Die Pianofortemanufaktur Sauter aus Spaichingen fertigt seit 1819 Klaviere und Flügel. Der Klavierbauer trotzt digitalen Unterhaltungsmedien, der Konkurrenz aus Fernost und behauptet sich am Markt wie nur wenige in Deutschland.
Text: Christine Weis • Fotos: Alex Dietrich
US-Schauspielerin Jennifer Aniston und Erwin Teufel haben eines gemeinsam: Sie besitzen ein Instrument von Sauter. Bei Erwin Teufel ist das nicht überraschend, der ehemalige Ministerpräsident von Baden-Württemberg lebt in Spaichingen. Jennifer Aniston hingegen ließ sich vom Filmklassiker „Der Partyschreck“ inspirieren. In Black Edwards Slapstick-Komödie von 1968 ist ein elegant braun schimmernder Sauter-Flügel mit markant filigranen Messingbeinen häufig im Bild. Er passt perfekt in die extravagante Ausstattung der Villa in Beverly Hills, wo die Party stattfindet, in deren Verlauf Hauptdarsteller Peter Sellers von einem Missgeschick ins nächste tappt. Am Ende versinkt das Haus im Badeschaum.
Von Hollywood zurück nach Spaichingen. Hier im Schwäbischen am Fuße des Dreifaltigkeitsbergs im Landkreis Tuttlingen besteht die Sauter Pianofortemanufaktur seit 1819. Pianoforte setzt sich aus den italienischen Begriffen piano (leise) und forte (laut) zusammen, weil die Tasten sowohl laut als auch leise angeschlagen werden können. Aktuell produziert Sauter jährlich rund 400 Klaviere und 40 Flügel. „Es waren mal deutlich mehr, in Hochzeiten bis zu 2500“, sagt Christian Hott. Der 50-Jährige promovierte Volkswirt und Finanzfachmann hat Anfang des Jahres die Geschäftsführung von seinem Vater Otto Hott übernommen. Der 83-jährige Wirtschaftsingenieur leitete die Firma seit 1993 und lenkte sie durch die Wellen des Strukturwandels. Denn die Hochzeiten des Klavierbaus sind in Deutschland lange vorbei. Ab den 1990er-Jahren kamen zunehmend Anbieter aus Fernost mit günstigeren Angeboten auf den Markt. Infolgedessen setze man in Spaichingen auf Exklusivität und geringere Stückzahlen. Das Prinzip hat sich bewährt. Und mittlerweile sind China und Japan keine konkurrierenden Produktionsländer mehr, sondern gute Absatzmärkte. Ihr Anteil am Umsatz liegt bei fast 30 Prozent, ähnlich dem in Deutschland und dem europäischen Ausland. Rund 15 Prozent der Instrumente gehen in die USA. Sauter erwirtschaftet etwas über fünf Millionen Euro Umsatz. Die Modellpalette in Deutschland besteht aus achtzehn Klavieren und zehn unterschiedlichen Flügeln. Berücksichtigt man die verschiedenen Modellvarianten und die Sondermodelle für einzelne Länder, ist die gesamte Produktvielfalt um einiges umfangreicher. Die Preise variieren nach Ausstattung und starten bei knapp 15.000 Euro für ein Klavier und 60.000 Euro für einen Flügel, der große Konzertflügel liegt bei rund 196.000 Euro.
„Der Preis ist in dem Segment nicht entscheidend, im Fokus der Kunden steht der Klang.”
Christian Hott
Klavierspielen trainiert den Geist
Der Rückgang der Branche hat weitere Gründe. Gerade mal 15 Hersteller listet der Bundesverband Klavier. Laut der letzten Erhebung des Statistischem Bundesamts werden nur noch knapp 4000 Klaviere und circa 2000 Flügel pro Jahr in Deutschland produziert. Hausmusik ist kein angesagtes Hobby mehr. Heute daddeln viele lieber auf dem Smartphone, als in die Tasten zu greifen. Unterhaltungsmedien verdrängten im Laufe der Zeit die Instrumente aus den Wohnzimmern. „Vor hundert Jahren stand in jedem bürgerlichen Haushalt ein akustisches Klavier“, sagt Christian Hott. Dass sie wieder Einzug halten, sei seine leise Hoffnung, doch die Realität zeichnet ein anderes Bild. Dennoch werde es immer Menschen geben, die ein hochwertiges Klavier kaufen und Qualität schätzen, davon ist der 50-Jährige überzeugt. Er zieht dabei Vergleiche zu Vinylschallplatten und Armbanduhren, die trotz oder gerade wegen der digitalen Alternativen eine Renaissance erleben. Zudem belegen Studien, dass sich Klavierspielen positiv auf geistige Fähigkeiten auswirke, insbesondere bei älteren Menschen, berichtet Hott. Zu den Kunden gehören neben den Privatleuten vor allem Profimusiker sowie Konzerthäuser, Konservatorien, Musikschulen und Kirchengemeinden. Während der Coronapandemie gab es einen Miniboom, der Sauter eine gute Auftragslage bescherte. Aktuell gehen die Bestellungen aufgrund der wirtschaftlich angespannten Lage etwas zurück. „Das ist ein temporäres Phänomen, dass sich wieder ändern wird“, so der Ökonom.
