Kunststoffabfall wird zu wenig wiederverwertet, weil er nicht sortenrein sortiert wird. Das Freiburger Unternehmen Polysecure hat ein Verfahren entwickelt, mit dem die Recyclingqoute von Plastik erhöht wird.
VON CHRISTINE WEIS
Shampoo, Duschgel, Zahnpasta, Tagescreme, Rasierschaum, Müsli, Milch, Kaffee: Alles steckt in Flaschen, Tuben oder Tüten mit Plastikanteil. Wenn mancher Tag also noch nicht richtig angefangen hat, ist der Gelbe Sack gefühlt schon fast voll. Auch die Mülltrennung kann das Gewissen der Verbraucher nur geringfügig erleichtern: Denn nur ein geringer Teil der mit viel Energie und Rohöl hergestellten Kunststoffverpackungen wird überhaupt recycelt, der Rest wird verbrannt oder nach Fernost verschifft.
In Baden-Württemberg verursachte 2019 eine Person durchschnittlich 31 Kilo Abfallmenge für den Gelben Sack. Die Freiburger liegen mit 24 Kilo traditionell gut unter dem Landesdurchschnitt. Die Zahlen machen klar: Es besteht Handlungsbedarf. Das SPD-geführte Umweltministerium im Bund geht das Problem mit einem seit 2019 bestehenden Verpackungsgesetz an. Es sieht unter anderem vor, dass die Recyclingquote für Verpackungen aus Kunststoff bis zum Jahr 2022 von aktuell 47 Prozent auf 63 Prozent gesteigert wird. Im Vergleich liegt der Anteil der stofflichen Verwertung von Papier beim Verpackungsmüll bei 88 Prozent. Warum klappt es mit dem Plastikrecycling nicht richtig?
Der Freiburger Unternehmer Jochen Mösslein sieht das Problem darin, dass die gemischten Kunststoffabfälle nicht gut genug sortiert werden: Nur sortenreines Plastik kann zu hochwertigen neuen Produkten verarbeitet werden – und endet nicht als Blumentopf oder Gießkanne, die dann schon bald wieder auf der Deponie landen. Aus einer Obstmischung ließe sich ja auch kein Erdbeerkuchen backen, lautet sein charmanter Vergleich. Da muss man schon vorher die Erdbeeren raunehmen.
Wiederverwerten statt wegwerfen
Um die Sortierung zu optimieren, hat der Physiker und Betriebswirt mit seiner Firma Polysecure ein spezielles Verfahren entwickelt. Dabei werden dem Kunststoff bereits bei der Herstellung kleinste Mengen an fluoreszierenden Partikeln zugesetzt. Später erkennt die Sortiermaschine diese sogenannten Tracer und fischt die markierte Verpackung heraus. Tracer Based Sorting (TBS) nennt sich die Technologie. Die gängigen Sortiersysteme können laut Mösslein lediglich die Hauptsorten PET (Polyethylenterephthalat), PE (Polyethylen), PP (Polypropylen) und PS (Polystyrol) erkennen – und keine Spezifikationen wie etwa die für die Haltbarkeit von Lebensmitteln wichtigen Multilayer-Folien. „Mit unserer Sortiertechnologie haben wir eine realistische Verbesserung für das Verpackungsrecycling geschaffen. Es kann mehr Kunststoff im Kreislauf gehalten und damit viel CO2 eingespart werden“, sagt Mösslein. Die Methode impliziere neben dem ökologischen Aspekt auch wirtschaftliche Anreize: Die Sortierung einer Tonne Plastikmüll beläuft sich auf Kosten von etwa 200 Euro. Der Wert der so erhaltenen sekundären Stoffe liege bei rund 1000 Euro.
Für das Verfahren sieht der 57-Jährige globales Potenzial, gerade für weniger entwickelte Länder, die noch gar keine Sortiertechniken vorhalten. Noch sei man in der Entwicklungsphase. Aktuell entsteht eine industrielle Pilotsortieranlage, mit der man auch globale Stakeholder überzeugen will.
Seit 2017 läuft zudem das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung unterstützte Projekt MaReK (Markerbasiertes Sortier- und Recyclingsystem für Kunststoffverpackungen). Dabei arbeiten die Freiburger mit der Hochschule Pforzheim, dem Karlsruher Institut für Technologie, der Firma Werner & Mertz (das Mainzer Unternehmen ist bekannt für seine Haushaltsmarken Erdal und Frosch) und der „Der Grüne Punkt – Duales System Deutschland“ zusammen.
Mit der Rehau-Gruppe aus Bayern konnte Polysecure einst den ersten Kunden an Land ziehen. Sobald der Anteil an markierten, glasfaserhaltigen Fensterprofilen in Abbruchhäusern groß genug ist, kommt die TBS-Sortierung zum Einsatz. Damit verbessert die Erfindung aus Freiburg schon bald die Wiederverwertung von Kunststoffen im Bausektor.
Ursprünglich entwickelte Polysecure ihr System für den Plagiatschutz. Die Ausweitung der Plattform auf weitere Anwendungen sei eine in der Branche übliche Komponente innerhalb einer Technologie-Strategie, die Erfolg zeige: Das nach eigenen Angaben wachsende Unternehmen mit 30 Mitarbeitern gibt den Jahresumsatz im einstelligen Millionenbereich an und hatte letztes Jahr einen deutlich positiven Cashflow.