Preiskampf, Printkrise, Papiermangel – Druckunternehmen hatten zuletzt viel zu schultern. Wie hat sich die Lage verändert und welche Strategien gibt es, um weiterhin relevant zu bleiben? Vier Drucker aus der Region geben einen Einblick in eine Industrie, die sich in einem riesigen Transformationsprozess befindet.
VON JULIA DONÁTH-KNEER
Die Krise des Prints kann man am Beispiel Bodensee gut beobachten: Die Druckerei Konstanz, die zum Südkurier Medienhaus gehört, setzt eine Handvoll ihrer Mitarbeiter mittlerweile nicht mehr nur in der Druckerei ein, sondern lässt sie Balkonkraftwerke und Smarthomelösungen für Privathaushalte installieren. Dafür hat das Traditionshaus ein firmeninternes Start-up gegründet: Eliotec. „Das hat mit Druck nichts zu tun“, erklärt Michael Schäfer, Geschäftsführer der Druckerei. „Wir wollen unser Fachwissen in einen neuen Markt exportieren.“ Die Idee: Das Unternehmen bildet hochqualifizierte Techniker und Elektroniker aus, eine Mangelware auf dem Handwerksmarkt. Die können nicht nur Druckereimaschinen warten und instandhalten, sondern ihre Kompetenzen auch andernorts einsetzen.
Brandbeschleuniger einer Krise
Zuletzt haben Lieferengpässe, die Preisexplosion auf dem Papiermarkt und die gestiegenen Energiekosten den Druckern zu schaffen gemacht. All das wirkte wie ein Brandbeschleuniger für eine Industrie, die sich ohnehin in der Misere befindet. „Im Printbereich ist seit Jahren ein Transformationsprozess im Gange, da ist jetzt noch mal der Turbo gezündet worden“, meint Michael Schäfer, dessen Haus mit 110 Mitarbeitenden jährlich rund 100 Millionen gedruckte Exemplare produziert, darunter vor allem den Südkurier.
Das Geschäft mit gedruckten Tageszeitungen gehört schon lang zu den Sorgenkindern der Branche: Schwindende Auflagen, die gestiegenen Material- und Portokosten sowie der höhere Mindestlohn für die Zusteller sorgten dafür, dass es sich in ländlichen Gegenden schon jetzt kaum noch rechnet, eine Zeitung zu drucken und auszuliefern. „Die eigene Zeitung ist eine wichtige Komponente in unserem Druckportfolio, aber schon lange nicht mehr die einzige“, sagt Schäfer. Aktuell mache der Südkurier noch rund 30 Prozent des Druckvolumens aus. „Daher spielt die Gewinnung und Produktion von externen Aufträgen eine immer wichtigere Rolle“, betont der 59-Jährige.
Zeitungen werden im Rollenoffsetdruck-Verfahren hergestellt, das mit wenig Aufwand hohe Auflagen schafft. Digitaldruck ist hier keine Konkurrenz, da er sich nur für kleine Auflagen rechnet. Einer Digitaldruckmaschine ist es egal, ob man ein Exemplar braucht oder 300 – was sie besonders attraktiv macht für diejenigen, die handverlesen und personalisiert arbeiten möchten. Die Druckerei Hofmann in Emmendingen, bei der auch netzwerk südbaden produziert wird, druckt im Offset- und im Digitalverfahren. Jürgen Hofmann führt das Familienunternehmen in zweiter Generation, er erlebt, dass seine Kunden – mittelständische Industrieunternehmen, Agenturen und Verlage – immer kürzere Produktionszeiten vorgeben, die Bestellmengen eher rückläufig sind, aber öfter produziert wird, um immer ein aktuelles Printprodukt zu haben. „Das heißt aber auch: Bei diesem schnelllebigen Markt müssen wir immer flexibler werden“, sagt Hofmann. Er kann das mit seinen Mitarbeitenden leisten, was der Markt erfordert. „Wir erleben seit Jahren einen starken Wettbewerb. Da überlegt man sich gut, wie man sich positioniert.“
Ein Markt der Überkapazität
Der Druckereimarkt ist vor allem ein Markt der Überkapazität. Im Schnitt lag die Auslastung im ersten Quartal 2023 bei knapp 80 Prozent, so eine Umfrage des ifo Institut unter Entscheidern der Druck- und Medienunternehmen. Das sind knapp vier Prozentpunkte weniger als 2021. Immerhin haben sich die im Vorjahr dominanten Faktoren (Lieferengpässe, Materialknappheit, extreme Papierkosten) inzwischen beruhigt. Die Preise für Papier sind wieder gesunken, auch wenn sie höher liegen als vor der Pandemie, die Lieferzeiten erreichen Vor-Corona-Niveau. Einer der größten Preisfaktoren in der ersten Jahreshälfte: Die gestiegenen Energiekosten, die dreifach höher sind als aus langjährigem Mittel bekannt.
Doch vor allem macht der Branche seit Jahren der Megatrend der Digitalisierung zu schaffen. „Der gesamte Publikationsdruck ist seit 15 Jahren stark rückläufig“, sagt Heiko Engelhardt, Geschäftsführer Burda Druck aus Offenburg. Wenn die Prinovis Gruppe, in der Bertelsmann sein Tiefdruckgeschäft gebündelt hat, Ende des Jahres seinen letzten Druckstandort schließt, wird Burda mit seinen Standorten in Offenburg, Nürnberg und dem französischen Vieux-Thann der größte Tiefdrucker Europas sein.