Handarbeit zahlt sich aus
Sauter ist nach eigenen Angaben die weltweit älteste noch produzierende Pianomanufaktur. 1819 begann Johann Grimm mit dem Klavierbau. Das Handwerk lernte der Spaichinger in der renommierten Wiener Werkstatt von Johann Andreas Streicher und Nanette Stein, die Ludwig van Beethoven belieferte. Auf Grimm folgte 1846 dessen Neffe Carl Sauter, seitdem trägt die Manufaktur den Namen. Von Hand gearbeitet wird heute wie damals. „Wir haben eine extrem hohe Fertigungstiefe“, erklärt Christian Hott beim Rundgang durch die Produktionshalle. Das bedeutet, dass die meisten Komponenten im Haus gefertigt werden und sämtliche Gewerke unter einem Dach versammelt sind: Schlosserei, Schreinerei, Lackiererei, Poliererei und eine Spinnerei, denn selbst die Basssaiten werden vor Ort mit Kupfer umwickelt. Würde man die Augen schließen, dann könnte man an den Gerüchen und Geräuschen erkennen, in welchem Bereich man sich gerade befindet. Es riecht nach Holz, Leim oder Lack. Bevor das Klavier gestimmt beziehungsweise intoniert wird und Musik erklingt, sind Schleifmaschinen, Sägen und Abzugsgebläse zu hören.
Teil für Teil fügt sich zum Ganzen: Resonanzboden, Gussplatte, Stege, Seiten, Rippen, Stangen, Hammerköpfe, Tasten. Das Herzstück ist die Mechanik des Spielwerks, mit der die einzelnen Hammerköpfe auf die Metallsaiten treffen. Das fertige Klangwerk besteht aus über 6000 Teilen (beim Flügel sind es sogar über 10.000) und verschiedenen Materialien wie Holz, Leder, Filz und Metall. Rund 80 bis 120 Arbeitsstunden braucht es für die Fertigstellung eines Klaviers, circa 250 bis 500 Stunden beim Flügel.
Am Ende der Werkstattführung prüft ein Klavierbauer das gesamte Instrument, ehe es in den Versand geht. Auf der Innenwand des Gehäuses steht die Zahl 124048. „Nach dem Ersten Weltkrieg haben wir bei 100 angefangen zu zählen“, erklärt Christian Hott. „Seitdem erhält jedes Instrument eine fortlaufende Nummer.“ Auch daran lässt sich die lange Firmentradition ablesen.
Form und Klang
Neben dem typischen Sauter-Sound ist das Design ein weiteres Markenzeichen. Denn ein Klavier gestaltet den Raum ähnlich wie ein Möbelstück. Mit Peter Maly hat Sauter einen international bekannten Innenarchitekten und Designer an der Hand. Der 87-Jährige kreiert für renommierte Möbelmarken wie Ligne Roset oder Thonet. „Maly ist für uns ein Glücksfall“, sagt Christian Hott. Seit 1996 entwirft Maly exklusiv mehrere Linien für Sauter. Mittlerweile sind es zwei Flügel und neun Klaviere. Rondo nennt sich ein Modell ohne eckige Kanten, selbst die Füße aus Edelstahl sind rund, wodurch das Klavier zu schweben scheint. „Zum unverwechselbaren Klang kommen noch unsere exklusiven Designs, und wir können auch auf individuelle Kundenwünsche eingehen“, sagt Hott. So fertigten die Spaichinger einen Design-Flügel bei dem die umlaufende Zargenlinie mit über 1200 Swarovski-Edelsteinen bestückt wurde. Das klingt filmreif. Der Flügel wurde letzten Herbst in die USA verschifft.