Er ist ländlich geprägt, ein bedeutender Industriestandort und die Wiege der Kuckucksuhr. Immer wieder entsteht hier Neues. Eindrücke aus dem Schwarzwald-Baar-Kreis.
VON SUSANNE MAERZ
Eine Pop-Art-bunte Kuckucksuhr als Wandbild gemalt, mit echten Zeigern und Uhrwerk versehen. Mit Werken wie diesen gibt die Designerin Selina Kreyer aus Schonach der Kuckucksuhr ein modernes Gesicht. Inspiration holt sie sich in der Natur um Schonach – in den Wäldern, auf den Wiesen, an den kleinen Seen und Bächen. „Hier kann man ausatmen, hier hat man Ruhe“, sagt die 32-Jährige. Sie liebt die langen, schneereichen Winter, wenn die Familie nach Triberg auf die Rodelbahn fährt. Im Sommer genießt sie die Abkühlung und Ruhe im Naturschwimmbad in Schonach.
Sie berichtet vom Zusammenhalt im Dorf und davon, dass man sich gegenseitig hilft. Aber auch, dass es länger als anderswo dauert, bis manch Modernes akzeptiert wird. Ihre Eltern Ingolf und Conny Haas, die 2005 die erste moderne Kuckucksuhr auf den Markt brachten, mussten sich noch Beschimpfungen anhören. Doch es gab auch Lob. Heute führt Selina Kreyer die Manufaktur „Rombach & Haas“ gemeinsam mit ihrem Mann Andreas in fünfter Generation. „Für mich gehört die Kuckucksuhr zum Schwarzwald und zu meiner Familie“, sagt sie.
Täler und Hochebene
Die Uhr zieht viele Touristen in den Schwarzwald-Baar-Kreis im Herzen des Regierungsbezirks. Sein Name steht für zwei landschaftliche Besonderheiten: dem Schwarzwald mit seinen Tannen und Höhen um Triberg, Schonach und Furtwangen mit den Ski- und Wandergebieten. Und für die Hochebene Baar mit dem Zentrum Villingen-Schwenningen, der historischen Fürstenstadt Donaueschingen sowie der Kur- und Bäderstadt Bad Dürrheim.
„Hier oben“, wie man in der Region sagt, entspringen Donau und Neckar – der Kreis nennt sich daher Quellenland. Die badisch-schwäbische Grenze läuft durch ihn und auch die Doppelstadt mit ihren rund 86.000 Einwohnern hindurch. Zum Bummeln und Verweilen lädt vor allem die Altstadt Villingens ein, während Schwenningen eher industriell geprägt ist.
Der Schwarzwald-Baar-Kreis ist ein bedeutender Industriestandort mit vielen erfolgreichen mittelständischen Unternehmen. Dazu zählen die Wiha Werkzeuge GmbH in Schonach, der Spezialist für Zahnrad- und Getriebetechnik IMS Gear aus Donaueschingen, der Leuchtenhersteller Waldmann, der Automobilzulieferer Kendrion – beide mit Sitz in Villingen-Schwenningen, oder der Verpackungshersteller Straub in Bräunlingen und der Spielzeughersteller Faller aus Gütenbach.
Hochschulen und Museen
Mehrere Hochschulen sichern der Region die Bildung: In Schwenningen haben die Duale Hochschule, die Polizeihochschule und die Außenstelle der Hochschule Furtwangen University ihren Sitz. In der Hochschule in Furtwangen ist auch das Deutsche Uhrenmuseum untergebracht.
Andere ehemalige Industriegebäude in Schwenningen werden zum Entwickeln neuer Ideen genutzt. Zum Beispiel ist das Gründer- und Kreativzentrum „Die Halle“, ein Ort für Coworking, Workshops, Gründer und Kultur, in einer ehemaligen Werkhalle entstanden.
Was Schwenningen für die Uhrenindustrie war, war St. Georgen für die Phonoindustrie. Rund 3000 Arbeitsplätze gab es bis zu deren Niedergang zu Beginn der 1980er-Jahre in diesem Bereich. Zum danach nötigen Wandel hat unter anderem das Technologiezentrum beigetragen. Viele, zum Teil in der Softwarebranche erfolgreiche Start-ups und Gründer sind hier groß geworden.