Das Tiefdruckverfahren lohnt sich vor allem für die sehr hohen Stückzahlen von Katalogen, Magazinen, Zeitschriften. Doch Millionenauflagen, der Rückgang von Print und der Wunsch der Menschen nach individuellen Produkten passen heute nicht mehr so richtig zusammen, was viele Betriebe vom Markt verdrängt hat. „Zur Einordnung: 2011 wurden im Tiefdruck europaweit rund vier Millionen Tonnen Papier verdruckt, 2023 werden es vermutlich deutlich unter einer Million Tonne sein. Wir sprechen also von einem Marktrückgang von rund 80 Prozent“, erklärt Heiko Engelhardt. „Dieser Rückgang wurde begleitet von einem großen Verdrängungswettbewerb, der über den Preis geführt wurde.“
Burda hat gerade 30 Millionen Euro in die Erweiterung des Druckzentrums am Offenburger Güterbahnhof investiert. 120.000 Tonnen Papier könnten hier jährlich bedruckt werden, etwa 95.000 Tonnen sind es aktuell. Rechnen sich solch hohen Investitionen in einem Markt, der durch die digitale Transformation so stark schrumpft? „Wir haben viel Geld in die Hand genommen, aber auch zwei Standorte zusammengelegt, was Kosteneinsparungen durch Synergieeffekte insbesondere bei Personal, Energie und Logistik bedeutet“, betont Engelhardt. Er steht nach wie vor hinter seinen Produkten. „Es ist ein langer, steiniger Weg. Aber wir glauben fest daran, dass es weiterhin eine Nachfrage nach starken Auflagen im Tiefdruckverfahren geben wird. Der Weg geht nicht Richtung Null. Wir haben viele Kunden, die auf ihr gedrucktes Produkt nicht verzichten können und wollen.“
Natürlich hilft da der eigene Verlag im Hintergrund, der rund 20 Prozent des bei Burda gedruckten Volumens ausmacht. „Wir sind gut aufgestellt, aber natürlich arbeiten wir in einem schrumpfenden Markt“, gibt Engelhardt zu bedenken. „Wir versuchen daher, unsere Wertschöpfungstiefe auszuweiten und den Kunden mehr zu bieten. Das bringt uns einerseits mehr Umsatz und andererseits bessere Kundenbindung.“ Ein Beispiel: Für die Apothekenzeitschrift My Life etwa, die vierzehntäglich in einer Auflage von einer Million Stück erscheint, werden die Inhalte im Tiefdruck hergestellt – der Umschlag aber im Digitaldruckverfahren. So können die Apotheken ihr eigenes Logo oder aktuelle Sonderangebote auf den Umschlag drucken lassen. Durch diese Hybridproduktion kostet der Dienst für den Apotheker nur wenige Cent pro Heft, und laut Engelhardt nehmen über ein Drittel der Kunden dieses Zusatzangebot an.
Haben hohe Auflagen ausgedient?
Es müssen ja nicht immer riesige Auflagen sein, das passt heute sowieso nicht mehr, meint Markus Kaufmann vom Druckhaus Kaufmann in Lahr. „Die Zeitschriftenverlage und die Auftraggeber von Katalogen treten nicht mehr an, um Millionen Menschen auf einmal zu beglücken“, sagt der 61-Jährige, der das 1816 gegründete Traditionshaus mit rund 200 Mitarbeitern in sechster Generation führt. Er beobachtet einen anderen Trend: weg vom Massenprodukt hin zum Liebhaberteil mit kleineren Zielgruppen und spitzeren Themen. „Das sehe ich zum Beispiel bei Versandkatalogen: Die ,Big Books‘ haben ausgedient“, meint er. „Aber oft verschwinden Printprodukte nicht vollständig, sondern werden anders aufgeteilt.“
Bei Kaufmann wird unter anderem die Zeitschrift Mare gedruckt, sie kostet stolze 13,50 Euro. „Das kauft nicht jeder“, sagt Markus Kaufmann. „Aber wer die Mare will, der zahlt auch den einen oder anderen Euro mehr. Auch im Katalogbereich funktionieren hochqualitative Printprodukte noch.“ Bei Kaufmann werden Zeitschriften (ca. 35 Prozent) und Kataloge (ca. 65 Prozent) produziert. „Wir drucken, verarbeiten, konfektionieren, machen den Einzelversand“, sagt Markus Kaufmann. „Aber der Weg von der Palette bis in den Briefkasten wird immer teurer.“ Solche Preissteigerungen an den Kunden weiterzugeben sei in einem Markt der Überkapazität schwierig, aber nicht zu vermeiden. „In Deutschland gab es vor 15 Jahren noch rund 120 Druckereien im industriellen Druckbereich. Heute sind es um die 30“, schätzt Kaufmann. Er ist stolz, dass sein Haus auch heute noch gut dasteht.
Was sich als Fazit aus all dem ziehen lässt: Wer sich in einem schrumpfenden Markt behaupten will, muss bereit sein für kreative Strategien und den Kunden nicht nur Mehrwert, sondern auch Flexibilität bieten. So kam es auch zu der Idee in Konstanz, für die Druckerei und ihre Mitarbeitenden zusätzliche neue Tätigkeitsfelder zu entwickeln – und zwar bevor das Hauptgeschäft nicht mehr genügend Geld abwirft. Geschäftsführer Michael Schäfer betont: „Der Zeitungsdruck wird noch eine ganze Weile eine zen-trale Rolle für uns als Druckerei spielen. Aber wir wissen auch, dass irgendwann der Punkt kommen wird, an dem er als Geschäftsmodell für uns nicht mehr tragfähig ist. Darauf wollen wir vorbereitet sein und deshalb müssen wir jetzt neue Märkte erschließen.“
Zum Veränderungswillen kommt die feste Überzeugung fürs Produkt. Ob es Platzhirsch Burda ist, oder die 200 Jahre alte Traditionsdruckerei – Print wird bleiben, versichern die Drucker. Was sich verändern wird, ist die Industrie.