Am Ende gab es dann doch noch sehr viele Fragen und die eine oder andere Beschwerde. Trotzdem schließt der SC Freiburg seine Mitgliederversammlung nach vier Stunden ebenso gut ab wie das Geschäftsjahr.
VON RUDI RASCHKE
Geschäftsberichte beim Sport-Club Freiburg haben traditionell etwas Vorzeigebetriebshaftes. Keineswegs im Sinne von Strebertum, sondern wegen der ganz realen, seriösen Zahlen, die der Verein seit Jahren präsentiert. Selbst durchs dritte coronageprägte Berichtsjahr kommt er 2021/22 mit Rekordumsatz von knapp 115 Millionen Euro und einem Jahresüberschuss von zwei Millionen Euro. Diese Zahlen gab Finanzvorstand Oliver Leki Mitte Oktober auf der Jahreshauptversammlung in der Freiburger Messe bekannt, 574 von 46.000 Mitgliedern waren erschienen.
Der Verein sei „kerngesund“, lautete das Resumée nach Lekis rund 30-minütiger Präsentation. Zum Ergebnis beigetragen haben neben gewohnt hoher „sonstiger“ Einnahmen (20,9 Millionen Euro, hierzu gehört das Geld aus Spielerverkäufen) auch deutlich gestiegene Ticketeinnahmen (11,6 Millionen Euro) und ein wie erwartet erhöhter Sponsoring-Umsatz (18,8 Millionen Euro). Insgesamt sind es nunmehr 442 Sponsoren, die im neuen Stadion verpflegt werden und werben, im alten waren es 267.
Leki stellte eine neue Nachhaltigkeitsstrategie in einem Organigramm vor und sprach vom Verein als „lebendigem Organismus“. In der Frage der Nachnutzung des Dreisamstadions, in der der Verein nun schon eine Weile zwischen einer Nutzung für sein gesellschaftliches Engagement und der Nutzung durch Drittliga und Frauenbundesliga laviert, setzte Leki ein recht deutliches Statement für den Anspruch des Sport-Clubs: „Wir brauchen die komplette Fläche“, sagte er mit Blick auf die Frauen- und Mädchenabteilung. Der Stadt Freiburg dürfte es vermutlich nicht mehr gelingen, etwas vom SC-Gelände für die benachbarten Breitensport-Vereine abzuzwacken. Das Areal gehört der Stadt, der SC hat gegen eine geringe Pacht über Jahre hinweg in die Infrastruktur von Tribünen und Funktionsgebäuden investiert.
Der Finanzvorstand des SC Freiburg ging in seiner Rede aber auch auf stadtübergreifende Sportpolitik ein. Die 50+1-Regel (sie verhindert die Übernahme von Vereinsmehrheiten durch Investoren) sei jetzt rechtssicher zu machen, die Chancen dafür stünden so gut wie nie zuvor. Und die Vergabe der WM nach Qatar sei ein Fehler gewesen. Der DFB müsse sich hier klarer positionieren, sagt Leki, der auch eine gewichtige Rolle in Präsidium und Aufsichtsrat der Deutschen Fußball-Liga DFL spielt.
Zwölf Profis des aktuellen Kaders entstammen dem eigenen Nachwuchs.
Ebenfalls klar äußerte er sich zum neuen Hauptsponsor, dem englischen Online-Autohändler Cazoo, der bereits wenige Monate nach Bekanntgabe seinen Rückzug vom europäischen Festland bekannt gab. „Überraschend“ sei dies für den SC gewesen. Cazoo habe bisher zwar alle Verpflichtungen eingehalten, ein vorzeitiges Ende des Trikotsponsorings sei dennoch denkbar.
Im Anschluss sprach Sportvorstand Jochen Saier mit Blick auf die deutlich vorangetriebene Entwicklung des Vereins von einer „gestärkten Ausbildungsidee“, die sich aktuell an zwölf Profis mit Fußballschulen-Vergangenheit zeige. Saier sprach auch von einer „fast idealtypisch“ verlaufenen Transferphase und von einer besonderen „Kultur des Miteinanders“ im Verein, die sich beim Pokalfinale in Berlin gezeigt habe.
Zu Beginn hatte bereits SC-Präsident Eberhard Fugmann zum Selbstverständnis seines Amts, über den Dialog mit den Fans, aber auch zu Werten, Kultur und Umgang im Verein gesprochen. Fugmann, der 2021 gewählt worden war, sprach sehr offen, beinahe pastoral darüber, wie er den Club kennen gelernt hat und wie er als Schwerpunkt seines zweiten Amtsjahrs auf unterschiedliche Fanszenen zugehen möchte. Es ist unübersehbar, dass er eine neue Tonalität in den Club einbringt. Sein Schlussatz lautete: „Nur gemeinsam sind wir stark.“
Die Fragerunde der Mitglieder im „Sonstiges“-Teil der Versammlung drehte sich überwiegend um Spieltagdetails (fehlender Senf, schlechte Weckle, falsche Straßenbahnrouten), die für eine Vereinsführung nicht zu beantworten sind. Aber vermutlich nimmt die Mitgliederversammlung hier eine Ventilfunktion ein.
Darüber hinaus verwunderte am ehesten noch die Wahl des Aufsichtsrates. Er wird vom Ehrenrat, einer Art Ältestengremium, vorgeschlagen. Helen Hall-Salomon, 62, wechselt von eben diesem in den Aufsichtsrat, Edith Sitzmann, 59, bis vor kurzem Finanzministerin Baden-Württembergs, rückt ebenfalls nach. Die beiden Aufsichtsräte Wolfgang Kalsbach (früher Micronas) und Günther Schrempp (früher SPD-Landtagsabgeordneter) steigen dafür aus dem neunköpfigen Rat aus. Damit werde das Gremium zwar weiblicher, aber keineswegs jünger oder diverser, sagte Fanvertreter Manuel Gaber. Er kritisierte zugleich die wenig transparente Findung der Kandidaten für den Aufsichtsrat. Fazit des vierstündigen Abends: Der SC Freiburg präsentiert sich wirtschaftlich wie sportlich als überaus erfolgreich. Ein Sprungbrett für Talente ist er noch nicht ganz auf allen Ebenen.