Längere Nutzungsdauer von Spülmaschine, Smartphone und Co. schont Ressourcen und Umwelt. Eine neue EU-Richtline soll das fördern. Dafür braucht es finanzielle Anreize, mehr Fachleute im Handwerk und reparaturfähige Produktdesigns.
Text: Christine Weis
Zwischen 8 und 10 Uhr arbeitet Patrick Stephan in seinem Büro in Vörstetten, währenddessen hat er Zeit für ein Gespräch. Den Rest des Tages ist er mit seinem Montagekombi zwischen Markgräflerland und Kaiserstuhl unterwegs. Täglich besucht er durchschnittlich sechs Haushalte oder Schul- und Kindergartenküchen und bringt dort Waschmaschinen, Trockner, Herde sowie Kühlschranke wieder in Gang. Fast nonstop klingelt an diesem Vormittag das Telefon, sein Reparaturservice ist gefragt – auch deshalb, weil es nicht mehr viele gebe. Der 53-Jährige ist ein Einzelkämpfer, und das ungewollt: „Ich habe vier Jahre nach Mitarbeitern gesucht, mittlerweile habe ich es aufgegeben.“ Er findet es schade, dass es zu wenig Nachwuchs im Handwerk gibt. „Vor zwanzig Jahren wurde das Handwerk schlechtgeredet und das Studium hochgehalten, jetzt haben wir den Salat“, sagt Stephan. Dabei kann man als Handwerker gut verdienen. Er findet seinen Beruf sinnvoll und abwechslungsreich. „Ich habe oft gute Gespräche und schöne Begegnungen. Es kommt auch schon mal vor, dass ich zum Kaffee oder Mittagessen eingeladen werde.“
„Die Geiz-ist-Geil-Phase ist vorbei.“
Patrick Stephan
Patrick Stephan startete 1988 seine Lehre als Elektroinstallateur. Bald nach der Ausbildung, wechselte er zu Sehringer & Schoch, einem Kundendienst des Versandhändlers Quelle in Freiburg. „Damals waren wir noch fünf Mann im Betrieb“, sagt Stephan, der die in Schoch Elektro-Service umbenannte Firma vor einigen Jahren übernommen hat. Sein Spezialgebiet sind Markengeräte von Bosch oder Miele. Die Qualität muss gut sein – und reparieren ist allemal nachhaltiger, statt neu kaufen. Am Ende sei es auch für den Geldbeutel besser, auf Qualitätsware zu setzen. „Klar, kann man eine neue Waschmaschine für 250 Euro kaufen. Im Regelfall ist die dann nach zwei Jahren defekt und eine Reparatur verhältnismäßig teuer.“ Vier Geräte im niedrigen Preissegment entsprechen preislich ungefähr einem Topmarkengerät. Eine Standardreparatur mit Ersatzteil liege bei ihm im Bereich zwischen 150 und 200 Euro. „Die Geiz-ist-Geil-Phase ist vorbei“, so der Eindruck von Stephan. Gerade die Generation 40plus sei verantwortungsvoll und achte auf Nachhaltigkeit. „Vielen ist es egal, was die Reparatur kostet, sie wollen auf jeden Fall, dass die Geräte lange in Gebrauch sind. Und sie kaufen auch verstärkt wieder im Fachhandel, selbst wenn das teurer ist“, sagt Patrick Stephan. Die Weiße Ware in seiner Küche hat er seit 20 Jahren. Er kann aber nicht garantieren, dass die Neugeräte derselben Marke heute auch noch so lange halten werden.
Transparente Baupläne und Software
Patrick Stephan ist mit seinem Elektro-Service auf dem bundesweiten Reparaturportal „Mein Macher“ vertreten. Auf der Plattform sind nach Unternehmensangaben rund 1000 Spezialisten für Kaffeemaschinen, Smartphones, Computer, Waschmaschinen, Fernsehgeräte oder HiFi-Anlagen registriert. Im Suchfeld kann man das Gerät und den Ort eingeben und erhält dann Kontakte zu Reparaturanbietern in der Nähe. Initiator und Betreiber von „Mein Macher“ ist die Firma Vangerow aus Reutlingen, ein familiengeführter Elektro- und Fernsehtechnikerbetrieb. Geschäftsführer Steffen Vangerow setzt sich politisch und medienwirksam für den Wert der Reparatur ein. Der Informationstechniker ist Vorstand der Initiative „Runder Tisch Reparatur“, die sich schon lange für ein Recht auf Reparatur stark macht. Nun hat die EU dieses Recht Ende April auf den Weg gebracht. Das bedeutet: Hersteller sind künftig dazu verpflichtet, Reparaturoptionen anzubieten. Außerdem müssen die Produkte reparierbar und die dafür notwendigen Ersatzteile und Software zugänglich sein. Zudem verlängert sich die Gewährleistung, so dass sich die Reparatur auf jeden Fall lohnt. Vangerow begrüßt den EU-Beschluss. Gleichzeitig ist er skeptisch, wie dieser umgesetzt und kontrolliert werden kann, sagt er in einem Videointerview auf der Greentech Konferenz in Reutlingen. Im Nachrichtenmagazin Der Spiegel beklagt er, dass viele Hersteller Baupläne geheim halten und ihre Artikel so konstruierten, dass sie nur mit Spezialwerkzeug demontiert werden können. Und er plädiert für mehr Wettbewerb beim Kundendienst und auf dem Ersatzteilmarkt.
