Trotz wachsenden Paketaufkommens schließen immer mehr Postfilialen. Zum Nachteil der Kundschaft. Die Post verweist auf gut laufende Kooperationen mit Einzelhändlern. Doch wie gut läuft‘s wirklich? Und wer sind die Leidtragenden?
VON ANNA-LENA GRÖNER
Ein typischer Morgen kurz nach neun in der Habsburgerstraße 105 in Freiburg: Seit knapp einer halben Stunde ist die Postfiliale geöffnet und schon wartet die Kundschaft vermehrt vor der Tür. Von den vier Postschaltern der Filiale sind an diesem Morgen zwei geöffnet, die Lichter über den Tresen zeigen, wo schon geschafft wird.
Ab April sollen die Lichter hier für immer ausbleiben. Das Ende einer weiteren Postfiliale. Zwar käme genug Postkundschaft in die Habsburgerstraße, doch die Bankkunden fehlten, heißt es von Seiten der Postbank. Vermehrtes Online-Banking und Beratungsgespräche per Video. Die Pandemie hat diesen Trend noch einmal verstärkt – bis Ende 2023 will die Deutsche Bank deutschlandweit 200 Postbank- Standorte schließen.
Die Schließung der Freiburger Filiale ärgert vor allem die Postkunden. Die Ersatzfiliale, die seit vergangenem November in der Habsburgerstraße 29, in einem schrabbeligen Hinterhofgebäude, geöffnet hat, ist bisher nur ein kleiner Trost. Neben Vodafone- und Badenova-Kunden, wird hier an einem einzigen Schalter auch die Post erledigt. Schlangestehen ist vorprogrammiert.
Die Vorstände des Bürgervereins Herdern, der IG Habsburgerstraße und des Forum Neuburg sind in Aufruhr. „Die neue kleine Filiale wird die Versorgung für die vielen Menschen nicht mehr schaffen“, befürchtet Christian Ledinger, Vorstand des Bürgervereins.
„Die Konditionen sind völlig unzureichend und dieser Umstand wiederum der entscheidende Knackpunkt.“
Raphael Walz, Bürgermeister von Gundelfingen
Immer mehr große reine Postfilialen werden in so genannte Partnerfilialen überführt, ein Mix aus Einzelhandel mit kleiner Poststation. In Freiburg gibt es seit 2011 konstant 21 solcher Partnergeschäfte. Diesen Sparkurs betreibt die Deutsche Post seit ihrer Privatisierung in den 1990er Jahren. „Die Zusammenarbeit mit Partnern bringt spürbare Serviceverbesserungen für unsere Kunden, wie beispielsweise eine deutliche Erweiterung der Öffnungszeiten“, redet Marc Mombauer, Sprecher der Deutschen Post DHL-Group in Stuttgart, das Sparkonzept schön.
Die Servicerealität ist zumindest im Freiburger Fall eine andere: Die neue Postfiliale in der Habsburgerstraße 29 hat unter der Woche abends eine halbe Stunde länger geöffnet, macht aber anderthalb Stunden Mittagspause und ist damit eine ganze Stunde weniger für die Kundschaft da, als sie es bisher von der Habsburgerstraße 105 gewohnt war.
Zudem ist ein Post ungeschulter Einzelhändler, der normalerweise mit Handyverträgen statt mit Porto und Paketen sein Geschäft macht, nicht zwingend der bessere Ansprechpartner. Von den Vorteilen der Post-Einzelhandel-Kooperation anscheinend überzeugt, spricht Post-Sprecher Mombauer auch von erhöhter Kundenfrequenz und zusätzlichen Umsätzen. „Damit leistet das Partner-Modell einen wichtigen Beitrag zum Erhalt des Einzelhandels in den Städten und Gemeinden“, sagt er. Ganz schön hoch gegriffen, zumal die Deutsche Post AG gleichzeitig zum größten Konkurrenten der kleinen Filial-Partner wird: Sie verkauft Marken für Pakete online zu weit besseren Konditionen. Ein Geschäftsmodell, so schräg wie mancher neue Filialort im Hinterhof.
Waldkirch bald ohne Post?
So geschieht es, dass selbst Partner-Filialen immer wieder dicht machen. Laut Mombauer meist aus persönlichen, durchaus aber auch aus wirtschaftlichen Gründen, wobei hier meist das Gesamtgeschäft betroffen sei – natürlich. „Die Konditionen sind völlig unzureichend und dieser Umstand wiederum der entscheidende Knackpunkt für viele grundsätzlich interessierte Händlerinnen und Händler, eine Kooperation erst gar nicht einzugehen“, sagt Raphael Walz, Bürgermeister von Gundelfingen.
In seiner Gemeinde mit 11.000 Einwohnern schloss bereits vor 14 Jahren die letzte „echte“ Postfiliale. Daraufhin übernahm ein Schreibwarenladen, vor zwei Jahren löste ein Fotostudio in der Ortsmitte ab. In der 22.000-Einwohnerstadt Waldkirch schließt die einzig verbliebene Partner-Postfiliale Ende März. Aus „persönlichen Gründen“ heißt es offiziell. Oberbürgermeister Roman Götzmann schrieb Mitte Januar in einem offenen Brief an das Vertriebsmanagement der Deutschen Post DHL-Group: „Der Hauptgrund ist nach unserer Kenntnis das völlig unzureichende Vergütungssystem für die Betreiber solcher Filialen.“
Dass ein großer Bedarf an einer Poststation in seiner Stadt vorhanden ist, würde man an den täglichen Schlangen sehen, die sich – auch nach Weihnachten – vor der Noch-Filiale bilden. Wie geht es jetzt in Waldkirch weiter? „Zwischenzeitlich fand ein Telefonat mit dem Regionalleiter der Post in Baden-Württemberg statt. Seitens der Post ist man mit Hochdruck dabei, eine Anschlusslösung mit einem möglichst breiten Leistungsangebot sicherstellen zu können“, sagt Roman Götzmann. Auch die Stadt Waldkirch sei in Gesprächen mit potenziellen Interessenten.
Besser ist das. Denn dass die Post mit Hochdruck nach Lösungen sucht, das hat der Gundelfinger Bürgermeister anders erlebt: Bei ihnen sei es alles andere als gut gelaufen. „Letztlich kommt die Post ins Spiel, wenn das Kind schon in den Brunnen gefallen ist“, sagt Raphael Walz. Er sieht die Entwicklungen sehr kritisch und mit großer Sorge: „Die Post ist für mich Teil der Daseinsvorsorge. Die Politik ist hier gefordert, sich dieser Herausforderung anzunehmen.“
Mit der Schließung der Postfiliale in Freiburg möchten sich der Bürgerverein, die IG Habsburgerstraße und das Forum Neuburg noch nicht abgeben. Zu wichtig sei der Standort, gerade für die älteren Menschen aus den benachbarten Seniorenwohnheimen.
Besonders alte Menschen dürften die Leidtragenden dieser Filialschließungen sein. Das Onlinegeschäft – Post und Bank – oder Packstationen sind für sie meist keine Alternative, da aus einer anderen Zeit. Besonders für diese Zielgruppe werden daher die Wege beschwerlicher und die Umstellung größer.