Die Region war lange vom Bergbau geprägt: Im Suggental, am Schauinsland oder Schönberg wurden Silber, Eisenerz oder Flussspat gefördert. Davon zeugen heute vor allem Museumsbergwerke. Nur in der Grube Clara bei Wolfach wird noch Bergbau betrieben. Eine Spurensuche.
Text: Susanne Maerz • Fotos: Santiago Fanego
„Hier ist unser Erzgang“, sagt der Geologe Wolf-Dietrich Bock, als er die Besucher zu einem Stolleneingang des Museumsbergwerks im Suggental bringt und auf eine Felswand zeigt. „Er führt auf einer Länge von rund vier Kilometern von der Elz bis ins Glottertal.“ Auf einem Riss in der Erdkruste, wie es im Hinterland der Alpen viele gab, ist der Erzgang entstanden. Mit Mineralstoffen angereichertes heißes Wasser drang aus der Tiefe in höhere Gesteinsschichten ein. Und die Mineralien setzten sich an den Wänden der Spalte ab. So entstanden im Suggental und an vielen anderen Orten in der Region Silber-, Blei-, Fluss- oder Schwerspatvorkommen.
Wolf-Dietrich Bock blickt entlang der verschneiten Hänge Richtung Bauernhof und Friedhof hinauf ins Tal und sagt: „Hier stand mal ein Dorf mit etwa 200 Häusern und einer Kirche.“ Um die tausend Menschen lebten im 13. Jahrhundert hier, am Ende des Suggentals, das parallel zum viel größeren Glottertal verläuft. Etwa ein Drittel von ihnen waren Bergleute und bauten unter Tage erzhaltiges Gestein ab, um anschließend über Tage das Fördergut zu zerkleinern und das Silber und Blei vom Rest zu trennen.
Die Sage vom versunkenen Tal
Die Stollen schlugen die Bergleute von Hand mit Schlägel und Eisen, Öllämpchen oder brennende Kienspäne spendeten ihnen dabei schummriges Licht. Die Werkzeuge sind auch auf dem Wappen im schmiedeeisernen Gitter zu sehen, das einen Stolleneingang versperrt. Etwa 100 Jahre lief der Bergbau, bis wahrscheinlich im Jahr 1288 nach einem Unwetter eine Schlammlawine das Dorf mitsamt seinen Bewohnern unter sich begrub, die Eingänge zum Bergwerk verschüttete und die Bergleute, die unter Tage arbeiteten, für immer einschloss. In der „Sage vom versunkenen Tal“ wurde die Tragödie überliefert.
Interessierte können sie sich an der Audiostation an einem der Zugänge zum Bergwerk anhören. Mitglieder des Vereins Silberbergwerk Suggental legten 580 Meter Stollen – so nennt man im Bergbau einen horizontalen Tunnel – frei, ebenso einen Schacht, der vom höher gelegenen St. Anna- in den 30 Meter tieferen St. Josephi-Stollen führt. Wie viele tiefere Stollen es gab, ist nicht bekannt – die meisten sind nach wie vor verschüttet. Wahrscheinlich war die Grube 130 Meter tief, und das Grundwasser wurde mithilfe von Pumpen und Wasserrädern mühsam nach oben transportiert. Um diese betreiben zu können, wurde ein rund 22 Kilometer langer Kanal vom Kandel hinab zu den Bergwerken im Suggental und Glottertal gegraben – „eine technische Meisterleistung für diese Zeit“, sagt der promovierte Geologe.
Das Besucherbergwerk im Suggental ist eines von rund einem Dutzend im Südwesten. Die meisten entstanden ab den 1980er-Jahren, als sich vielerorts Vereine gründeten, um die Bergbaugeschichte ihres Ortes zu erforschen. Längst füllen die Berichte, Bücher und weiteren Publikationen zum Bergbau in der Region ganze Regale. Einige davon hat Wolfgang Werner geschrieben, der bis zu seinem Renteneintritt im Jahr 2018 als Referatsleiter im Landesamt für Geologie, Rohstoffe und Bergbau in Freiburg arbeitete. „Im Schwarzwald gab es mehrere hundert Bergwerke“, berichtet er.
Die Anfänge
Als Startschuss für den Bergbau im Schwarzwald gilt das Jahr 1028, als Kaiser Konrad II dem Basler Bischof Ulrich II per Urkunde das Recht übertrug, im Südschwarzwald Bergbau zu betreiben. Diese Urkunde ist der erste schriftliche Beleg. Die Vorläufer des Bergbaus reichen indes viel weiter zurück. Vor 7000 Jahren, so berichtet der promovierte Geologe Werner, förderte man bereits bei Sulzburg Rötel, ein rotes Pigment, das zum Herstellen von Farbe verwendet wurde. „Das war mit weitem Abstand der älteste Bergbau in Baden-Württemberg, vermutlich sogar deutschlandweit“, sagt Werner.