Die EU-Regelung soll vorerst für große Geräte gelten, ausgenommen sind damit etwa Rasierer, Föhn oder die Küchenmaschine. Das Gesetz müsse nach und nach für alle Geräte kommen, lautet daher die Forderung des Vereins „Runder Tisch Reparatur“. Und es sollte finanzielle Anreize geben. Die Bundesländer Sachsen und Thüringen gehen hier voran. „Menschen, die ein Gerät reparieren lassen, können hinterher einen Antrag stellen und erhalten dann einen Zuschuss für ihre Reparatur”, sagte Ruth Preywisch von der Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz in der ARD-Tagesschau.
Rohstoffe im Kreislauf halten
Reparieren statt neu zu kaufen ist ein Mittel für die Abfallvermeidung. Rund 30 Millionen Tonnen Müll entstehen jährlich in den EU-Staaten durch ausgemusterte, aber noch gebrauchsfähige Elektro- und Elektronikgeräte. In Deutschland waren es zuletzt mehr als eine Million Tonnen, Tendenz steigend.
„Um Ressourcen zu schonen, ist Reparatur ein guter Hebel“, sagt Andreas Manhart vom Freiburger Öko-Institut. Denn solange die Geräte in Gebrauch sind, halten sich die Rohstoffe im Kreislauf, so der Umweltwissenschaftler. Damit erklärt er das Prinzip der Kreislaufwirtschaft gleich mit, die darauf abzielt, Müll zu vermeiden und Materialien möglichst lange zu nutzen. Doch die erste Frage sollte sein: Brauche ich das Produkt überhaupt? Vermeiden, wiederverwenden, recyceln ist die Reihenfolge für ressourcenschonendes Handeln, sagt der 47-Jährige.
„Umweltpolitik darf man nicht privatisieren und alles auf den Verbraucher abwälzen.“
Andreas Manhart
Frisches Design, neue Features und Schnäppchenpreise verlocken Konsumenten aber immer wieder doch zum Neukauf. Braucht es da mehr Information und Aufklärung? Nicht nur, findet Manhart, denn „Umweltpolitik darf man nicht privatisieren und alles auf den Verbraucher abwälzen“. Zwingend notwendig seien verpflichtende Vorgaben für die Hersteller wie Qualitäts- und Haltbarkeitsmindeststandards, so dass schlechte Billigware vom Markt verschwindet. Das sei auch im Sinne des Konsumentenschutzes. Als Beispiel für solche Ramschware nennt er Matratzen, die bei Billigqualität gesundheitsschädlich seien. Nachhaltigere Produkte sind oft teurer in der Anschaffung, aber günstiger, wenn man die gesamte Lebensdauer mit einrechnet, bestätigt auch Manhart. Er sieht hier ebenfalls Regulierungsbedarf und fordert sozial verträgliche Wege bei notwendigen Neuanschaffungen für Menschen mit wenig Geld. „Sie werden gleich doppelt bestraft, weil die Billigware schnell kaputt geht, reparieren kaum möglich ist und somit wiederholte Neukäufe notwendig werden.“ Langfristig rechnet sich Qualität aber auch finanziell, wie das Öko-Institut in einer Studie belegt. Verbraucherinnen und Verbraucher können demnach Geld sparen, wenn sie Geräte wie Waschmaschinen, Laptops, Smartphones und Fernsehgeräte länger verwenden. Rund 3,7 Milliarden Euro seien das jährlich in Deutschland.
Beim Thema Reparatur sieht Andreas Manhart viel Nachholbedarf von Seiten des Verbraucherservices: „Wir können heute mit drei Klicks jedes Produkt online bestellen und bekommen es umgehend nach Hause geliefert. Doch wenn es kaputt ist, wird es kompliziert, da stecken wir noch in den Neunzigern. Und zum Recyclinghof muss man schon selbst fahren, obwohl die Fahrzeugflotten der Logistiker permanent unterwegs sind.“
Derweil ist Patrick Stephan weiterhin zu seinen Kunden und den defekten Kühlschränken oder Spülmaschinen unterwegs. Er vermutet, dass noch mehr Aufträge durch das Recht auf Reparatur bei ihm ankommen werden.