Vor wenigen Jahren war Podcast noch ein Nischenmedium. Heute ist er Trend und beschallt die Ohren von Millionen Menschen. Längst ist er auch ein Kanal für Unternehmen. Elena Marzluf und Vanessa Ritter von Audioflow sowie Podcaster Manuel Fritsch über das Potenzial von Podcasts.
VON CHRISTINE WEIS
Sie heißen Fest & Flauschig, Toast Hawaii, Gemischtes Hack oder Mord auf Ex. Sie können zwischen fünf Minuten (Apokalypse & Filterkaffee) oder neun Stunden (Alles gesagt) dauern: Podcasts. Von Fußball bis Feminismus wird in diesem Audioformat über fast alles geredet – Bildung, Bücher, Börse, Kochen, Klima, Kinder, Politik, Sport oder Verbrechen. Egal also, welche Interessen und Vorlieben jemand hat, es gibt mit großer Wahrscheinlichkeit einen Podcast dazu. Auch die Anzahl von Menschen, Firmen und Institutionen, die das Audioformat selbst machen oder produzieren lassen, wächst stetig – ob Edeka oder die Konstanzer Senioren.
Im Jahr 2022 hörten laut Statista 43 Prozent der Deutschen Podcasts. Auf den Plattformen wie Spotify, Apple Podcasts, Google Podcasts oder den Audiotheken der Radiosender etwa von ARD oder ZDF ploppen täglich neue Podcasts auf. Ursprünglich kommt der Hype aus den USA und ist erst vor ein paar Jahren nach Deutschland rübergeschwappt. Vor allem hat die True Crime Serie Serial den Boom angeschoben. Der damals vom Chicago Public Media produzierte Podcast startete 2014 und fesselt seitdem ein Massenpublikum. Es geht darin um ungeklärte Mordfälle, die von der Reporterin Sarah Koenig aufgerollt werden. Serial wurde mittlerweile von der New York Times aufgekauft, die mit dem Nachrichtenpodcast The Daily seit 2017 ein weiteres sehr erfolgreiches Format produziert. Diese beiden machten das Medium populär, das mittlerweile auch zu einem Geschäftsmodell wurde. Die Monetarisierung läuft hauptsächlich über Werbung. Die Spots werden innerhalb einer laufenden Episode eingespielt.
Seit der Coronapandemie hat sich das Hörformat auch in Deutschland endgültig durchgesetzt. Rund 63.000 Podcasts gibt es aktuell. Gerade während des Lockdowns wurde der Podcast zu einem beliebten Informations- und Unterhaltungsmedium. Der Coronavirus-Update-Podcast mit dem Virologen Christian Drosten wurde etwa millionenfach abgerufen.
„Früher war Podcast nur was für Nerds, heute ist er Mainstream, weil es ein spannendes Erzählmedium ist.”
Manuel Fritsch, Spielejournallist und Podcaster (Insert Moin)
Reden über Spiele
„Früher war Podcast nur was für Nerds, heute ist er Mainstream, weil es ein spannendes Erzählmedium ist“, sagt Manuel Fritsch. Der in Freiburg lebende Spielejournalist gehört zu den ersten Podcastern im Land. Seit 2010 läuft sein Projekt Insert Moin, in dem über Videogames und Brettspiele geredet wird. „Lange Zeit habe ich täglich eine Folge rausgebracht, aktuell gibt es jede Woche vier“, berichtet der 45-Jährige. Über 3200 Folgen sind mittlerweile zusammengekommen. 2015 hat er das Hobby zum Beruf gemacht. Neben dem eigenen Format produziert er auch Podcasts für Unternehmen, schreibt Spielerezensionen und ist Jurymitglied von „Spiel des Jahres.
Fritsch hat sich bewusst gegen eine Werbefinanzierung entschieden. Diese nehme zu viel Einfluss auf Inhalte, findet Fritsch, der für einen unabhängigen Spielejournalismus einsteht. Seinen Podcast gibt’s daher im bezahlten Abo. Über die Crowdfunding-Plattformen Patreon und Steady honorieren die Hörer die Audioinhalte. Fritsch freut sich über den Podcastboom, der viel Reichweite generiere und für Vielfalt sorge. Gleichzeitig drängen viele Mitbewerber auf den Markt. Langfristig werde sich das Angebot wieder relativieren. „Viele der neuen Podcasts schaffen nicht mehr als zehn Folgen und sind dann wieder weg“, beobachtet Fritsch. Er selbst hat sich jedenfalls als Podcaster etabliert und über die Jahre eine treue Community aufgebaut.
Firmenpodcasts
„Der große Vorteil von Podcasts ist, dass man sie immer und überall auf dem Tablet oder Smartphone konsumieren kann, sei es beim Kochen oder Joggen“, sagt Elena Marzluf. Die 34-Jährige hat zusammen mit Vanessa Ritter 2020 die Agentur Audioflow für Corporate Podcasts gegründet. Die beiden sind in der Ortenau aufgewachsen, haben in Gengenbach BWL studiert und mit Offenburg und Karlsruhe zwei Standorte für ihr Start-up.
„Der Podcast funktioniert nicht nur im privaten Bereich, sondern auch für die interne und externe Kommunikation von Firmen“, sagt Vanessa Ritter (27). „Unternehmen wie Telekom, Evonik oder Allianz nutzen das Medium“. Neben dem Essener Chemiekonzern Evonik gehören Mittelständler, ein Content Creator und die Stadt Offenburg zum Kundenkreis von Audioflow. Elena Marzluf nennt einige Beispiele. „Für den Freizeitfahrzeugehersteller Bürstner aus Kehl produzieren wir einen Podcast, der die rund 850 Mitarbeitenden über aktuelle Entwicklungen, Geschäftszahlen oder anstehende Projekte informiert“. Die authentische und persönliche Gesprächssituation erzeuge eine emotionale Bindung.
Im Moment konzipieren sie ein Projekt für ein mittelständisches Unternehmen, bei dem ein Generationswechsel ins Haus steht. „Die beiden neuen Geschäftsführer stellen sich den Mitarbeitenden im Podcast auf offene und humorvolle Art vor. Das schafft Vertrauen.“ Die persönliche und emotionale Note spiele auch bei der Kommunikation nach außen eine entscheidende Rolle. „Der Podcast ist ein gutes und zeitgemäßes Marketinginstrument für den Aufbau einer Produktmarke oder eines Firmenbrandings“, sagt Vanessa Ritter.