Belegt sei außerdem, dass es vor etwa 2600 Jahren in der keltischen Eisenzeit im Markgräflerland Schmelzöfen gab. Dies deutet darauf hin, dass damals Eisenerz aus dem Berg geholt und verarbeitet, in der Fachsprache: verhüttet, wurde. „Und es ist sehr wahrscheinlich, dass die Römer bei Badenweiler und Sulzburg Bergbau betrieben haben“, sagt Wolfgang Werner. Diese besiedelten ab dem Jahr 83 nach Christus die Region.
Boom im Mittelalter
Was ist zwischen der Römerzeit und dem Jahr 1028 passiert? „Davon wissen wir wenig“, sagt Werner. Für die Zeit danach gibt es hingegen viele Dokumente. Die meisten Bergwerke entstanden, nachdem im Mittelalter Münzen als Zahlungsmittel eingeführt wurde. „Das war die Triebfeder für den Silberbergbau im Schwarzwald“, erklärt der Experte. „Jeder Fürst war daran interessiert, sein eigenes Bergwerk zu haben, weil er dann Münzen prägen konnte.“ Entlang des Schwarzwaldrands, bei Badenweiler, in Freiamt, im Münster- und Kinzigtal wurde nach Silber gesucht. Doch längst nicht überall lohnte sich die Förderung. „Die ersten Silberlieferungen für die Stadt Freiburg kamen aus dem Glotter- und Suggental“, sagt Werner.
Ungleich bedeutender als dort, wo der Bergbau nach dem Unglück im Jahr 1288 erstmal ein jähes Ende fand, waren die Gruben am Schauinsland. Hier entstand das größte Erzbergwerk Süddeutschlands. Es brachte Freiburg Wohlstand und Geld für den Bau des Münsters. Davon zeugen noch heute die Münsterfenster, auf denen der Bergbau am Schauinsland dargestellt ist. Es sind zugleich die ältesten Zeugnisse davon. Auf 100 Kilometern Länge, aufgeteilt auf 22 Sohlen, so nennt man die verschiedenen Ebenen eines Bergwerks, 900 Meter tief in den Berg hinein wurde abgebaut. Mit Unterbrechungen bis ins Jahr 1954 – allerdings wechselten die Rohstoffe, die man förderte. Statt Silber war später Zinkerz äußerst gefragt.
Zurück ins Mittelalter: Um das Jahr 1500 kam der Silberbergbau praktisch überall im Schwarzwald zum Erliegen. Kleine Eiszeit, Pest, Dreißigjähriger Krieg sowie die Entdeckung Amerikas und die dortigen reichhaltigen Silbervorkommen sind Gründe dafür.
Etwa 200 Jahre später wurden einige Gruben wieder aufgemacht oder neue erschlossen. Wieder, um Silber abzubauen. Nun konnten die Stollen mit Schwarzpulver in den Berg gesprengt werden, was die Arbeit erleichterte.
Der Startschuss für Industriemineralien
Mitte des 19. Jahrhunderts begann eine neue Bergbauära in der Region: Im Zuge der Industrialisierung wurden Minerale wie Fluss- und Schwerspat sowie Stein- und Kalisalz interessant, die man früher als Abfallprodukt zur Seite getan hatte, berichtet Rainer Kapteinat, Bergvermessungsingenieur und Oberamtsrat beim Landesamt für Geologie, Rohstoffe und Bergbau. Auch im Suggental wurde zwischen 1870 und 1937 Schwerspat abgebaut. „Erst um 1870 hat man festgestellt, dass Schwerspat wegen seiner hohen Dichte ein wunderbares Weißpigment für Wandfarbe ist“, sagt der Geologe Bock. Wie Schwerspat in der Farbenherstellung, so ist Flussspat (so wird das natürlich vorkommende Calciumfluorid genannt) in der Chemieindustrie gefragt. Damals wie heute. Elektrische Pumpen, die es inzwischen gab, erleichterten die Arbeit, und es wurde möglich, in größere Tiefen vorzudringen.
