Das Freiburger Unternehmen Cowfunding bringt Qualitätsfleisch in den Online-Handel. Mit regionalem Bekenntnis –
und der Expansionsmöglichchkeit für andere Gegenden.
Gute Startups zeichnet aus, dass sie für ein signifikantes Problem eine vermeintlich naheliegende Lösung bieten. Es gilt, den Propheten zum Berg zu bringen anstatt auf das umgekehrte Szenario zu hoffen. Das Konzept von Cowfunding Freiburg mit Moriz Vohrer als Spiritus rector steht exakt in dieser Tradition, wenn Endverbraucher hierbei die Möglichkeit bekommen, nicht nur die Herkunftsregion oder einen Landwirt, sondern gleich das Tier selbst zu bestimmen, von dem sie ihr Fleisch beziehen.
Die Idee, Kunden im direkten Kontakt zum Erzeuger zu bedienen, ist so alt wie der Handel selbst. Etwas jünger ist der Ansatz, dies virtuell über den Onlinehandel zu versuchen. Doch selbst im unmittelbaren Branchenkontext gab es bereits vor Cowfunding erfolgreich umgesetzte Konzepte, die Endkunden den Kauf von Fleisch aus denkbar spezifischster Herkunft ermöglichen (u.a. kaufnekuh.de und mycow.de im deutschsprachigen Raum).
Genuin neu ist bei Cowfunding der Anspruch, den Handel ähnlich wie auf dem städtischen Wochenmarkt so regional wie möglich zu halten. Die vermeintliche Konkurrenz zu Cowfunding vertreibt überregional, deutschlandweit. Cowfunding dagegen hatte den ersten Testlauf im April 2017 bewusst regional auf den Raum Freiburg und Umgebung ausgerichtet. Ausliefernde Erzeuger waren zwei Landwirte aus dem Münstertal. Verkauft wurden pro Rind 40 Fleischpakete à 3,25kg, abgestimmt auf den Bedarf und die Tiefkühltruhengröße des Durchschnittsstädters an sich. Das Angebot war in weniger als 48 Stunden ausverkauft, der Proof of Concept für das durch ein Stipendium des Freiburger Gründerzentrums „Grünhof“ unterstützte Projekt schien keine Hürde zu sein.
In diesen Tagen geht Cowfunding mit einem grundlegenden Relaunch der Website an den Start. Für Besucher nur schwer erkennbar, ist im Hintergrund kaum ein Stein auf dem anderen geblieben. Unter der Förderung durch das Biosphärenreservat Schwarzwald – als solches erst vor wenigen Wochen von der UNESCO mit den damit verbundenen Förderzusagen verabschiedet und bestätigt – konnte eine völlig neue CMS-Oberfläche programmiert werden, mit der potentielle Direktvermarkter (Landwirte) künftig selbst über ihren persönlichen Account Angebote einpflegen können. Mit Stephan Schleith hat man die neu geschaffene Stelle des Regio-Koordinators denkbar kompetent besetzt. Schleith fungiert in dieser Funktion als menschliche Schnittstelle des Unternehmens zu Landwirten und Endverbrauchern.
Der Herbolzheimer kennt die Region und spricht die Sprache der Leute – entscheidend im Umgang mit alteingesessenen Landwirten, für die das Thema Direktvermarktung über das Internet mit unzähligen Unbekannten gespickt ist. Vohrer widmet sich verstärkt der Weiterentwicklung des technischen Backgrounds. Usability ist im Hinblick auf die kooperierenden Landwirte ein entscheidender Faktor.
Neben der möglichst intuitiv nutzbaren Oberfläche sind spezielle technische Gegebenheiten wie weitläufig fehlende Breitband-Internetanbindung auf dem Land zu berücksichtigen – vielerorts müssen potentielle Direktvermarkter die drei, vier Fotos für ihr Angebotsprofil noch mit ISDN-Geschwindigkeit hochladen. Cowfunding unterstützt die Landwirte darüber hinaus bei der Vorkalkulation ihrer jeweiligen Angebote und stellt grundsätzlich drei Preiskategorien zur Verfügung, in denen Fleisch von unterschiedlicher Qualität eingestellt werden kann. Ziel dieser zweiten Ausbaustufe ist zunächst, Cowfunding als Konzept in der Region Freiburg zu etablieren, indem teilnehmenden Anbietern ein effektiver neuer Vertriebsweg eröffnet wird. Angesprochen ist jene Mehrheit an Landwirten, die nicht in Vollerwerb tätig sind. Vohrer verweist darauf, dass dies allein im Münstertal inzwischen auf 120 von 125 Landwirten zutrifft. Perspektivisch hat man das Vertriebsmodell zwischen April und August 2017 dahingehend weiterentwickelt, dass es kompatibel auf andere Regionen übertragbar ist. Relevant insofern, als die Entwicklung und Betreuung der Software, in die derzeit 50% der Erlösbeteiligung fließen, angesichts der aktuellen regionalen Eingrenzung des Geschäftsmodells nur schwerlich rentabel zu halten ist. Cowfunding ist entsprechend auf Expansion ausgerichtet, als regional ausgerichtetes Vertriebsmodell, das zugleich überregional anwendbar bleibt. Ob man ein Prophet sein muss, um diesem Vorhaben Erfolg vorauszusagen, bleibt dahingestellt. Den Weg desselben zum sprichwörtlichen Berg möglichst kurz zu halten, scheint bis dato jedoch fulminant geglückt. rv