Die Vergabe der Grundstücke fürs Freiburger Baugebiet Kleineschholz ging mit einigen Überraschungen einher. Eine davon: Für zwei Bauplätze gibt es eine zweite Runde. Ob die leer ausgegangenen Bewerber erneut an den Start gehen, steht nur zum Teil fest.
Text: Susanne Maerz
Ausgerechnet die Wohngenossenschaft Esche, die sich bereits vor rund fünf Jahren mit dem Ziel gegründet hatte, in Kleineschholz dauerhaft bezahlbaren Wohnraum zu schaffen, ging in der ersten Runde leer aus. Ebenso erging es dem, allerdings nicht für seine Gemeinwohlorientierung bekannten, Freiburger Projektentwickler Peter Unmüßig, der gemeinsam mit Johannes Ruf, dem Betreiber der Beckesepp-Märkte mit Firmensitz in St. Peter, ins Rennen gegangen war. Auch weitere weniger bekannte Initiativen, vor allem aus Freiburg, wurden vom städtischen Auswahlgremium abgelehnt.
Am Rande des Freiburger Stadtviertes Stühlinger sollen in den nächsten Jahren in vier- bis achtgeschossigen Gebäuden rund 500 Wohnungen für etwa 1300 Menschen entstehen. Im Dezember 2023 fand der Spatenstich statt. Vergangenes Frühjahr startete die Bewerbungsphase für 13 Baugrundstücke, und im Dezember stimmte der Gemeinderat darüber ab.
Insgesamt hatten sich Akteure mit 27 Projekten auf eines der Baugrundstücke beworben. 24 von ihnen kamen in die nähere Auswahl. Den Zuschlag für jeweils ein Baugrundstück erhielten „elf Projekte, wie sie unterschiedlicher nicht sein könnten“, sagte Oberbürgermeister Martin Horn bei deren Vorstellung im Dezember. Allesamt sozial, inklusiv und gemeinwohlorientiert, viele davon in Holzbauweise, der Wohnraum soll zu 65 Prozent sozial gefördert und damit denen vorbehalten sein, die sich die marktüblichen Mieten nicht leisten können. Horn betonte: „Wir dürfen eine Prise stolz sein.“
Denn angesichts der explodierten Baukosten und gestiegenen Zinsen war nicht abzusehen gewesen, wie viele der Initiativen mit ihren angekündigten Projekten tatsächlich ins Rennen gehen würden. Ob die in der ersten Runde erfolgreichen letztendlich auch bauen werden, steht noch nicht fest. Ein Jahr lang sind die Grundstücke nun für die jeweiligen Akteure reserviert. Diese haben so lange Zeit, ihre Konzepte zu finalisieren, Bauanträge zu stellen und die Finanzierung zu sichern. Parallel dazu bereitet die Stadt die Kaufverträge vor. Baustart ist für 2026 geplant.
Regionale und überregionale Initiativen erfolgreich
Unter den elf erfolgreichen Projekten stehen bekannte wie neu formierte lokale sowie bundeweite Akteure. Zu Letzteren zählen die Gemeinschaftsstiftung Kolpingwerk, die ein Azubiwohnheim mit sozialpädagogischer Begleitung plant, und die Aktion Mensch, die zusammen mit der Freiburger Genossenschaft Oekogeno ein inklusives, generationenübergreifendes Wohnprojekt mit Café und den dafür nötigen Büroflächen umsetzen will.
Gleich drei Projekte, die unter dem Dach des Freiburger Mietshäusersydikats gebündelt sind, erhielten ebenfalls den Zuschlag. Mal sollen sozial benachteiligte oder geflüchtete Menschen ein neues Zuhause finden, mal ältere Menschen, mal kommt ein Biodiversitätskonzept dazu. Gewerbliche Räume und eine Werkstatt sind ebenfalls vorgesehen. Auch zwei Projekte, die unter der fürs Quartier sehr engagierten Dachgenossenschaft „Wohnen für Alle“ erfolgreich waren kamen zum Zug: Die Vereine Life Lab und Wolke entwickelten Konzepte, die eine Mitarbeitenden- beziehungsweise Pflege-WG beinhalten.
Baubürgermeister Martin Haag freute sich über die „gute Durchmischung“. Unter den 350 Wohnungen, die die elf Akteure gemeinsam schaffen wollen, seien kleine und große, ebenso Gewerbeflächen. Auch Barrierefreiheit und Ökologie hätten eine große Rolle gespielt.
Überraschend leer ausgegangen
Umso überraschender war, dass die im Vorfeld ebenfalls sehr aktive Genossenschaft Esche leer ausging und zwei Grundstücke gar nicht vergeben wurden – ein Achtgeschosser am Rande und ein zentral am Quartiersplatz gelegenes Areal mit Supermarkt im Erdgeschoss. „Zwei nicht ganz einfache Grundstücke“, wie der Baubürgermeister einräumte. Woran lag’s? Es habe keine Angebote gegeben, die die formalen Kriterien zu 100 Prozent erfüllt hätten. Zu den einzelnen Bewerbern äußerte sich Haag nicht.
