Viele haben heute den Wunsch nach Außergewöhnlichem: Derzeit sind Möbel aus regionalem Holz im Trend. Für die Herstellung ist aber Wissen, Erfahrung und Zeit gefragt. In Kandern hat Ingo Benz eine Schreinerei mit eigenem Lager und eigener Trockenkammer, er arbeitet nach einem Prinzip, dass man bisher eher von der Slow-Food Bewegung kennt.
Schaut man sich einmal auf der Straße um, stellt man fest: Die Mehrzahl der Autos sind grau, schwarz oder weiß. Masse, Serienproduktion. Individualität? Fehlanzeige. Natürlich geben sich Produktentwickler je nach Auto-Marke viel Mühe, um etwas Ausgefallenes zu kreieren. Beim Mini beispielsweise gibt es Modellreihen mit Lackvariationen wie giftgrünen Spiegeln, Dächer mit Streifen, mal gelb oder blau. Allerdings ist es ein bisschen wie bei Teenagern, die individuell sein wollen, aber irgendwie trotzdem alle gleich aussehen, daran ändert dann auch der Farbwechsel bei Turnschuhen oder Kapuzenpullis nichts.
Ein Irrtum aber zu glauben, dass nur Teenager auf der Suche nach Individualität sind. Auch Erwachsene suchen das Besondere, das Ausgefallene. In den heutigen Industrienationen sehnen sich viele Menschen nach dem Handgemachten, dem Echten und Natürlichem. Außergewöhnliches ist in der Wohlstandsgesellschaft gefragter denn je. Einer, der das weiß und seinen Betrieb darauf ausgerichtet hat, ist Ingo Benz (53). Er erlebt derzeit das Revival von Massivholz. Die Umsätze seiner Schreinerei sind in den letzten Jahren kontinuierlich gestiegen, er hat investiert und macht derzeit mehr als eine halbe Millionen Euro Umsatz jährlich.
Über die Hälfte davon mit Küchen, überwiegend mit Aufträgen von Privatpersonen für individuelle Möbel auch im Bad und Schlafzimmer, in Arztpraxen und Läden, sei es Südbaden oder Schweiz. Benz sagt, es gebe eine Rückbesinnung auf natürliche Materialien, ein Trend, entgegen dem industriell Gefertigten.
Das Besondere ist auf dem Vormarsch und das kommt seinem Ansatz entgegen. Während er das sagt, lehnt Ingo Benz an der Kühlschranktüre der Ausstellungsküche, im Hintergrund läuft Klassik. Das ist Birnenbaum-Holz, sagt er und zeigt auf das dunkel gemusterte Holz. Die Fläche lädt zum Berühren ein. Das Naturmaterial wirkt beruhigend, fühlt sich samtig, fast weich an, das Holz strahlt Wärme und Gemütlichkeit aus. Hinter ihm steht die silberne Edelstahl-Siebträger-Espressomaschine und bildet einen schönen Kontrast.
„Lange Zeit waren die Fronten der Einbauküchen spiegelglatt“, sagt Benz. Technisch saubere Flächen, fast wie der Touchscreen der iPads und Handys. Aber der Trend ändert sich. „Seit etwa drei Jahren ist Hochglanztrend auf dem Rückzug. Auch das Kubische, Eckig- und Kantige, das Kühle“ sei derzeit nicht mehr ganz so gefragt. Das zeige nicht nur die Nachfrage bei ihm, das sieht man auch auf den weltgrößten Möbelmessen in Mailand. Der Trend geht Richtung Holz, der Fokus liegt auch auf Haptik. Individualität zum Anfassen? Vielleicht gar nicht so verwunderlich in Zeiten, da das Materielle in einigen Bereichen sogar rückläufig ist, wenn Platten- und CD-Sammlungen in Clouds wandern, in virtuelle, nicht greifbare Bibliotheken.
Die Kunden, die zu Benz kommen, sind auf der Suche nach qualitativ Hochwertigem und dem etwas anderen Bad, der etwas anderen Küche, oder dem etwas anderen Schrank aus regional geschlagenem Massivholz. Letztlich auch eine Entscheidung für das Echte und für das Individuelle. Im Lebensmittel- und Ernährungsbereich gibt es diesen Trend, die Abkehr von Masse hin zu regionalen Erzeugern und hin zum Knowhow, schon seit Jahren. Daraus ist im Bereich Ernährung eine ganze Bewegung entstanden, die weg will vom Uniformen und immer gleichem Geschmack industriell erzeugter Produkte.
Das „Slow- Food“ ist hier „Slow-Wood“, das beginnt mit dem Schlagen der Bäume nach Mondphasen, über das Prinzip des schonenden, langsamen Trocknens, bis hin zur exakten Kenntnis, welche Sorte Holz mit welchen Eigenschaften sich wofür eignet. Seit er den Betrieb von seinem Vater 1992 übernahm, verfolgt Ingo Benz diesen Ansatz. Da, wo keine Pressspanplatten im Spiel sind, ist Wissen und Erfahrung gefordert.
Er zeigt nach oben an die Balken seines Wintergartens, den er selbst mit eigens geschlagenem Holz gebaut hat: „Hier hat sich nichts verzogen, es gibt keine Spannungen, wie das bei Naturmaterialien vorkommen kann.
Ich bin kein Esoteriker, aber ich glaube, der abnehmende Mond hat beim Schlagen positiv gewirkt.“ Daneben gibt es aber noch andere Faktoren, die sich auswirken können, beispielsweise das Trocknen: „Holz, das man im Handel bekommt, wird oft künstlich getrocknet, leider aber meist viel zu schnell“, bemängelt er. In wenigen Monaten könne kein frisch geschlagenes Holz gänzlich durchgetrocknet sein, das dauere, manchmal über Jahre hinweg.
Am besten langsam, schonend, im Lager und in der eigenen Trocknungskammer hinter der Schreinerei. Und was an Holzresten übrigbleibt, wird im Brennofen für die Wärmeerzeugung verwendet, der Strom kommt von den Sonnenkollektoren auf dem Dach.
Energieautark wirtschaftet sein Betrieb, auch eine kleine Schweißerei gibt es. Denn manchmal sind es kleine Teile, die er und seine vierköpfige Crew fertigt: Besteck- Einsätze für Schubladen aus Holz und mit Metallverstärkung zum Beispiel.
Eine ganze Küche muss es nicht immer gleich sein. Es gibt auch Kochblöcke, Einzel-Elemente, die das Gesamtbild einer industriell gefertigten Einbauküche aufwerten – immer mit dem Anspruch, das Unverwechselbare und Individuelle herauszuheben.