So schnell war der Generationswechsel nicht geplant. Christopher Schäfer ist im April ins Unternehmen seines Vaters Stefan Schäfer eingestiegen, nachdem dessen Kompagnon völlig unerwartet gestorben war. Nach drei Jahrzehnten stellt sich das Emmendinger Bauunternehmen Dürrschnabel nun neu auf.
Text: Kathrin Ermert
Wenn ein 63-Jähriger eines Morgens nicht mehr aufwacht, weil sein Herz in der Nacht aufgehört hat zu schlagen, ist das traurig und tragisch für die Angehörigen. Bei Selbstständigen kommt noch eine weitere Dimension hinzu: die Sorge ums Unternehmen. Am ersten Freitag im Februar verabschiedete sich Markus Keune wie üblich ins Wochenende, kam am folgenden Montag aber nicht zurück ins Büro. Sein Kompagnon Stefan Schäfer musste die Leitung ihrer gemeinsamen Firmengruppe Dürrschnabel adhoc allein übernehmen und auch alle laufenden Projekte von Markus Keune. „So was will ich nicht nochmal erleben“, sagt Stefan Schäfer beim Gespräch Mitte Oktober. Neben ihm im Besprechungsraum des Firmengebäudes in Emmendingen sitzt sein Sohn Christopher und hört zunächst zu, während der Vater erzählt, wie Markus Keune und er gemeinsam das Unternehmen gründeten.
Beide stammen aus Bauunternehmerfamilien: Stefan Schäfers Vater führte einen Betrieb in der Nähe der Freiburger Eishalle, Markus Keune ist der Sohn von Walther Keune, dessen gleichnamige Tiefbaufirma mittlerweile zu Vogel-Bau zählt. Sie kannten sich von daheim, trafen sich beim Studium in Karlsruhe wieder und übernahmen 1995 zusammen die Firma Dürrschnabel Komplettbau. Die war seinerzeit eine Größe in der Branche, infolge einer Übergabe aber in Schwierigkeiten geraten. Stefan Schäfer und Markus Keune stellten den guten Ruf des Bauunternehmens wieder her. Der Fokus lag viele Jahre auf Industriebau, später realisierte Dürrschnabel auch zahlreiche große Wohnbauprojekte in und um Freiburg. Je nach Nachfrage verschob sich der Schwerpunkt in die eine oder die andere Richtung. Ein renommierter Name auf der Referenzliste ist die Firma Sick. Für den Waldkircher Sensorenhersteller hat Dürrschnabel bereits mehrere Projekte abgeschlossen und realisiert derzeit den rund 30 Millionen Euro teuren Neubau. Das war Markus Keunes Zuständigkeit, während Stefan Schäfer sich um andere Gewerbe- und Wohnbauprojekte kümmerte. Anfang Februar war er plötzlich für alles verantwortlich.
„Wenn man weiß, dass man aus fachlicher Sicht helfen kann, steht man in der Pflicht.“
Christopher Schäfer
Er hätte es zwar irgendwie geschafft, das ganze Projektvolumen abzuwickeln, nicht aber parallel den kompletten Betrieb mit den beiden Schwester- und Tochterfirmen aufrechtzuerhalten, sich ausreichend um die Kunden sowie um die rund ein Dutzend Mitarbeitenden zu kümmern und neue Aufträge zu akquirieren, berichtet er. Deshalb bat der Vater seinen Sohn um Unterstützung. Christopher Schäfer hat der Familientradition treu auch Bauingenieurwesen an der Karlsruher Universtität studiert und während des Studiums viel Zeit im Unternehmen seines Vaters verbracht. Er kannte also die Strukturen, die Mitarbeitenden, die Abläufe. Aber ein Einstieg, geschweige denn eine Nachfolge waren noch kein Thema gewesen. Stefan Schäfer ist erst 57, und bei Markus Keune hatte man sich daran gewöhnt, dass er zwar seit vielen Jahren vom Aussteigen sprach, aber stets neue Projekte übernahm. „Er hätte nie aufgehört“, glaubt Stefan Schäfer.
Christopher Schäfer war nach Heidelberg gezogen, seine Freundin arbeitete auch in der Gegend, er hatte gerade erst einen neuen Job angefangen, kurz bevor Markus Keune starb. Das war das Glück im Unglück: Er konnte in der Probezeit sehr kurzfristig kündigen. Der Abschied fiel dem 29-Jährige nicht leicht, aber die Entscheidung war schnell klar: „Wenn man weiß, dass man aus fachlicher Sicht helfen kann, steht man in der Pflicht“, sagt er. Innerhalb eines Monats brach Christopher Schäfer die Zelte am Neckar ab, am 1. April ist er ins Unternehmen eingestiegen und hat die Projekte seines Vaters übernommen, damit dieser sich auf jene von Markus Keune konzentrieren kann.
Bei aller Tragik und allem Stress der zurückliegenden Monate kann Christopher Schäfer diesem Neubeginn Positives abgewinnen. „Es ist eine große Chance, ein Unternehmen in jungen Jahren weiterzuführen“, sagt der Sohn. „Wir stehen jetzt sogar vor neuen Chancen“, ergänzt der Vater. Denn mit dem Junior seien frische Strukturen, neue Denkweisen und -methoden in den Betrieb gekommen, vor allem in puncto Digitalisierung, einem Thema von wachsender Bedeutung in der Baubranche und im Unternehmen. Das helfe bei der Suche nach neuen Mitarbeitenden. In dem elfköpfigen Team, das zum Teil seit dem Dürrschnabel-Neustart vor 30 Jahren an Bord ist, stehen einige Generationswechsel an.
„Mit Christopher in der Geschäftsführung bleiben wir uns der Verantwortung gegenüber der Region bewusst und ein verlässlicher Partner für Bauprojekte jeder Größenordnung in Südbaden“, betont Stefan Schäfer. „Als regional verwurzeltes Traditionsunternehmen blicken wir jetzt in die Zukunft und können als moderner Baupartner den Wandel in der Branche aktiv gestalten“, sagt Christopher Schäfer. So hat die traurige Geschichte, wie es scheint, zumindest für das Unternehmen ein positives Ende gefunden. Und Stefan Schäfer ist froh, dass er es fortführen kann.