Eisenerz für die Hochöfen im Ruhrgebiet
Einige Jahrzehnte lang interessierte sich auch die metallverarbeitende Industrie für die Region, weil es im Kahlenberg bei Ringsheim und im Freiburger Schönberg Eisenerzvorkommen gibt. Mit der Eisenbahn wurde der Kalkstein mit einem Eisengehalt von etwa 21 Prozent abtransportiert, um in den Hochöfen im Ruhrgebiet mit hochwertigem Eisenerz verschmolzen zu werden. „Freiburg-St. Georgen war ein großer Umschlagplatz“, sagt Wolfgang Werner. Bis zu 900 Männer arbeiteten zwischen 1937 und 1942 auf dem Nordfeld in St. Georgen und dem Südfeld in Ebringen. 38 Kilometer Stollen und Strecken unter Tage durchzogen den Berg. 1,4 Millionen Tonnen Eisenerz wurden gefördert. „Das ist Wahnsinn, was sie in so kurzer Zeit gemacht haben“, sagt Werner.
Dass man sich für die heimischen Vorkommen interessierte, lag laut Rainer Kapteinat an der Wiederaufrüstung nach dem Ersten Weltkrieg. Möglichst viele Rohstoffe dafür sollten im eigenen Land gewonnen werden. Zumal Elsaß und Lothringen mit ihren reichhaltigen Eisenerzvorkommen wieder zu Frankreich gehörten. Nachdem die Wehrmacht 1942 die Gebiete erneut besetzte, endete der Bergbau am Schönberg, von dem heute noch Fundamente abgerissener Gebäude und einige Straßenzüge mit Bergmannshäusern in Freiburg-St. Georgen zeugen. Sie wurden in den 1930er-Jahren errichtet, um den Bergleuten und ihren Familien, die aus dem Ruhrgebiet nach Freiburg geholt worden waren, Wohnraum zu bieten.
Ungleich länger, nämlich bis 1969, und umfangreicher wurde am Kahlenberg bei Ringsheim Eisenerz gefördert und ins Ruhrgebiet gebracht. 30 Kilometer Stollen und Strecken entstanden dort im Berg. Und es war möglich, unter Tage von Ringsheim aus nach Herbolzheim zu gelangen.
In Buggingen wurde von 1922 bis 1973 bis in eine Tiefe von 1100 Metern Kalisalz abgebaut. Auch hieran war die Industrie interessiert – und zwar für die Produktion von Düngemitteln.
Fluss- und Schwerspat auf dem Kinzigtal
Zurück zum bedeutendsten Industrierohstoff, den es in der Region unter Tage gibt: dem Fluss- und Schwerspat. In großem Stil wurde er im Bergbaurevier Wieden-Todtnau bis in die 1970er-Jahre abgebaut – seit den 1980er-Jahren gibt es in der Grube Finstergrund ein Besucherbergwerk, das davon Zeugnis gibt. Im Bergbaurevier St. Blasien zum Beispiel wurde sogar bis in die 1980er-Jahre gearbeitet.
Wo genau, das weiß Rainer Kapteinat. Er holt große Karten aus einer Schublade. Auf ihnen sind Linien aufgezeichnet, die zeigen, wohin genau die Bergbaubetriebe vorgedrungen sind. Die sogenannten Markscheider der Unternehmen müssen die Arbeit der Bergleute auf Karten, dem sogenannten Grubenbild, dokumentieren und die erstellten Pläne jedes Jahr dem beim Regierungspräsidium Freiburg angesiedelten Landesamt für Geologie, Rohstoffe und Bergbau abliefern.
Kapteinat, der in der Landesbergdirektion, dem dafür zuständigen Referat, arbeitet, breitet einen sogenannten Seigerriss der Grube Clara bei Wolfach im Kinzigtal aus. „Sie ist das einzige noch bestehende Bergwerk im Schwarzwald“, sagt er. Durch die Strecken, die die Bergleute in den Stein gesprengt haben, fahren Lkw in den Berg hinunter. Auf dem digital erstellten Plan sehen sie aus wie die Kurven einer Wasserrutsche, die immer tiefer in den Berg führen zu den rund 35 Kilometer langen Stollen in bis zu 1000 Meter Tiefe. Hier wird seit 1898 Schwerspat und seit 1978 auch Flussspat abgebaut. Ein klein wenig Silber und Kupfer fällt als Nebenprodukt dabei an. „Die Grube Clara ist eine super Lagerstätte“, sagt der Geologe Werner. Wäre sie das nicht, würde sie sicherlich nicht mehr betrieben. Denn, so betont er: „Es wird immer nach der Wirtschaftlichkeit geguckt.“
Weil sich der Abbau von Flussspat angesichts der günstigeren Konkurrenz aus China nicht mehr rechnete, wurde in den 1990er-Jahren die Grube Käfersteig bei Pforzheim geschlossen. Obwohl es dort vermutlich das größte Flussspatvorkommen Europas gibt. Jüngst fand ein Umdenken statt, auch wegen der chinesischen Politik der Abschottung: In den kommenden ein bis zwei Jahren soll die Grube wieder eröffnet werden.