Skisport gehört zum Schwarzwald wie die Zapfen zur Tanne. Doch die schneereichen Winter werden weniger. Wie geht es den Pisten- und Loipenbetreiben damit? Wir haben zwei von ihnen getroffen.
VON CHRISTINE WEIS
Es lässt keinen kalt, vor allem nicht die Skifreunde: Die Temperaturen steigen, und das wirkt sich auch auf die Winter aus. Noch gibt es laut SWR-Wetterexperte Sven Plöger keinen eindeutigen Trend in Sachen Schnee. Auf die letzten Jahre gesehen zeigt sich ein heterogenes Bild. Der Winter 2022/23 war schneearm, aber in den beiden Saisons davor und selbst im Hitzejahr 2018 waren die Schneeverhältnisse gut. Auf lange Sicht wird es nach Plögers Prognosen allerdings weniger Schnee geben. Bei dem Gedanken darf man schon wehmütig werden. Denn das Skifahren hat im Schwarzwald eine lange Tradition. Mehr noch, hier wurde es erfunden. Der Elsässer Robert Pilet war 1891 Pionier auf den Holzbrettern – und zwar am Feldberg. Der erste Ski-Club wurde 1895 in Todtnau gegründet. 1892 begann in Bernau die erste Skifabrikation. Der Rucksacklauf ist das längste Langlaufrennen der Welt. Die Strecke ist über 100 Kilometer lang und verläuft von Schonach zum Belchen. Im Schwarzwald gibt es Profiwettkämpfe, etwa in der Nordischen Kombination und im Skispringen. Weltmeister und Olympiasieger kommen hierher. In Schollach, einem Ortsteil von Eisenbach, nahm man 1908 weltweit den ersten Skilift in Betrieb, und auch Deutschlands erste Sechsersesselbahn startete im Schwarzwald – 1999 am Feldberg. Soweit ein Blick in die Ski-Geschichte.
Abfahrt am Belchen
„Früher hatten wir oft von Mitte November bis Mitte April Schnee; die Bedingungen waren durchweg gut, Pistenbully und Lifte im Dauereinsatz“, sagt Ernst Boll. Früher, damit meint er die Siebziger- und Achtzigerjahre. Der 86-jährige ehemalige Metzgermeister aus Müllheim ist seit 1976 bei der Skilifte GmbH Münstertal-Wieden aktiv, seit 1986 fungiert er als Gesellschafter und seit 2009 als Geschäftsführer. Trotz des hohen Alters übt er nicht nur das Amt aus, sondern fährt auch selbst noch die Hänge runter. Das Bücken, um die Stiefel anzuziehen, sei mühsamer geworden, aber wenn er erstmal auf den Brettern steht, gebe es für ihn nichts Schöneres als Skifahren. „Seit rund 15 Jahren lässt es mit dem Schnee kontinuierlich nach. Klar, gibt es immer mal wieder einen schneereichen Winter, aber die Tendenz ist eindeutig“, berichtet Boll. Er sei fast schon neidisch gewesen, als München Anfang Dezember im Schnee versank. „Den hätten wir hier gut gebrauchen können.“
„Früher hatten wir oft von Mitte November bis Mitte April Schnee; die Bedingungen waren durchweg gut, Pistenbully und Lifte im Dauereinsatz.”
Ernst Boll, Geschäftsführer Skilifte Münstertal-Wieden
Lukrativ sei der Skiliftbetrieb längst nicht mehr. „Wir kommen gerade mal so über die Runden. Investitionen in eine neue Pistenwalze oder Liftbügel sind bei den Umsätzen nicht drin“, sagt Boll. Die Tageskarte kostet aktuell 30 Euro für einen Erwachsenen, Kinder ab sechs Jahren zahlen 20 Euro. Dass viele Skifans auf einen schneereichen Winter hoffen, lässt sich an den rund 60 bereits im November verkauften Saisonkarten ablesen.
Das Skigebiet Münstertal-Wieden am Belchen liegt auf 880 bis 1240 Höhenmetern. Rund 200 Meter niedriger als die höchstgelegene Feldbergregion. Der Unterschied macht sich bei der Schneefallgrenze bemerkbar. Doch wenn es Schnee hat, ist die Region ein beliebtes Ziel für jene Wintersportler, die den Feldberg-Trubel nicht mögen. Es gibt sechs Lifte mit Schlepplängen zwischen 1300 und 400 Metern, und das Niveau umfasst 30 Prozent leichte, 50 Prozent mittelschwere sowie 20 Prozent anspruchsvolle Pisten. Viele Besucher kommen aus Bad Krozingen, Lörrach, Müllheim, aus der Ortenau, vom Kaiserstuhl oder aus dem Elsass. Der „Schneealarm“ hat rund 2000 Abonnenten und informiert per Mail, sobald die Pisten befahrbar sind.
