Von Carsten Dehmer – Kanzlei Dehmer und Partner
Galt die Aktiengesellschaft (AG) als die klassische Rechtsform für Großunternehmen, so ist seit dem 1994 in Kraft getretenen Gesetz für „kleine“ Aktiengesellschaften und zur Regulierung des Aktienrechts die Aktiengesellschaft als Rechtsform auch für mittelständische Unternehmen attraktiver geworden. Die Vorteile, die sich aus dieser Unternehmensform ergeben, liegen auf der Hand: Sie erweckt den Eindruck von Größe und Vertrauen und trägt also zu einem verbesserten Unternehmensimage bei, sie bietet eine Vielzahl von Kapitalmaßnahmen und Instrumenten zur Kapitalbeschaffung, sie eignet sich für Mitarbeiterbeteiligungsmodelle, Aktienoptionen für Führungskräfte („stock options“) und damit für leistungsabhängige Gehaltskomponenten mit starker Anreizwirkung, externes Wissen lässt sich zur Unterstützung des Unternehmens im Aufsichtsrat ansiedeln und, nicht zuletzt, gibt es die Chance, den Gang an die Börse anzutreten.
Am einfachsten ist die Gründung einer AG per Einzahlung des Mindestkapitals von 50.000 Euro, von dem nur 25 Prozent einbezahlt werden müssen. Meist jedoch entsteht die neue AG aus der Umwandlung einer bestehenden Unternehmung – zum Beispiel einer GmbH. Hier gilt es, wie im Folgenden ausgeführt wird, Verschiedenes zu beachten. Dennoch ist diese Rechtsform gerade für den Mittelstand ausgesprochen interessant. Mitarbeiterbeteiligungsmodelle gehören beispielsweise heute zu den absolut selbstverständlichen Mitteln der Mitarbeiterakquisition. Gerade in der Internet-Branche wird das „Recruiting“ von Fachkräften ohne solche Beteiligungsmodelle und Aktienoptionen kaum noch von Erfolg gekrönt sein. Die Aktiengesellschaft mit ihren Möglichkeiten kann so einen echten Wettbewerbsvorteil bilden.
Ist die Relevanz der Rechtsform einer Aktiengesellschaft (AG) im Mittelstand dennoch bei Weitem nicht so hoch wie die der Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH), sollte sie überdacht werden – dabei sollten aber sowohl die Chancen, wie auch eventuelle Stolpersteine beachtet werden. Zum Beispiel im Zusammenhang mit der Entwicklung im Bereich der Sozialversicherungspflicht von Gesellschaftergeschäftsführern (bei Minderheitsgesellschaftern), könnte eine (kleine) AG aber an Bedeutung gewinnen. Dies aus der Überlegung heraus, dass der Vorstand einer AG per Gesetz nicht sozialversicherungspflichtig ist (der Vorstand der Aktiengesellschaft führt die Geschäfte der Gesellschaft gemäß § 76 Absatz 1 AktG unter eigener Verantwortung und somit selbstständig und aus eigenem Recht). Aus diesem Grund ist ein Blick auf ausgewählte Probleme – hier im Bereich des Arbeitsrechts – auf dem Weg in die AG zu werfen.
Der einfachste Weg, den bisher in der Rechtsform der GmbH geführten Betrieb zukünftig in einer AG zu betreiben, ist der Formwechsel. Dieser ist zum Handelsregister anzumelden und wird dadurch vollzogen. Charakteristisch für den Formwechsel ist die Identität des Rechtsträgers, also der im Rechtsverkehr auftretenden juristischen Einheit. Im Unterschied zur Verschmelzung, zur Vermögensübertragung und zur Spaltung als den anderen Arten der Umwandlung findet keine Vermögensübertragung von einem Rechtsträger auf einen anderen Rechtsträger statt. An dem Formwechsel ist nur ein einziger Rechtsträger beteiligt. Das Unternehmen des Rechtsträgers bleibt vor und nach dem Formwechsel gleich (wirtschaftliche Identität). Der wirtschaftlichen Identität entspricht die rechtliche Identität des Rechtsträgers. Bildlich wird die Änderung der Rechtsform unter Wahrung der Identität vielfach dahingehend beschrieben, dass die Gesellschaft lediglich ihr rechtliches Kleid wechsle. Es erfolgt ein Austausch des auf den Rechtsträger anwendbaren Normensystems, nicht aber ein Wechsel des Rechtsträgers selbst.
Da in der Zeit bis zum Vollzug im Handelsregister der Geschäftsbetrieb weiterläuft, kann es in der Zwischenzeit zu arbeitsrechtlichen Maßnahmen – wie zum Beispiel einer Kündigung – kommen, die keinen Aufschub zulassen. Wird nun bei dem bevorstehenden Vollzug eines Formwechsels einer GmbH in eine AG eine Arbeitgeberkündigung nicht mehr im Namen der bisherigen GmbH, sondern bereits im Namen der AG ausgesprochen, könnte die Wirksamkeit in Frage stehen.
Unter Beachtung der oben genannten, für den Formwechsel geltenden Grundsätze, wird der formwechselnde Rechtsträger aus Rechtsgeschäften, welche im Stadium zwischen Umwandlungsbeschluss und Eintragung des Formwechsels in das Handelsregister getätigt werden, auch dann berechtigt und verpflichtet, wenn Rechtsgeschäfte bereits im Namen der künftigen AG getätigt werden, denn die künftige AG ist mit dem formwechselnden Rechtsträger rechtlich identisch. Das ist dann der Fall und die ausgesprochene Kündigung ist damit wirksam, wenn:
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eine Personenidentität zwischen dem kündigenden alleinvertretungsberechtigten Geschäftsführer der formwechselnden GmbH und dem alleinvertretungsberechtigten Vorstandsvorsitzenden der durch Formwechsel entstehenden AG besteht,
– das betriebene Handelsgeschäft im Einvernehmen mit den Gründern fortgeführt wird,
– dem Arbeitnehmer die Existenz des Ausgangsrechtsträgers sowie die Tatsache der geplanten Umwandlung bekannt ist und
– der Arbeitnehmer aus den Gesamtumständen erkennen musste, dass die Wirksamkeit der Kündigung nicht von einem bereits vollzogenen Formwechsel abhängig sein sollte.
In der Konsequenz führt ein Formwechsel aufgrund der rechtlichen Identität zwischen dem formwechselnden und dem künftigen Arbeitgeber auch nicht zu einem Arbeitgeberwechsel und einem damit verbundenen Übergang von Arbeitsverhältnissen. Arbeitsverträge bestehen unverändert fort.