Offenburg veranstaltet 2022 die Heimattage Baden-Württemberg unter dem Motto „Heimat – Freiheit – Europa“. Die Stadt setzt damit politische Akzente. Im Mittelpunkt steht die Neueröffnung des Salmens. Er ist ein Denkmal der Demokratiegeschichte – seine Bedeutung ist gegenwärtiger denn je.
VON CHRISTINE WEIS
Im Gasthaus Salmen in Offenburg wurde am 12. September 1847 Geschichte geschrieben. Unter Anwesenheit von 900 Teilnehmern wurden die „13 Forderungen des Volkes in Baden“ verkündet. Sie beinhalteten das Recht auf Meinungsfreiheit, Pressefreiheit, Religionsfreiheit und die Trennung von Justiz und Verwaltung. Sie gelten als der erste Grundrechtekatalog der deutschen Geschichte. Initiiert wurde die Volksversammlung von den Oppositionellen Friedrich Hecker aus Mannheim und Gustav Struve aus Stuttgart. Auch lokale Repräsentanten wie Bürgermeister Gustav Rée und Apotheker Eduard Rehmann unterschrieben die Forderungen, die ebenfalls ein Bekenntnis für soziale Gerechtigkeit darstellten: Postuliert wurden ebenfalls die Abschaffung aller Privilegien, gerechte Besteuerung, Bildung für alle und der gerechte Ausgleich zwischen Arbeit und Kapital.
Im selben Salmen wurden in der Reichspogromnacht 1938 die Freiheits- und Menschenrechte von den Nazis vernichtet. Die jüdische Gemeinde Offenburgs nutzte das Gebäude ab 1857 als Synagoge. Am Nachmittag des 9. November stürmten rund 200 Personen den Gebetsaal und verbrannten das Inventar vor dem Rathaus.
Nach dem Zweiten Weltkrieg zog ein Elektroladen in den Salmen. Erst 1997 erwarb die Stadt das Gebäude und besann sich aus Anlass der Feierlichkeiten „150 Jahre Badische Revolution“ auf die bedeutsame Geschichte des Ortes. 2002 wurde er als „Kultur- und Erinnerungsstätte von nationaler Bedeutung“ eingestuft. Seitdem befand sich auf der Empore eine kleine Ausstellung zur wechselvollen Geschichte des Salmens, unter anderem mit 200 Portraits von ermordeten Mitgliedern der jüdischen Gemeinde und Zeitzeugenberichten von Überlebenden des Holocaust, und 13 Stelen, die jeweils eine der „Forderungen des Volkes“ symbolisierten.
In den letzten zwei Jahren wurde der Salmen umgebaut. Rund 3,3 Millionen Euro hat die Neugestaltung gekostet, davon wurden circa zwei Drittel über das Förderprogramm „Nationale Projekte des Städtebaus“ des Bundesinnenministeriums finanziert. Jetzt spielt er bei den Heimattagen, die unter Federführung der Kulturchefin Carmen Lötsch konzipiert wurden, die Hauptrolle.
Zur Eröffnung am 13. Mai kommt Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier. Erwartet werden politische Vertreter von europäischer, Bundes- und Landesebene. Einer der Redner ist Josef Schuster, Vorstand des Zentralrats der Juden in Deutschland und Mitglied des deutschen Ethikrats.
„Ganz aktuell sehen wir aus traurigem Anlass, wie wichtig es ist, auch heute noch offensiv für demokratische Werte zu werben, diese zu leben und zu reflektieren.”
Katerina Ankerhold, Leiterin Salmen
Programm und Ausrichtung der Gedenkstätte Salmen
Katerina Ankerhold, Theater- und Politikwissenschaftlerin und ehemalige Redakteurin, leitet seit letzten März den Salmen. Die 33-Jährige hebt hervor, dass bei der Vermittlung der historischen Gegebenheiten immer auch die Frage im Vordergrund stehen soll, was das Vergangene mit der Gegenwart zu tun hat. Angesichts des Krieges in der Ukraine sei dies gegenwärtiger denn je. „Ganz aktuell sehen wir aus traurigem Anlass, wie wichtig es ist, auch heute noch offensiv für demokratische Werte zu werben, diese zu leben und zu reflektieren“, sagt Ankerhold.
Die multimediale und interaktive Geschichtsvermittlung wird auf vielfältige Weise umgesetzt: Eine 25-minütige Multimediashow zu den beiden Ereignissen im Salmen wird auf drei Wände projiziert und vermittelt den Betrachtern den Eindruck, unmittelbar am Geschehen teilzunehmen. In zwei Ausstellungsräumen zeigen zahlreiche Exponate die historischen Phasen. Ausstellungsobjekt ist etwa das Originalflugblatt der „13 Forderungen des Volkes“, das vom Stadtarchiv Karlsruhe entliehen ist. Zudem gibt es einen „Sprechenden Tisch“ – eine Medienprojektion, die sich mit aktuellen Fragen zu Menschenrechten befasst. Ein Raum widmet sich mit der jüdischen Geschichte Offenburgs, angefangen beim Judentum vor dem Krieg bis zu deren Verfolgung und Vernichtung. Unter den Exponaten befindet sich unter anderem das mit einem Hakenkreuz gebrandmarkte Thorafragment, das zuletzt im Museum im Ritterhaus zu sehen war. Neben der Ausstellung gibt es einen Gedenkraum für die Opfer des Nationalsozialismus.
Flankiert werden die Themen mit wechselnden Ausstellungen aus der Offenburger Bürgerschaft sowie einem umfangreichen Veranstaltungsprogramm. Wie vor dem Umbau, wird auch der Offenburger Gemeinderat seinen Sitz im Salmen wieder einnehmen.
Eine Übersicht der zahlreichen Veranstaltungen der Heimattage, darunter das deutsch-französisches Familienfest, die Tomi Ungerer-Ausstellung, das Literaturfestival "Wortspiel extra" oder eine Ausstellung zur Geschichte der Russlanddeutschen gibt es unter www.heimattage-offenburg.de.