Von der Geschichte berichtet das Deutsche Phonomuseum in St. Georgen – allen voran von Dual und Perpetuum Ebner (PE), den beiden großen Plattenspielermarken der Stadt. Der gebürtige St. Georgener Wolfgang Epting hat die Marke PE wiederbelebt. „Mich hat betrübt, dass St. Georgen in der Phonoindustrie nicht mehr den Stellenwert hat wie zur Blütezeit von Dual und PE“, sagt er. In seiner kleinen Manufaktur fertigt der gelernte Feinmechaniker seitdem moderne Plattenspieler nach historischem Vorbild – und bedient damit den Vinyl-Trend, den es seit einer Weile gibt.
Immer wieder gewandelt – so wie der Markt
Kuckucksuhren werden früher wie heute gekauft. Von der Firma SBS-Feintechnik aus Schonach, dem Stammunternehmen der Burger Group, beziehen viele regionale Hersteller die mechanischen Uhrwerke. Die Antriebslösungen der Firmengruppe mit ihren weltweit gut 1000 Mitarbeitenden kommen längst nicht mehr nur in der Uhrenindustrie, sondern vor allem in der Fahrzeug-, Gebäude- und Haushaltstechnik zum Einsatz. Der Gründer Josef Burger hatte in den 1850er-Jahren, so wie es bei vielen bedeutenden Industrieunternehmen der Region der Fall war, seine ersten Produkte im Keller des Wohnhauses entwickelt und ist mit der Uhrenindustrie und damit der Feintechnik groß geworden. Immer wieder passte er sich den veränderten Marktbedingungen an. Das haben nicht alle, aber viele Unternehmen geschafft.
„Man sagt nicht umsonst zu uns Region der Tüftler und Bastler“, sagt Silke Burger, Leitung Human Resources der Burger Group. „Die Schaffermentalität hat uns groß gemacht.“ Die Bereitschaft für Veränderungen, die Kreativität zeichnet für sie die Region genauso aus wie der Zusammenhalt im Dorf mit seinen vielen Vereinen. Dass jeder jeden kennt, könne aber auch ein Nachteil sein. Als negativ hebt sie die schlechte Verkehrsanbindung von Schonach hervor, die es schwerer mache, Arbeitskräfte aus den umliegenden Gemeinden und Tälern zu rekrutieren. „Ohne Auto geht es hier nicht“, sagt Silke Burger. Dennoch: Sie schwärmt von der „traumhaft schönen Natur“, den schneereichen Wintern, den inzwischen heißen Sommern mit seinen nach wie vor angenehm kühlen Nächten.
Viele Menschen mit kreativen Ideen
Zu denen, die den Wald, die Höhen des Schwarzwaldes lieben und daraus Kraft und Kreativität schöpfen, gehört auch Carolin Deberling, Geschäftsführende Gesellschafterin der Agentur Gruppe Drei aus Villingen-Schwenningen. Auch, weil sie beruflich häufig unterwegs ist, schätzt sie die Ruhe in der Region. Sie hebt hervor, wie gut man mit der Schwarzwaldbahn nach Offenburg und von dort weiter mit dem ICE nach Frankfurt komme, wie schnell man für einen Theater- oder Musemsbesuch in Stuttgart oder Zürich sei. Wie würde sie ihren Landkreis vermarkten? „Das Gleichgewicht zwischen städtisch und ländlich finde ich lebenswert“, sagt Carolin Deberling. „Hier gibt es ganz viele spannende Menschen, die sehr erfolgreich eigene Ideen entwickeln.“
Ein Beispiel für einen kreativen Kopf ist der Unternehmer Thomas Vosseler. Er hat in den 1980ern erfolgreich erst mit Funktelefonen, Videospielen und dann mit Computern gehandelt, später mit seiner U-Turn GmbH zusammen mit einem Partner Gleitschirme entwickelt und in der Pandemie ebenfalls mit einem Mitstreiter in Villingen-Schwenningen die Univent Medical GmbH gegründet, die FFP2-Masken produziert. „Wenn einer sagt: ‘Geht nicht’, ist das ein Antrieb für mich“, sagt der Unternehmer.