Plattformen können auf diese Weise eine enorm große Zahl von Konsumenten ansprechen. Verkauft wird nicht mehr allein ein Produkt, sondern gleichzeitig auch ein Service: So können die Verbraucher auf der digitalen Plattform verschiedene Angebote direkt miteinander vergleichen, erhalten alles aus einer Hand. Im Mittelpunkt der Digital-Ökonomie steht der Kunde mit seinen persönlichen Bedürfnissen, die durch algorithmenbasierte Datenanalysen und künstliche Intelligenz erkannt werden. Das Sammeln und Auswerten von Daten wird zum zentralen Erfolgsfaktor dieses digitalen Geschäftsmodells.
Derzeit sind es wenige Großkonzerne, vorwiegend aus den USA, die den Markt beherrschen. Diese Unternehmen wachsen rasant – daher besteht die Gefahr, dass sich die Monopol-Strukturen verfestigen und nur wenige große Player von der Plattform-Ökonomie profitieren. Doch auch verschiedene deutsche Konzerne haben sich inzwischen zusammengeschlossen und wollen eine einheitliche Online-Plattform schaffen. Allerdings ist das Geschäftsmodell Plattform-Ökonomie unter deutschen Unternehmern zum Teil noch unbekannt, wie der Digitalverband Bitkom in einer Studie 2017 mit rund 500 Befragten ermittelt hat: Mehr als sechs von zehn Geschäftsführern und Vorständen gaben an, dass sie von den Begriffen Plattform-Ökonomie oder digitale Plattformen noch nichts gehört haben.
Gerade kleinere Familienunternehmen können profitieren
Für Familienunternehmen bietet diese neue Form der Wirtschaft ein enorm großes Potenzial, auch im digitalen Zeitalter weiterhin erfolgreich zu sein. Das gilt vor allem für mittelständische Familienunternehmen, gerade auch für die Hidden Champions. So planen seit etwa zwei Jahren immer mehr mittelständische Familienunternehmen, ihre bisherigen eher produktorientierten Geschäftsmodelle in einen Plattformansatz zu überführen. Die Familienunternehmen haben gute Voraussetzungen, um diese digitale Transformation zu bewältigen: Sie bieten Produkte von hoher Qualität an, verfolgen eine langfristige Unternehmensstrategie, weil sie die Firma an die kommende Generation übergeben möchten, und sind erfahren in puncto technologischer Wandel.
Den Start-up-Geist wieder wecken
Kleinere Unternehmen haben allerdings oft nur die Möglichkeit, ihr Geschäftsmodell über die bereits bestehenden Plattformen der großen Player umzusetzen. Denn die erfolgreichen Betreiber der Plattform-Ökonomie wie beispielsweise Amazon oder Ebay beherrschen derzeit den Markt. Sie bieten eine Service-Infrastruktur und Vertriebsplattform an, die eine große Reichweite ermöglichen, und verfügen über ein umfangreiches Partner-Netzwerk. Das sind wichtige Voraussetzungen, um schnell zu wachsen. Diese Strukturen selbst aufzubauen, kostet sehr viel Zeit, die kleinere Unternehmen in der Regel nicht haben. Sie sind auf einen schnellen Marktzugang ihrer Produkte und Services angewiesen. Genau von diesem Abhängigkeitsverhältnis leben die Plattform-Betreiber.
Dennoch versuchen derzeit auch Mittelständler, plattform-orientierte Geschäftsmodelle für eine bestimmte Zielgruppe oder einen Dienstleistungsbereich zu entwickeln, um sich so unabhängig von den bisherigen Plattformbetreibern zu positionieren. Dabei gilt es, möglichst schnell zu sein. Denn momentan entsteht ein Wettrennen um die wenigen verbliebenen Industrie- und Marktbereiche, in denen sich noch keine digitalen Plattformen entwickelt haben. Hinzu kommt, dass Risikokapitalgeber zurzeit bereit sind, viel Geld in Gründerteams und Ideen zur Plattform-Ökonomie zu investieren. Familienunternehmen, die von den neuen Geschäftschancen profitieren wollen, müssen ihren Start-up-Geist wecken. Für sie kann es aber auch sinnvoll sein, mit Start-ups im Bereich der Plattform-Ökonomie Kooperationen einzugehen. Diese sind daran übrigens durchaus interessiert: Eine im Juli veröffentlichte PwC-Umfrage unter 450 deutschen Start-ups hat ergeben, dass die Hälfte der Befragten bereits Kooperationen mit etablierten Unternehmen eingegangen ist – und ebenfalls die Hälfte wünscht sich noch zusätzliche Kooperationspartner aus dem Unternehmensbereich.
Mit Risiken und Hürden rechnen
Beim Aufbau digitaler Plattformen müssen sich Unternehmen allerdings auch auf einige Hindernisse einstellen. Staatliche Regulierungen, Datenschutzbestimmungen und sonstige Auflagen können gerade kleineren Plattformbetreibern Probleme bereiten, da diese oft nicht die finanziellen Mittel haben, die für entsprechende IT-Lösungen notwendig wären. Unverzichtbar ist außerdem ein tiefergehendes Nutzerverständnis, das in kundenzentrierte, individuelle Produkte und Services mündet. Wenn die Unternehmen ihre Angebote nicht mehr vom Kunden aus denken, gefährden sie dessen Akzeptanz. Sie müssen sich ständig neu erfinden, innovativ bleiben und einen leichten Zugang zu ihren digitalen Plattformen ermöglichen, um nicht an Wert zu verlieren.
Die größte Herausforderung für Familienunternehmen ist bei diesem Thema allerdings der Aufbau von Kundenvertrauen im Netz, des „Digital Trust“ sozusagen. Wer Kundendaten nutzen will, muss den Konsumenten verständlich und transparent erklären, dass ihre Daten bei dem Unternehmen sicher aufgehoben sind und damit kein Missbrauch betrieben wird. Wird dieses Vertrauen durch gravierendes Fehlverhalten, Regelverstöße oder gar vorsätzlichen Missbrauch beschädigt, stirbt das digitale Ökosystem sehr schnell ab.
Frank Rechenbach
Director, PwC
Team Südbaden