„Wir waren eigentlich ziemlich sicher, dass wir zum Zuge kommen“, sagte Hubert Hoffmann, Vorstand der Wohngenossenschaft Esche. Die Enttäuschung unter den rund 260 Mitgliedern sei daher groß gewesen. Nach den Vorgesprächen mit der Stadt habe man gedacht, das Konzept passe. Aber wahrscheinlich habe man zu viel gewollt. Die Genossenschaft seien die Einzigen gewesen, die sich mit einem großen Projekt mit Platz für 60 Wohnungen auf zwei Grundstücke beworben habe.
Mit drei verschiedenen Projekten für drei unterschiedliche Grundstücke war der Freiburger Unternehmer Peter Unmüßig ins Rennen gegangen. Für viele überraschend, da er mit seiner Unmüssig Bauträgergesellschaft Baden naturgemäß profitorientiert wirtschaftet. Das sollte diesmal anders sein. „Meiner Familie ging es dabei nicht um Rendite, sondern um sozialpolitisches Engagement“, sagt Unmüßig. Man wäre auf null herausgekommen. Auf einem Grundstück wollte Unmüßig in Absprache mit mehreren Sozialunternehmen Personalwohnungen für diese schaffen, auf einem anderen Wohnraum für sozial Benachteiligte. Auf dem dritten Abschnitt plante er gemeinsam mit Beckesepp-Chef Johannes Ruf ebenfalls Personalwohnungen sowie einen Supermarkt, in dem behinderte Menschen noch genießbare Lebensmittel, die aber das Mindesthaltbarkeitsdatum überschritten haben, verkaufen. Die Wohnungen sollten allesamt gefördert sein, die Mieten zu 40 Prozent unter dem Mietspiegel liegen und dies 50 Jahre lang.
Keines der drei Projekte erhielt jedoch einen Zuschlag. „Das wundert mich“, sagte Unmüßig. Schließlich wolle er zum einen dazu beitragen, bezahlbaren Wohnraum unter anderem für dringend benötigte Mitarbeitende in der Pflege schaffen, die sich in Freiburg kaum marktübliche Mieten leisten könnten. Zum anderen sei es ihm ein Anliegen, der politischen Fehlerkultur entgegenzuwirken, die dazu führe, dass noch verzehrbare Lebensmittel vernichtet werden. „Es ist ein Lackmustest zu sehen, dass ideologische Kriterien verhindern, dass sozial Benachteiligten geholfen wird“, sagte Unmüßig mit Blick auf die Vorgaben der Stadt.
Neue Chance für die zwei verbliebenen Grundstücke
Und nun? Für die zwei freien Grundstücke ist das Rennen wieder offen. Oberbürgermeister Horn ermunterte die Akteure der 16 Projekte, die in der ersten Runde nicht zum Zuge kamen, es erneut zu versuchen. Dies ist bis zum 17. Februar möglich. Ob im Rathaus bereits Bewerbungen eingetroffen sind, dazu wollte sich Pressesprecherin Martina Schickle Mitte Januar nicht äußern und verwies auf das laufende Verfahren. Sie sagte jedoch: „Für beide Grundstücke gab es bereits im Vorfeld Interessensbekundungen.“
Zu denen, die sich um eines der zwei übrigen Grundstücke bewerben werden, gehört die Genossenschaft Esche. „Wir machen auf jeden Fall weiter“, sagte Vorstand Hoffmann bereits im Dezember. Für die Esche komme aber nur der Achtgeschosser infrage. Dafür wollen sich die Genossen nun mit dem alten, jedoch angepassten Konzept bewerben: nur noch rund 40 Wohnungen, eine betreute Wohngemeinschaft, jeweils ein bis zwei Wohnungen, die sich für Menschen mit Autismus oder im Rollstuhl eignen, sowie eine Fahrradwerkstatt und kleine Gastronomie im Erdgeschoss. Hoffmann und seine Mitstreitenden sind optimistisch, dass es diesmal gelingt. Schließlich sei man gemeinwohlorientiert und erfülle die Kriterien.
Ob auch die Unternehmer Peter Unmüßig und Johannes Ruf wieder an den Start gehen, stand bei Redaktionsschluss indes noch nicht fest. Der Beckesepp-Chef sagte, man überlege noch und erklärte: „Natürlich sind wir von unserem Konzept überzeugt, und ich glaube auch, dass wir damit eine sehr hohe Gemeinwohlorientierung erreichen – mehr als von der Stadt Freiburg gefordert wurde.“ Unmüßig betonte, er müsse sich noch mit seinen Mitarbeitern beratschlagen. „Wenn uns die Stadt darum bittet und ein vernünftiger Diskurs ohne Formalien, die die Nächstenhilfe schlagen“, möglich sei, dann stehe dem aber nichts entgegen.
Wer auch immer den Zuschlag erhält: Baubürgermeister Haag geht davon aus, dass die zwei offenen Grundstücke etwa mit einem halben Jahr Verzögerung vergeben werden können. Das wäre Mitte des Jahres.
Naturgemäß schneller voran geht es bei den Grundstücken, die die Freiburger Stadtbau selbst bebaut und daher direkt vergibt: Das Büro Netzwerkarchitekten aus Darmstadt erhielt mit seinem Entwurf den Zuschlag für eines der beiden Grundstücke, die MBPK Architekten und Stadtplaner aus Freiburg für das andere. Rund 50 Wohnungen, darunter geförderte sowie Personalwohnungen, sowie eine fünfgruppige Kita sollen dort entstehen. Die weiteren Planungen folgen in diesem Jahr, bis Ende 2028 sollen die Gebäude fertiggestellt sein.