Die Region Südbaden könnte wichtige Kompetenzen an den Bund verlieren: Das regionale Knowhow für die Planung von Autobahnabschnitte könnte damit geschmälert werden.
VON ULI HOMANN
Für Planung, Bau und Betreuung der Bundesautobahnstrecken in Südbaden stehen dem Regierungspräsidium Freiburg möglicherweise gravierende Änderungen ins Haus. Hintergrund ist die Absicht des Bundes, alle Aktivitäten um die Autobahnen in Deutschland in einer Bundesfernstraßengesellschaft zu bündeln. Die angebliche „Jahrhundertreform“ sorgt für Unruhe unter den etwa 400 Beschäftigten, die sich im Regierungspräsidium in der Abteilung 4 für Straßenwesen und Verkehr für Südbaden bislang mit allen Straßentypen, also auch Kreis-, Landes- und Bundesstraßen und nicht nur mit Autobahnen beschäftigen. Regierungspräsidentin Bärbel Schäfer drückte dieser Tage ihre Sorge aus, der regionale Einfluss und das örtliche Knowhow bei Planung und dem Bau von Autobahnabschnitten in Südbaden könnten geschmälert werden.
Ganz praktisch heißt das: schwierige Projekte wie die A 98 mit ihren speziellen regionalen Besonderheiten und Konflikten oder die Bündelung des Ausbaus der A 5 im Rheintal mit den in Planung befindlichen Güterbahngleisen würden vorwiegend zentral verantwortet und gesteuert. Das Regierungspräsidium müsste einen Teil seines Personals an die neue Bundesfernstraßengesellschaft abgeben, wenn sie denn tatsächlich gegründet wird. Genaueres über Personalrochaden ist indes noch nicht bekannt – auch die Größenordnung konnte Markus Adler, Sprecher des Regierungspräsidiums Freiburg, auf Anfrage noch nicht beziffern. Adler: „Die Aufgaben der Abteilung 4 sind bisher verflochten und können nicht kopfscharf getrennt werden“.
Es sei aber von einer mittleren zweistelligen Zahl von Mitarbeitern auszugehen, die im Fall der Gründung einer Bundesfernstraßen-Gesellschaft zu einem anderen Arbeitgeber wechseln müssten – möglicherweise zu regionalen Töchtern der Zentrale. Der Personalrat sei in laufende Gespräche eingebunden. In der Frankfurter Allgemeinen Zeitung hieß es zur Mitarbeitersituation, allerdings aus hessischer Sicht: „Viele Betroffene fragen, verlieren wir unseren Job, verdienen wir weniger, müssen wir jetzt nach Berlin oder Bonn umziehen?“
Die Neuordnung der Finanzbeziehungen zwischen Bund und Ländern, die Kanzlerin Angela Merkel Anfang Dezember 2016 verkündete, ist als Hintergrund zu sehen. Die Gründung einer privatisierten Autobahn-Zentrale gehört zu dem, was der Bund bei dem Geschacher mit den Ländern durchsetzen will. Schon jetzt wird von einer „Revolution im Straßenbau“ gesprochen. Autobahnen sollen nicht mehr nur vom Bund bezahlt werden, sondern auch von einer bundeseigenen Firma geplant, gebaut und unterhalten werden. Unter anderem würden das Regierungspräsidium Freiburg wie auch die anderen baden-württembergischen Präsidien zusätzlich zum Verlust von Planungs- und Bauaufgaben die Zuständigkeit für die südbadischen Autobahnmeistereien verlieren.
Das alles geht auf eine vom ehemaligen Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel eingesetzte Kommission zurück. Der Bundesrechnungshof plädiert angeblich schon lange für eine Zentralisierung der Fernstraßenverwaltung. Vorteile werden darin gesehen, eigene Kredite aufnehmen zu können und privates Geld für den Straßenbau zu mobilisieren. Es besteht auch die Hoffnung, Autobahnbau könnte billiger werden, wenn nicht in kleinen Regionen geplant wird – da der Bund immer bezahlt habe, hätten regionale Planer im Zweifel zumeist die teureren und großen Lösungen bevorzugt. Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt meint, bisher sei die Qualität der Straßenbauverwaltung in den einzelnen Bundesländern sehr unterschiedlich. Eine Bundesfirma könne für ein einheitliches Niveau sorgen.
Jetzt hat die Sache richtig Fahrt aufgenommen. Noch im Frühjahr soll sie durch den Bundestag und den Bundesrat beschlossen werden – das ist das Ziel von Dobrindt. Entscheidungstermine stehen schon im Kalender. Im Bundestag ist die erforderliche Zwei-Drittel-Mehrheit, weil das Vorhaben eine Grundgesetzänderung erforderlich macht, denkbar – mit Zustimmung von CDU, SPD und Grünen. Bei den Ländern im Bundesrat gibt es größere Bedenken. Etliche Verkehrsminister wollen ihre Kompetenzen beim Bau von Autobahnen ungern aufgeben. Manchem erscheint es nicht einleuchtend, warum erworbene Kompetenz auf einmal aufgeteilt werden soll zwischen „Kreis-, Landes- und Bundestraßen“ und dem Autobahnbau.
Seien zwei Betriebe am Werk, ergebe sich die Gefahr unnötiger Doppelstrukturen, meinen Kritiker. Die Ministerpräsidenten, die bei der Neuordnung der Bund-Länder-Finanzierung jährliche Hilfen des Bundes in einer Finanzhöhe von neun Milliarden einheimsen könnten, scheinen eher geneigt, die Kröte einer Bundesfernstraßen-Zentrale zu schlucken, heißt es in der bundesweiten Debatte. Prognose der Frankfurter Allgemeinen Zeitung: „Im schlimmsten Fall wird jahrelang gestritten – und in den verunsicherten Straßenverwaltungen herrscht so lange Resignation“.
Für das Regierungspräsidium Freiburg ist noch eine weitere Änderung im Anflug. Die für alle südbadischen Luftverkehrs-Belange zuständige Abteilung in Freiburg soll zur Außenstelle einer Zentrale beim Regierungspräsidium Stuttgart werden. Diese Reform ist laut dem Freiburger RP-Sprecher Markus Adler der Tatsache geschuldet, dass die EU in der Luft „offensichtlich nicht auf eine dezentrale Verwaltungsstruktur setzt, sondern vielmehr auf eine stark zentrierte“. Wie der Bund beim Autobahnbau.
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