Vergangene Saison schlug der Alarm selten an. „Nur einer von sechs Liften war an vierzehn Tagen in Betrieb“, sagt Boll und ergänzt: „Skifahren ist mein Hobby und Hobbies kosten Geld.“ Im ersten Coronawinter 2020 sei die Schneelage gut gewesen, aber die Pandemie machte den Skifahrern einen Strich durch die Rechnung. 2021 gab es dann ein Spezialangebot: Für 220 Euro in der Stunde konnte man Lift und Piste exklusiv nutzen.
„Wenn es schneit, geht die Telefonkette los“, erzählt Ernst Boll. „Man muss schon flexibel sein in unserer Branche.“ Viele Landwirte und auch ehrenamtliche Helfer präparieren das Gelände, setzen die Lifte in Gang oder verkaufen Tickets. „Dann ist Leben auf den Hängen und die Menschen sind glücklich im Schnee“, sagt Boll, der die Hoffnung auf Schnee nicht aufgibt. Ab und an hilft er der Hoffnung mit Schneekanonen nach. Doch diese werden nur eingesetzt, wenn die Temperaturen länger konstant kalt sind, ansonsten mache die energieaufwändige Technik keinen Sinn, erklärt der Geschäftsführer.
Lang lebe der Langlauf
Mit sechs Jahren stand Matthias Dorer das erste Mal auf Langlaufbrettern. „Wie viele Schwarzwälder bin ich mit Skiern aufgewachsen“, erzählt der 53-jährige Maschinenbauer aus Neukirch, einem Ortsteil von Furtwangen. Er sei glücklich, wenn er bei Pulverschnee, kalten Temperaturen und Sonnenstrahlen durch die Landschaft gleite. „Und wenn ich dann Langläufer, insbesondere auch Kinder auf der Loipe sehe, die strahlende Augen haben, geht mir das Herz auf“, fügt Dorer hinzu. Solche perfekten Wintertage seien seltener geworden, aber er möchte sie keinesfalls missen. „Wir werden die Schwarzwälder Langlauftradition so lange wie möglich aufrechterhalten.“
Matthias Dorer ist Mitglied in der Skizunft Brend, genau wie schon seine Eltern. Seit 2018 ist er Vorstand des rund 500 Mitglieder zählenden Vereins, der in diesem Jahr sein 75-jähriges Bestehen feiert. Die Gründungsmitglieder kamen 1949 zu Fuß aus den umliegenden Orten Furtwangen, Neukirch, Linach, Katzensteig und Gütenbach ins Gasthaus zum Brendturm, so steht es in der Chronik. Heute umfasst das Loipenzentrum zwischen Martinskapelle, Brend, Rohrhardsberg, Neukirch und Kalte Herberge eine Strecke von mehr 50 Kilometern. „Das Gute ist, die Loipen im Bereich Martinskapelle liegen durchgängig auf 1100 Metern und sind daher recht schneesicher“, erklärt Dorer. Ab einer Schneehöhe von 15 Zentimetern rücken die Spurfahrzeuge aus und präparieren die Strecken für die beiden Disziplinen Klassik und Skating.
„Wir werden die Schwarzwälder Langlauftradition so lange wie möglich aufrechterhalten.“
Matthias Dorer, Vorstand Skizunft Brend
Bis Mitte Dezember gab es immerhin schon einige Langlauftage. An sechs Abenden konnten die Läufer auch die Flutlichtloipe nutzen. Laut Vereinsgeschichte war die vom Furtwanger Olympioniken Siegfried Weiß initiierte beleuchtete Trainingsstrecke 1966 deutschlandweit die erste ihrer Art. „Durchschnittlich kann man bei uns an 90 bis 100 Tagen Skilanglaufen“, rechnet Matthias Dorer vor. Bei gutem Wetter sind an einem Wochenende bis zu 2000 Menschen auf den Loipen unterwegs. In der Saison zählt man 30.000 bis 40.000 Besucher. Die Coronawinter seien Ausreißer nach oben gewesen. „Die Skilifte waren gesperrt, die Urlaube abgesagt, da haben viele wieder den Weg auf die Langlaufloipe gefunden“, berichtet der Skizunft-Vorstand. „Zeitweise herrschte Verkehrschaos auf den 160 zur Verfügung stehenden Parkplätzen.“ Das gesteigerte Interesse im Freizeitbereich findet er positiv. Hingegen stünden die Ski in den Wettkampfdisziplinen vor allem bei den Jugendlichen nicht mehr hoch im Kurs. Das liegt nach Dorers Einschätzung auch an der unsicheren Schneesituation.
Auf die Frage, ob Beschneiung zukünftig den Naturschnee ersetzen kann, reagiert Dorer skeptisch. „Für uns ist das aus Naturschutzgründen kein Thema, auch der Energieaufwand wäre zu groß.“ Im unweit gelegenen Rothaus-Loipenzentrum gibt es auf der rund drei Kilometer langen Strecke im Weißenbachtal eine Kunstschneeanlage, berichtet Dorer. Partiell findet er eine Beschneiung gut, aber flächendeckend für alle Gebiete sei das nicht sinnvoll. „Mit der Tatsache, dass es weniger Schnee gibt, müssen wir leben, dennoch bin ich positiv gestimmt, dass wir immer wieder auch gute Winter erleben werden.“